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Hinarbeiten auf den "Tag X" Was planten die angeklagten "Reichsbürger"?

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Prinz Reuß sollte nach dem Umsturz provisorisches Staatsoberhaupt werden.

Prinz Reuß sollte nach dem Umsturz provisorisches Staatsoberhaupt werden.

(Foto: picture alliance/dpa)

Sie sollen den gewaltsamen Sturz der deutschen Demokratie geplant haben - nun hat die Bundesanwaltschaft erste Anklagen gegen mutmaßliche Mitglieder des "Reichsbürger"-Netzwerks um Heinrich XIII. Prinz Reuß erhoben. Den Vorwürfen zufolge verloren sie sich in Verschwörungsmythen und nahmen für ihr Ziel sogar mögliche Tote in Kauf. Fragen und Antworten:

Was wird den Angeschuldigten vorgeworfen?

Die Ende Juli 2021 gegründete Organisation soll laut Bundesanwaltschaft das Ziel gehabt haben, die staatliche Ordnung in Deutschland zu überwinden und durch eine von ihr grob erarbeitete eigene Staatsform mit Reuß als provisorischem Oberhaupt zu ersetzen.

Dabei sollen die mutmaßlichen Mitglieder vor Gewalt nicht zurückgeschreckt sein. So soll das Netzwerk geplant haben, Bewaffnete in den Bundestag zu schicken, um Politikerinnen und Politiker festnehmen zu lassen. Laut Bundesanwaltschaft war ihnen bewusst, dass es bei der geplanten Machtübernahme Tote geben würde.

Die Bundesanwaltschaft erhob Anklage gegen insgesamt 27 Menschen. Den meisten von ihnen wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen, teilweise auch die Gründung. Zudem wurden sie wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens angeklagt.

Reuß und der frühere Bundeswehroffizier Rüdiger von P. gelten als Rädelsführer. Einigen Angeschuldigten wirft die Bundesanwaltschaft außerdem Waffendelikte oder die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor.

Ein Mann, Markus L., wurde zusätzlich wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Er soll bei der Durchsuchung seiner Wohnung in Reutlingen gezielt auf Polizisten geschossen haben. Die Russin Vitalia B.- die einzige Nichtdeutsche unter den Beschuldigten - soll Reuß einen Kontakt zum russischen Generalkonsulat in Leipzig vermittelt haben. Ihr werden Unterstützung und Beihilfe vorgeworfen.

Welche Ideologie hat die Gruppe?

Die Angeschuldigten sollen Verschwörungsmythen der "Reichsbürger"- und der QAnon-Bewegung glauben und die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen. Den Vorwürfen zufolge sind sie davon überzeugt, dass Deutschland im Geheimen von einem sogenannten Deep State regiert wird.

Offenbar erwarteten sie an einem "Tag X" den Angriff auf die obersten Institutionen Deutschlands durch einen Geheimbund, der aus ausländischen Regierungen, Streitkräften und Geheimdiensten bestehen solle. Ihre eigene Organisation habe dann Institutionen und Amtsträger auf den Ebenen von Bundesländern, Kreisen und Kommunen beseitigen sollen.

Wie war das Netzwerk aufgebaut?

Es soll ein zentrales Gremium, den sogenannten Rat, gehabt haben. Dieser setzte sich laut Bundesanwaltschaft aus verschiedenen Ressorts zusammen, ähnlich wie ein Regierungskabinett. Die Gruppe soll den Rat als Übergangsregierung vorgesehen haben. Zudem soll es einen militärischen Arm gegeben haben, der die geplante Machtübernahme mit Waffengewalt habe durchsetzen sollen.

Was waren die mutmaßlichen Pläne für die Zeit nach dem Umsturz?

Den Vorwürfen zufolge sollte der Rat die neue staatliche Ordnung in Deutschland mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs verhandeln. Zentraler Ansprechpartner sei aus Sicht der Gruppe aber nur Russland gewesen.

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Wie weit waren die Vorbereitungen?

Laut Bundesanwaltschaft war ein deutschlandweites System von 286 sogenannten Heimatschutzkompanien, militärisch organisierten Verbänden, im Aufbau. Auf mehreren Rekrutierungsveranstaltungen soll versucht worden sein, aktive oder ehemalige Angehörige von Polizei oder Bundeswehr für die Gruppe anzuwerben. Es seien auch sogenannte Feindeslisten erstellt worden.

Mitglieder der Gruppe hätten Liegenschaften des Bundestags erkundet, die frühere Abgeordnete Malsack-Winkemann habe Informationen über den Parlamentsbetrieb geliefert. Die mutmaßlichen Rädelsführer Reuß und von P. sollen versucht haben, in der Slowakei Repräsentanten Russlands zu treffen. Reuß sei auch im Generalkonsulat in Leipzig vorstellig geworden. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft ist bislang unklar, wie Russland reagierte.

Das Netzwerk soll etwa eine halbe Million Euro zur Verfügung und Zugriff auf ein "massives Waffenarsenal" aus etwa 380 Schusswaffen, fast 350 Hieb- und Stichwaffen sowie fast 500 weiteren Waffen gehabt haben. Es sollen Schießtrainings stattgefunden haben.

Wie geht es nun weiter?

Über die Anklagen entscheiden die Oberlandesgerichte in Frankfurt am Main, Stuttgart und München. Die Gerichte in Frankfurt und München kündigten bereits an, dass es üblicherweise einige Monate dauert, bis entschieden ist, ob das sogenannte Hauptverfahren eröffnet wird.

Quelle: ntv.de, als/AFP

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