
Yanis Varoufakis sagt, das Video mit dem Stinkefinger sei eine Fälschung.
(Foto: AP)
Griechenland geht das Geld aus. Die Regierungen in Athen und Berlin sind auf Konfrontationskurs. Und worum dreht es sich bei "Günther Jauch"? Um die Frage, ob Yanis Varoufakis den Deutschen den Finger gezeigt hat.
Hinterher ist man immer schlauer. Yanis Varoufakis hat mittlerweile eingesehen, dass die Foto-Session für die Illustrierte "Paris Match" keine gute Idee war. Dass er auf die Teilnahme an Günther Jauchs Talkshow ebenfalls besser verzichtet hätte, dürfte dem griechischen Finanzminister schon während der Sendung bewusst gewesen sein. Das lag allerdings nicht an ihm.
Denn in Erinnerung bleiben wird sein Mittelfinger. Genauer gesagt wird nun vor allem darüber gesprochen, ob er Deutschland den Finger gezeigt hat oder nicht. Das legt zumindest ein Video (ab Minute 1:46) nahe, das die Redaktion einspielte. Jauch fragte danach: "Der Stinkefinger für Deutschland, Herr Minister. Die Deutschen zahlen am meisten und werden dafür mit Abstand am meisten kritisiert. Wie passt das zusammen?"
In welchem Zusammenhang das Video entstand, wurde nicht erläutert. Es handelt sich um einen Auftritt in Zagreb im Jahre 2013, also lange bevor der Ökonom Varaoufakis griechischer Finanzminister wurde. Damals meinte er, Griechenland hätte im Mai 2010 die Staatspleite in Kauf nehmen und die Schulden nicht zurückzahlen können, so wie Argentinien es vorgemacht habe. Damit hätte man Deutschland "den Finger gezeigt", so Varoufakis mit entsprechender Geste.
Na und, könnte man einwenden. Ist das ein Problem? In der Sendung jedenfalls schon. Dort wurde ein aktueller Bezug zum Auftritt hergestellt und nahegelegt. Varoufakis würde als amtierender Finanzminister sprechen. Fair war das nicht. Varoufakis behauptete, das Video sei fingiert. Und so wird nach der Sendung vor allem diskutiert: Hat der Minister damit gelogen oder die Wahrheit gesagt? Als ob es nichts Wichtigeres gibt.
Dabei hat sich Varoufakis in der Sendung redlich bemüht, beim deutschen Zuschauer Sympathiepunkte zu sammeln. Die Voraussetzungen dafür waren günstig. Der aus Athen zugeschaltete Minister hatte mehr Redezeit als die anderen Gäste zusammen – was wirklich nicht schade war.
"Insignifikantes, kleines Liquiditätsproblem"
Bayerns Finanzminister Markus Söder ritt wie gewohnt auf der Populismus-Welle. Er wollte nichts Substantielles beitragen und beschränkte sich auf Floskeln wie die Forderung, die griechische Regierung müsse "ihre Hausaufgaben machen". "Bild"-Kolumnist Ernst Elitz fand so gut wie gar nicht statt. Das ließ sich verschmerzen. "Taz"-Wirtschaftskorrespondentin Ulrike Herrmann sprang Varoufakis unaufgeregt und sachlich zur Seite. Nur hatte man nie den Eindruck, ihr würde jemand zuhören.
Dass Varoufakis Charmeoffensive nicht zündete, lag also wahrlich nicht an den Gästen. Es lag daran, dass er im Prinzip nichts Konkretes sagte. Er sprach stattdessen lieber vom gemeinsamen "Haus Europa" oder der Verantwortung zweier "stolzer Nationen" für das europäische Projekt. Außer wohlfeilen Formulierungen kam – nichts. Auf die Frage, wie lange das Geld noch reicht, antwortete Varoufakis mit einem ausführlichen Bekenntnis zu Europa, bevor er nebenbei erwähnte, sein Land habe "ein insignifikantes, kleines Liquiditätsproblem".
Das war dann doch gewaltig untertrieben, passte aber zu seiner Botschaft: Wollen wir angesichts der gewaltigen Chancen und dem lösbaren Problem namens Griechenland tatsächlich Europa scheitern lassen?
Es wäre interessant gewesen, hätte die Runde beispielsweise über diese Frage diskutiert. Doch sie tat es nicht. Jauch ging es vor allem um deutsche Befindlichkeiten, Varoufakis ging es darum, sich als glühenden Europäer zu präsentieren.
Wer der Runde zuhörte, vergaß leicht, dass Griechenland vor der Pleite steht und die Eurozone in gewaltigen Schwierigkeiten steckt. Stattdessen ist nun der Mittelfinger des griechischen Finanzministers ein Thema. Das ist angesichts der wirklichen Probleme Europas eine gewaltige Leistung.
Quelle: ntv.de