Politik

Kommentar Sucht euch einen stärkeren Gegner

Haben ihren Sündenbock gefunden: Pegida-Demonstranten in Dresden.

Haben ihren Sündenbock gefunden: Pegida-Demonstranten in Dresden.

(Foto: picture alliance / dpa)

Irgendetwas möchten die Pegida-Demonstranten verändern. Aber anstatt sich Gedanken zu machen und vernünftige Kritik zu formulieren, treten sie auf die Schwächsten in der Gesellschaft ein.

Wenn man in Deutschland aufgewachsen ist, ist es fast unmöglich, sich in die Flüchtlinge hineinzuversetzen, die erst vor Kurzem hierhergekommen sind. Viele haben in Syrien ihre Familie verloren, konnten sich in ein Flüchtlingslager retten und nahmen dann eine Tortur auf sich, um auf altersschwachen und überfüllten Schiffen das Mittelmeer zu überqueren. Die deutschen Flüchtlingsheime vermitteln ihnen das Gefühl, auch hier nicht willkommen zu sein. Und dann hören sie vielleicht von Pegida, der Bewegung, die wegen der Migranten eine "Islamisierung des Abendlandes" befürchtet.

Was mag in den Menschen vorgehen, die vor Hunger und Krieg geflohen sind und gegen die nun demonstriert wird? Wie fühlen sich wohl die Gastarbeiter, die das Land mit aufgebaut haben, und nun als Sündenbock herhalten müssen? Haben die Pegida-Demonstranten zumindest einmal versucht, sich das vorzustellen?

Es geht nur vordergründig um Muslime

Wenn man sich auf den Demos in Dresden umhört, erzählen die Menschen von vermeintlichen Bedrohungen, dass Weihnachtsmärkte umbenannt werden oder Christen muslimische Lieder singen sollen. Abgesehen davon, dass beides Quatsch ist: Was sollte daran so bedrohlich sein, dass man deswegen Muslimen Angst einjagen muss?

Ein Leser von n-tv.de schreibt dazu, es treibe ihn "auf die Palme", dass Migranten bevorzugt würden und Kritik daran verboten sei. Er meint, "dass es gar nicht um die Muslime geht, nur vordergründig". Und auch das kann man unter den Pegida-Demonstranten immer wieder hören: Eigentlich geht es ihnen nicht um Islamisierung – von der gerade in Dresden ohnehin nicht die Rede sein kann –, sondern um die Politik und die Medien, die ihnen nicht mehr zuhören.

Breitbeinige Machohaftigkeit

Und doch zieht Pegida gegen Zuwanderer auf die Straße – gegen die, von denen viele geflüchtet sind, die in der Gesellschaft ohnehin benachteiligt werden, die schon wegen ihres Namens oft schlechter eine Arbeitsstelle finden. Und doch lässt Pegida die Rechtsradikalen mitmarschieren, die für Menschen mit anderer Hautfarbe nur Verachtung übrig haben.

Wenn die Pegida-Demonstranten wirklich etwas gegen Politik und Medien haben, dann sollten sie nicht nur "Lügenpresse" rufen und sich über Einzelfälle lustig machen. Dann sollten sie die Diskussion aufnehmen, sich in die Debatte mischen und ihre Ideen nennen, was man anders machen könnte.

Stattdessen werden sie auch heute wieder gegen Muslime demonstrieren und dann breitbeinig nach Hause laufen – stolz, es wieder jemandem gezeigt zu haben: nämlich den Schwächsten in der Gesellschaft.

Verfolgen Sie die heutigen Pegida-Demonstrationen im Liveticker.

Quelle: ntv.de

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