Atom-Einigung Teheran feiert, Merkel lobt, Netanjahu wütend
03.04.2015, 11:39 Uhr
Auf den Straßen Teherans feierten viele Iraner die Einigung in Lausanne.
(Foto: AP)
Waren die Atom-Verhandlungen ein Erfolg? US-Präsident Obama und die Kanzlerin äußern sich vorsichtig optimistisch. Das Problem ist: Die Einigung mit dem Iran setzt etwas voraus, was in den vergangenen Jahren abhandengekommen ist: Vertrauen.
Barack Obama fackelt nicht lange. Kaum verkünden die Unterhändler den Durchbruch bei den Atomverhandlungen mit dem Iran, schreitet der US-Präsident in den Rosengarten des Weißen Hauses. Die Erleichterung über die "historische Einigung" ist ihm anzusehen, dennoch gibt er sich demonstrativ vorsichtig. Es sei ein "guter Deal", den man da erreicht habe, dem Iran werde der Griff zur Atomwaffe untersagt, die Welt werde sicherer werden.
- Der Iran fährt seine Kapazitäten zur Urananreicherung zurück. Nur 6000 von 19.000 Zentrifugen zur Uranreicherung sollen weiterlaufen.
- 95 Prozent der Uranbestände, die für den Bau von Atomwaffen gebraucht werden könnten, sollen verdünnt oder ins Ausland geschafft werden.
- Die nuklearen Aktivitäten des Landes sollen für bis zu 25 Jahre von der Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) überwacht werden.
- Die Sanktionen werden schrittweise aufgehoben, können aber bei Regelverstößen jederzeit wieder hochgefahren werden.
- Ein bindendes Abkommen soll mit allen Details bis Ende Juni erreicht werden.
In dem seit zwölf Jahren schwelenden Konflikt gibt es einen Durchbruch. In Lausanne einigten sich die fünf Veto-Mächte, Deutschland und der Iran auf Eckpunkte für eine Beschränkung des iranischen Atomprogramms. Im Gegenzug wollten die USA und die EU die Sanktionen gegen sein Land nach einer abschließenden Einigung ruhen lassen, kündigte der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif an.
Obama weiß: Die Unsicherheit, ob der Iran tatsächlich bereit ist, den Wunsch nach Atomwaffen abzuschwören, bleibt. Offen stellt der US-Präsident die Frage, ob man dem Regime tatsächlich trauen könnte, ob Iran nicht wie so oft in der Vergangenheit zu Tricks und Täuschungen zurückkehren könnte. "Wenn der Iran betrügt, wird es die Welt erfahren", sagt Obama. Viel steht auf dem Spiel, längst ist die Deal nicht im Kasten, der Teufel steckt im Detail. Die Chance, dass das Ganze bei den Detailverhandlungen bis Juli doch noch den Bach runter geht, ist durchaus vorhanden. Es wäre "naiv" zu meinen, dass Teheran sei Nuklearprogramm aufgeben werde, sagt John Boehner, der starke Mann der Republikaner im Abgeordnetenhaus.
"Sieg der Vernunft"
In Israel sieht man die Atom-Einigung mit großer Skepsis. Die Existenz Israels sei dadurch in Gefahr, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach einem Telefonat mit Obama. Die Beschlüsse legitimierten das iranische Atomprogramm und würden zu mehr Aggression im Nahen Osten führen. Letztlich werde ein "schrecklicher Krieg" wahrscheinlicher. "Die militärische Option war immer auf dem Tisch", sagte der für Militärplanungen zuständige General Nimrod Sheffer der Zeitung "Hayom". Dies habe sich nicht geändert.
In Irans Hauptstadt Teheran gingen in der Nacht zum Freitag unterdessen hunderte Menschen auf die Straße und feierten die Einigung. Es gab Hupkonzerte und Menschen tanzten und sangen. Viele Iraner formten das Siegeszeichen oder schwenkten weiße Tücher und Fahnen. Für die Iraner ist besonders die Aufhebung der Sanktionen wichtig, die der Wirtschaft und damit den Bürgern schwer zu schaffen machen.
In Deutschland schwankt die Beurteilung des Atomdeals zwischen Optimismus und Zurückhaltung. Kanzlerin Angela Merkel lobte den "großen Verdienst aller Verhandlungspartner". Mit dem Rahmenabkommen "sind wir einer Vereinbarung, die dem Iran den Besitz von Atomwaffen unmöglich macht, so nah wie nie", erklärte sie. Zugleich stellten die Verhandlungspartner aber klar, dass die Sanktionen umgehend wieder in Kraft treten können, sollte der Iran gegen die Regeln verstoßen.
Der Linken-Abrüstungsexperte Jan van Aken nannte die Einigung einen echten "Sieg der Vernunft". Die Gefahr eines weiteren Krieges im Mittleren Osten sowie das Risiko eines nuklear bewaffneten Iran habe deutlich abgenommen. "Das ist gut und es ist ein Erfolg der Diplomatie." Dennoch warnte auch van Aken: "Man muss davon ausgehen, dass die Hardliner in Teheran und Washington auch weiterhin alles daran setzen werden, den Vertrag platzen zu lassen. Deshalb gilt es, Ruhe zu bewahren und im Zweifelsfall auch mal einseitig einen Schritt nach vorn zu machen, um das Abkommen nicht noch in letzter Minute zu gefährden."
Quelle: ntv.de, cro/dpa/AFP/rts