"Helmand steht vor dem Fall" Taliban rücken weiter vor
21.12.2015, 13:50 Uhr
Auf dem Rückzug: Afghanische Soldaten in Helmand.
(Foto: REUTERS)
Der Vizegouverneur der afghanischen Provinz Helmand ist alarmiert: Die Kämpfe eskalieren, sagt er und fordert dringend Verstärkung im Kampf gegen die Taliban an. In Bagram töten diese nach eigenen Angaben 19 US-Soldaten.
Die südafghanische Provinz Helmand steht laut einer Warnung des Vizegouverneurs kurz vor dem Fall an die Taliban. "Ich kann nicht länger schweigen. Helmand steht kurz vor dem Fall", schrieb Mohammed Dschan Rasuljar per Facebook an Präsident Aschraf Ghani. Die Zentralregierung versprach die rasche Entsendung von Verstärkung in den Bezirk Sangin, der seit Tagen heftig umkämpft ist.
In den vergangenen zwei Tagen seien 90 Soldaten bei Kämpfen mit der islamistischen Rebellenbewegung getötet worden, so Rasuljar. Der Vizegouverneur forderte sofortige Verstärkung aus der Hauptstadt Kabul. Ihm sei es nicht gelungen, den Präsidenten über andere Kanäle zu erreichen, beklagte Rasuljar. Er warf Ghani vor, die bedrohliche Lage in Helmand herunterzuspielen.
Rasuljar sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Taliban hätten am Sonntag im Bezirk Sangin das Polizeihauptquartier, das Büro des Bezirksgouverneurs und das Gebäude des Geheimdienstes erobert. "Die Kämpfe in dem Bezirk eskalieren", sagte Rasuljar. Die Zentralregierung versprach, rasch Verstärkung nach Sangin zu schicken, bestritt aber, dass der Bezirk an die Taliban zu fallen drohe.
Einwohner sagten, die belagerten Soldaten in Sangin würden um Nahrungsmittel bitten, während die Straßen in die Stadt vermint seien. Der Bezirk ist seit Jahren eine Hochburg der Taliban und bekannt für den Opiumanbau. Laut Regierungsbeamten sind zwölf der 14 Bezirke von Helmand heftig umkämpft oder unter Kontrolle der Islamisten. Die Aufständischen überrannten kürzlich auch einen Vorort der Provinzhauptstadt Laschkar Gah.
US-Soldaten getötet
Unterdessen kamen bei einem Anschlag nahe der US-Militärbasis Bagram mehrere Soldaten ums Leben. Die radikalislamischen Taliban teilten in einer Botschaft mit, sie hätten 19 Amerikaner getötet. Ein Sprecher der Nato-Mission Resolute Support bestätigte, dass ein Selbstmordattentäter mindestens sechs internationale Soldaten mit in den Tod gerissen habe. Drei weitere seien verletzt worden. Er wollte aber noch keine Einzelheiten zur Nationalität der Opfer bekanntgeben. Die US-Basis befindet sich in der Provinz Parwan, etwa 75 Kilometer nordöstlich von der Hauptstadt Kabul.
Der Leiter des Bezirks Bagram, Abdul Schakur Kundus, sagte, die Opfer seien amerikanischer Herkunft. Der Attentäter sei mit seinem Motorrad in eine afghanisch-amerikanische Fußpatrouille gefahren und habe einen Sprengsatz gezündet. Demnach seien auch drei afghanische Soldaten verwundet worden.
Die US-Armee entsandte in den vergangenen Wochen Spezialkräfte auch nach Helmand, um die afghanische Armee zu unterstützen. Ursprünglich sollten sich die internationalen Truppen im Laufe des kommenden Jahres ganz aus Afghanistan zurückziehen. Wegen der verschlechterten Sicherheitslage beschloss die Nato aber kürzlich, 2016 in praktisch unveränderter Stärke von etwa 12.000 Soldaten in Afghanistan zu bleiben.
Die Bundeswehr wird ihren Einsatz sogar mit verstärkter Truppenzahl fortsetzen. Der Bundestag stimmte am Donnerstag mit Vier-Fünftel-Mehrheit für ein neues Einsatzmandat, das die Obergrenze von 850 auf 980 Soldaten erhöht.
Quelle: ntv.de, ghö/hul/AFP/dpa