Recherchen zu "Reichsbürgern" Terror-Rädelsführer wollten "unser Reich" wieder erschaffen
25.01.2024, 01:16 Uhr Artikel anhören
Heinrich XIII. Prinz Reuß wurde im Dezember 2022 festgenommen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Mit der "Neuen Deutschen Armee" sollen sie den Umsturz geplant haben: Im Dezember 2022 werden mehrere mutmaßliche Mitglieder einer "Reichsbürger"-Terrorgruppe festgenommen. Einem Bericht zufolge hatten einige der Beschuldigten schon 2020 über einen Staatsstreich sinniert.
Drei frühere Bundeswehrsoldaten spielten in der mutmaßlichen "Reichsbürger"-Terrorgruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß eine zentrale Rolle. Nach Informationen von "Stern" und RTL sollen sie als Rädelsführer beziehungsweise Gründer nicht nur größeren Einfluss auf die gesamte Gruppierung und ihre Pläne genommen haben als bisher öffentlich bekannt, sondern auch deutlich früher.
Der Generalbundesanwalt hatte im Dezember vergangenen Jahres 27 Mitglieder der Gruppe um Prinz Reuß wegen Bildung, Mitgliedschaft beziehungsweise Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt, die einen Sturz der Bundesregierung vorbereitet haben soll. Allerdings stieß Prinz Reuß demnach erst Monate nach der Gründung zu der Gruppe, er gehört laut Anklage nicht zu den sechs mutmaßlichen Gründern.
Nach Recherchen von "Stern" und RTL gingen zudem zentrale Initiativen von drei Veteranen aus: dem früheren Kommandeur des Fallschirmjägerbataillons 251, Rüdiger von Pescatore, dem ehemaligen Oberst Maximilian Eder und dem einstigen Fallschirmjäger der Bundeswehreliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK), Peter Wörner. Pescatore ist als Rädelsführer angeklagt. Eder und Wörner als Gründer, sie sollen zudem maßgebliche Kräfte hinter Attentatsplänen auf den Bundestag gewesen sein.
Regionale Heimatschutzkompanien gebildet
Zudem sollen Pescatore und Wörner mit Plänen für eine sogenannte "Neue Deutsche Armee" deutlich früher begonnen haben und damit weiter gekommen sein als bisher öffentlich bekannt. Der Generalbundesanwalt datiert die Gründung der mutmaßlichen Terrorgruppe auf den 29. Juli 2021. Ein Mailwechsel belegt "Stern" und RTL zufolge, dass Rüdiger von Pescatore und Peter Wörner schon im Oktober 2020 davon sprachen, "unser Reich" wieder zu erschaffen, "wieder einen wahren Staat mit einer richtigen Armee".
Spätestens im Sommer 2022 sollen sie begonnen haben, ein eigenes Militär aufzubauen. Demnach sollen sie für die geplante "Neue Deutsche Armee" einen "militärischen Führungsstab" mit - ausweislich einer internen Kontaktliste - rund 20 Mitgliedern aufgebaut haben. Zudem sollen sie mit der Bildung einiger der 286 vorgesehenen regionalen Heimatschutzkompanien weit gekommen sein. Die Bundesanwaltschaft zähle allein in zwei Verbänden in Baden-Württemberg und Thüringen insgesamt mehrere Dutzend feste Mitglieder.
Keiner der drei Anklagten wollte sich zu den Vorwürfen des Generalbundesanwalts (GBA) und den Recherchen von "Stern" und RTL äußern. Ihre Anwälte ließen Anfragen unbeantwortet. Auch eine GBA-Sprecherin wollte sich mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht äußern.
Verdeckte Ermittler eingesetzt
Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte laut dem Bericht in der Endphase der Ermittlungen gegen das "Reichsbürger"-Netzwerk mindestens drei Polizeibeamte als verdeckte Ermittler eingesetzt. Das belegen Dokumente und Einsatzberichte, die der "Stern" und RTL einsehen konnten. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe genehmigte den Einsatz am 2. November 2022, rund einen Monat vor der bundesweiten Razzia gegen die Gruppe. Laut dem Beschluss des Gerichts durfte das BKA demnach verdeckte Ermittler auf insgesamt neun Beschuldigte ansetzen. Sie alle - außer Prinz Reuß - zählen laut Bundesanwaltschaft zum "militärischen Arm" der mutmaßlichen Terrorvereinigung.
Der BGH begründete seinen Beschluss damit, dass die verdeckten Ermittler erforderlich seien, um Einblicke in "Meinungsbildungsprozesse" und "die konkrete Planung" der Gruppe zu erlangen. "Unausweichlich" sei er darüber hinaus, um über die angeblich laufende Beschaffung von Waffen und Munition Informationen sammeln zu können. Das BKA und die ermittelnde Bundesanwaltschaft wollten den Einsatz auf Anfrage nicht kommentieren.
Nach Recherchen des "Stern" und RTL näherten sich die verdeckten Ermittler dem früheren Fallschirmjäger Wörner. Unter anderem unternahm einer der verdeckten Ermittler mit Wörner am 23. November 2022 eine sechsstündige Wanderung im Fichtelgebirge. "Stern"-Recherchen zufolge ist die Begegnung durch eine Tonaufzeichnung dokumentiert. Wörner soll dabei versucht haben, den Polizisten für die künftige "Neue Deutsche Armee" anzuwerben, und Details über militärische Abläufe beim geplanten Umsturz preisgegeben haben: den künftigen Kommandeur, Lagerorte von Waffen und Wörners Vorgehen bei Polizeirazzien.
OLG Stuttgart mit zusätzlichem Staatsschutzsenat
Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat unterdessen auch wegen einer steigenden Anzahl an "Reichsbürger"-Verfahren einen zusätzlichen Staatsschutzsenat bekommen. Das Gericht bestätigte entsprechende Recherchen von "Stern" und RTL. Mit fünf Richterstellen und einem neuen Senat könne "auch im Hinblick auf zuletzt zunehmende Verfahren mit Bezügen zur Reichsbürgerszene ein zusätzlicher Staatsschutzsenat eingerichtet werden", teilte eine Justizsprecherin mit.
Das OLG ist eines von drei für die mutmaßliche Terrorgruppe um Prinz Reuß zuständigen Gerichten. Zudem hat das OLG zuletzt in mehreren "Reichsbürger"-Fällen Urteile gesprochen, die bundesweit Schlagzeilen machten. Die neuen Stellen sind Teil des Doppelhaushaltes 2023/2024 des Landes Baden-Württemberg. Nach Gerichtsangaben wurde der neue Senat schon gebildet. Die Anklage des Generalbundesanwalts gegen die Gruppe um Prinz Reuß ist die erste erstinstanzliche Haftsache, mit der er sich beschäftigt.
Die Bundesanwaltschaft hatte am 11. Dezember 2023 vor dem Staatsschutzsenat des OLG Stuttgart Anklage gegen neun Personen erhoben, unter anderem wegen Verdachts auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie in einem Fall auf versuchten Mord.
Quelle: ntv.de, fzö