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Weidel bei Miosga "Unser Land liegt am Boden"

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Viele Unternehmer lehnen die AfD wegen ihrer wirtschaftspolitischen Vorschläge ab.

Viele Unternehmer lehnen die AfD wegen ihrer wirtschaftspolitischen Vorschläge ab.

(Foto: ARD/Thomas Ernst)

Die AfD liegt stabil in allen Umfragen auf dem zweiten Platz. Kanzlerkandidatin Weidel denkt bei Caren Miosga daher bereits über eine Koalition mit der Union nach. Bei Fragen zur AfD-Wirtschaftspolitik kommt die Rechtsaußen-Politikerin allerdings ins Straucheln.

Seit einigen Wochen ist Alice Weidel Kanzlerkandidatin der AfD. Aber Kanzlerin wird sie nicht. Die AfD liegt bei allen Umfragen zurzeit klar auf dem zweiten Platz, hinter der Union. Und mit der AfD will niemand eine Koalition eingehen. Auch die Union nicht. Allerdings haben die Konservativen in dieser Woche für einen Entschließungsantrag und ein Gesetz zur Migrationspolitik im Bundestag die Stimmen der AfD in Kauf genommen.

"Uns geht es nicht um Parteien, uns geht es um dieses Land", behauptet Alice Weidel. Zu dem Entschließungsantrag vom vergangenen Mittwoch, der erstmals mit einer Mehrheit von Union und AfD verabschiedet wurde, fügt sie hinzu: "Wir haben einem Antrag zugestimmt, der aus unserer Sicht in die richtige Richtung weist." Die Union habe die Forderungen übernommen, die die AfD sieben Jahre lang im Bundestag gestellt habe. Weidel: "Sobald die Politik für unser Land in die richtige Richtung weist, kann man sich auf uns verlassen."

Die AfD stehe für einen Richtungswechsel in der Migrationspolitik, sagt Weidel. "Wir wollen gesicherte Grenzen haben und wir wollen, dass Illegale an unseren Grenzen zurückgewiesen werden. Wir wollen, dass dieser Kontrollverlust endlich aufhört, und die Menschen in unserem Land wollen das auch." Weidel und die AfD sprechen stets von "illegaler Migration" und nennen Migranten, die nach Deutschland einreisen, um einen Schutzantrag zu stellen "Illegale". Während letzter Begriff verkennt, dass Menschen selbstverständlich nicht illegal sind, ist auch der Begriff "illegale Migration" irreführend, da Migration an sich gegen kein Gesetz verstößt, also nicht illegal ist.

Weidel sagt weiter: "Wir wollen sehr stark werden, damit wir gestalterisch eingreifen können." Union und AfD könnten nach ihrer Einschätzung eine Mehrheit von 60 Prozent nach den Wahlen erreichen. "Damit kann man schon sehr viel machen."

Dabei hat die AfD die Union im Wahlkampf zu ihrem Hauptgegner erklärt. Und obwohl auch Alice Weidel beim letzten AfD-Parteitag kein gutes Haar an der Union gelassen hat, sagt sie am Sonntagabend bei Miosga: "Ich möchte einfach, dass Politik für unser Land gemacht wird. Unser Land liegt am Boden - wirtschaftspolitisch, steuerpolitisch, finanzpolitisch, energiepolitisch und migrationspolitisch. Die Menschen wollen einen Kurswechsel. Was hier drei Jahre lang gemacht wurde von der Ampel, ist eine Politik gegen den Willen der Bevölkerung. Mit Rot-Grün wird das nicht zu machen sein." Also wenn, dann offenbar nur mit der Union.

Die wird jedoch über eine Bemerkung am Rande nicht froh sein. In einer kurzen Diskussion über die NS-Vergangenheit Deutschlands, bei der Weidel nicht immer weiß, was sie sagen soll, fällt zumindest eine interessante Bemerkung. Weidel definiert den Begriff Extremismus: "Wenn völlig rechtswidrig gegen das Grundgesetz, Asylgesetz, internationales Recht die Grenzen geöffnet werden und offen gehalten werden. Für mich ist extremistisch, wenn eine Regierung von Deutschland gegen Recht und Gesetz verstößt." Damit meint sie offenbar CDU und SPD, die allerdings weder gegen Gesetze verstoßen noch die Grenzen für Geflüchtete geöffnet haben. Vielmehr sind die Grenzen seit 1995 offen - und zwar mit dem Schengener Übereinkommen als rechtliche Grundlage.

Die AfD-Wirtschaftspolitik

Viele Unternehmer lehnen die AfD wegen ihrer wirtschaftspolitischen Vorschläge ab. Sie haben Angst vor einer dramatischen Abwanderung von Unternehmen. Die von der AfD geforderte Wiedereinführung der Kernenergie finden viele Wirtschaftsbosse falsch, die Veränderung der EU zu einem "Staatenbund souveräner Nationen mit klaren Grenzen" ebenso. Das wird besonders klar, nachdem "Welt"-Journalist Robin Alexander und Hildegard Müller die Talkrunde erweitern. Müller ist Präsidentin des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie. Früher gehörte die Lobbyistin der CDU an.

"Wir halten insbesondere die europapolitischen Vorschläge der AfD für grundfalsch. Wir brauchen mehr Europa und nicht weniger Europa", sagt Müller. Zwar spricht sie sich für weniger Bürokratie und weniger Regulierung in Europa aus. "Aber Deutschland alleine wäre angesichts der globalen Herausforderungen, die wir haben, viel zu schwach. Und deshalb müssen wir alles tun, um Europa zu stärken."

Früher forderte die AfD einen Austritt Deutschlands aus der EU. Das hat sich geändert. "Wir sind grundsätzlich für einen Kompetenzrückbau der Europäischen Union", erklärt Weidel. Die EU sei mit ihrem bürokratischen Überbau zu übergriffig in die Industrie und in die Parlamente. Die AfD lehne zum Beispiel ein Verbrennerverbot ab und ist gegen Subventionierung von E-Autos. Auch das Gebäudeenergiegesetz, das auf EU-Vorgaben zurückgehe, sei übergriffig. "Wir müssen aufhören mit der Verbotspolitik", sagt Weidel.

Robin Alexander sieht in dem Vorschlag der AfD ein Problem: "Man kann über Regulierung streiten", sagt der Journalist. "Nur wenn wir das in Europa kaputtmachen, wäre ja nicht die Regulierung weg, sondern wir hätten wieder 27 Regulierungen."

Dazu scheint Weidel nichts einzufallen: "Ich plädiere für einen europäischen Binnenmarkt mit Kompetenzen für die Europäische Union dort, wo sie Sinn machen, beispielsweise in der gemeinsamen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik", sagt sie. Sie schlägt einen europäischen Wirtschaftsraum vor, ähnlich der EWG von früher.

Die AfD wolle jedoch auch die D-Mark wiedereinführen, kritisiert Müller. 57 Prozent der Exporte allein der Autoindustrie gingen in europäische Länder. Die deutsche Wirtschaft hätte einen schweren Schaden zu befürchten, wenn das Programm der AfD umgesetzt würde. Auch wenn die Forderung nach Bürokratieabbau innerhalb der EU richtig sei, gehe es um das Gesamtbild. "Und in diesem Gesamtbild sind ihre Forderungen nicht stimmig." Bürokratieabbau sei zudem keine Alleinforderung der AfD.

Vor einem möglichen Handelskrieg mit den USA hat Weidel keine Angst. Sie nennt ein Beispiel: "Die deutschen Autobauer sind alle bereits in den USA, sie haben zwischen 25.000 und 30.000 Arbeitsplätze schon vor Ort" - in Wahrheit sind es 140.000, belehrt Hildegard Müller die AfD-Kanzlerkandidatin - "und sie sind rechtzeitig dorthin gegangen, weil die Energiekosten in Deutschland viel zu hoch sind." Das liege an der "Grünen Transformationspolitik, die niemand mehr haben will." Richtig sei: Die Automobilindustrie produziere in den USA. Aber auch in Deutschland gebe es 800.000 Arbeitsplätze, von denen 70 Prozent am Export hingen, sagt Müller. "Wir brauchen nach wie vor ein starkes Deutschland in einem selbstbewussten Europa. Wir werden geopolitisch alleine als Deutschland nicht mithalten können. Wir brauchen mehr Europa, wir brauchen eine gemeinsame Energiepolitik." Das Programm der AfD könne die wirtschaftliche Situation Deutschlands nicht verbessern.

Auch mit einem weiteren Vorschlag ist Müller nicht einverstanden: Die AfD will alle Subventionen streichen, auch jene für erneuerbare Energie. Windkraftwerke, die Weidel gerne als "Windmühlen" bezeichnet, sollen weg. Dafür sei sie für eine Wiedereinführung der Kernenergie, betont Weidel.

Hildegard Müller stellt klar: "Die Baukosten für Solar und Wind sind absolut wettbewerbsfähig." Windräder abzureißen wäre eine Vernichtung von Kapital und völlig unsinnig. Auch der Bau von neuen Kernkraftwerken müsste subventioniert werden - mit dreistelligen Milliardenbeträgen. "Es hilft nicht, das Pendel immer in die eine oder andere Richtung zu drehen." Die Wirtschaft sei auf einem guten Weg in Richtung klimaneutrale Mobilität der Zukunft. Angesichts des Klimawandels sei das eine wichtige generative Aufgabe.

"Das Ruder jetzt völlig rumzuwerfen ist ein Schritt in die falsche Richtung", sagt Müller. Das würde am Ende dazu führen, dass die Autoindustrie eine alte Industrie werde. "Wir wollen vorne dabei sein. Wir investieren 320 Milliarden Euro in die Transformation zur digitalen und klimaneutralen Mobilität. Das muss vernünftig gemacht werden. Und es geht jetzt um eine Wirtschaftspolitik, die wieder vernünftig wirtschaftliche Zusammenhänge mit ökologischen Zusammenhängen zusammenbringt."

Eine Vergünstigung von Energiekosten will die AfD jedoch nicht nur durch Subventionsstreichungen erreichen. Sie will auch wieder Öl und Gas aus Russland importieren. Und militärisch? Da spricht sie sich gegen Taurus-Lieferungen an die Ukraine aus, so wie alle Waffenlieferungen an die Ukraine falsch seien. Die Bundeswehr aber will sie stärken. Auf Alexanders Einwurf, dass US-Präsident Trump Gasimporte aus Russland durch Deutschland scharf ablehne, sie also nicht gute Beziehungen zu Trump und billiges Putin-Gas haben könne, endet die Sendung. Weidel ist beleidigt, dass sie nichts mehr entgegnen kann. Aber sie hat die gesamte Sendung über deutlich gemacht, dass sie die Rahmenbedingungen aus Kritik und Widerspruch ohnehin für unfair hält.

Quelle: ntv.de

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