Politik

Selenskyj erwartet Scholz-Reise Steinmeier-Besuch von Kiew "nicht gewünscht"

247809929.jpg

Im Sommer 2021 war das Verhältnis von Präsident Selenskyj und Bundespräsident Steinmeier auf Schloss Bellevue noch in Ordnung.

(Foto: picture alliance/dpa)

In den vergangenen Tagen reisten immer mehr westliche Politiker in die Ukraine, um sich vor Ort ein Bild zu machen - und um ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Offenbar plante auch Bundespräsident Steinmeier eine Reise. Doch es gibt eine Absage aus Kiew.

Eine geplante Reise von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Kiew ist geplatzt, weil er dort offensichtlich nicht willkommen ist. "Ich war dazu bereit. Aber offenbar - und ich muss das zur Kenntnis nehmen - war das in Kiew nicht gewünscht", sagte Steinmeier bei einem Besuch in Warschau. Der polnische Präsident Andrzej Duda habe in den vergangenen Tagen angeregt, dass sie beide zusammen mit den Staatschefs der baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland in die ukrainische Hauptstadt reisen, "um dort ein starkes Zeichen gemeinsamer europäischer Solidarität mit der Ukraine zu senden und zu setzen". Dazu kommt es jetzt nicht mehr.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich reagierte mit Bedauern auf die Absage der Kiew-Reise. "Die Reise des Bundespräsidenten nach Kiew wäre ein deutliches außenpolitisches Zeichen der Solidarität gewesen. Frank-Walter Steinmeier ist der ranghöchste Vertreter Deutschlands und vertritt den Bund völkerrechtlich", sagte Mützenich der Düsseldorfer "Rheinischen Post". "Deutschland hat die Ukraine seit vielen Jahren wirtschaftlich und seit Kriegsbeginn auch humanitär und militärisch unterstützt. Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass ein Besuch des Bundespräsidenten die fortdauernde Hilfe unseres Landes hätte unterstreichen können", so Mützenich.

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hatte bereits am Wochenende deutlich gemacht, dass die Ukraine eher einen Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz als von Steinmeier erwartet. Eine Kiew-Reise des Bundespräsidenten hätte nur symbolischen Charakter, sagte er. "Es sollten lieber der Bundeskanzler oder andere Mitglieder der Bundesregierung kommen, die konkrete Entscheidungen über weitere massive Unterstützung für die Ukraine treffen", sagte Melnyk.

Die Ukraine fordert die Lieferung schwerer Waffen wie Panzer und Artilleriegeschütze. Steinmeier hatte bereits am Freitag signalisiert, dass er Reisepläne für Kiew hat. "Selbstverständlich denke ich auch darüber nach, wann der richtige Zeitpunkt ist für meinen nächsten Besuch in Kiew." Diese Pläne sind jetzt hinfällig. Und das, obwohl sich westliche Spitzenpolitiker beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj inzwischen die Klinke in die Hand geben. Aus Polen, Großbritannien, Österreich, Tschechien, Slowenien und der Slowakei sind bereits die Regierungschefs nach Kiew gereist, um der Ukraine im Kampf gegen die russischen Angreifer den Rücken zu stärken. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war am Freitag dort.

Aus Deutschland trafen am Dienstag drei führende Parlamentarier der Ampel-Koalition in der Ukraine ein - allerdings nicht in der Hauptstadt Kiew, sondern im westukrainischen Lwiw. Dort wollten die Vorsitzenden der Ausschüsse für Auswärtiges, Verteidigung und Europa - Michael Roth, Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Anton Hofreiter - Abgeordnete des ukrainischen Parlaments Rada treffen. Alle drei Politiker hatten zuletzt mehr Tempo bei Waffenlieferungen gefordert.

Es sind die hochrangigsten deutschen Politiker, die seit Kriegsbeginn vor sieben Wochen die Ukraine besuchen. In der vergangenen Woche war bereits der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe mit einer Delegation des Europarats dort.

"Ich empfinde wirklich tiefen Respekt"

In Warschau dankte Steinmeier Polen für die Aufnahme Hunderttausender Flüchtlinge aus der Ukraine und sagte dem EU-Partner dafür weitere deutsche Unterstützung zu. "Ich empfinde wirklich tiefen Respekt und auch große Dankbarkeit für die großzügige und gut organisierte Aufnahme der Geflüchteten hier in Polen", sagte er nach einem Gespräch mit Duda.

Mehr zum Thema

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz wurden hinsichtlich der militärischen Unterstützung der Ukraine und der Befreiung von der Energieabhängigkeit von Russland deutliche Unterschiede sichtbar. Duda schilderte, dass Polen Waffenkäufe für die polnischen Streitkräfte plane, um diese zu modernisieren. Steinmeier wies darauf hin, dass die Bundesregierung bereits Entscheidungen wie das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr getroffen habe, die von Deutschland nicht erwartet worden seien. Zudem liefere man jetzt Waffen nicht nur in ein Spannungs-, sondern ein Kriegsgebiet. Auf die Frage, ob dazu künftig auch schwere Waffen wie Panzer gehörten, antwortete Steinmeier ausweichend.

Den Bezug von Öl und Gas wolle Deutschland so schnell wie möglich reduzieren, sagte Steinmeier. "Wir sagen aber auch mit Blick auf unsere Wirtschaftsstruktur, zu der eine starke Chemieindustrie gehört, geht es nicht ganz so rasch, wie manche sich das gegenwärtig wünschen." Derjenige, der die Sanktionen ausspreche, dürfe sich nicht stärker schädigen als den Sanktionierten. Duda machte deutlich, dass Polen schon vor Jahren angefangen habe, seinen Energiebezug zu diversifizieren. Er hoffe, dass Polen schon im kommenden Herbst von Gasimporten aus Russland unabhängig sein werde.

Quelle: ntv.de, cls/dpa

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen