Politik

Sterbehilfe spaltet die Politik Vier Streitvorlagen - von streng bis liberal

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(Foto: imago stock&people)

Sollte jeder selbst über seinen Tod entscheiden können? Oder sollte das Leben unter allen Umständen bewahrt werden? Darüber muss der Bundestag am Freitag entscheiden. Diese vier Gesetzesentwürfe stehen zur Abstimmung.

Alter, Krankheit, Tod: Wie soll unsere Gesellschaft damit umgehen? Darf man einem sterbewilligen Menschen dabei helfen, sich umzubringen? Mit dieser sensiblen Frage beschäftigt sich der Bundestag an diesem Freitag. Dann wollen die Abgeordneten über eine Neuregelung der Sterbehilfe entscheiden. Vier Gesetzesentwürfe liegen vor.

Einen Fraktionszwang gibt es bei diesem Thema nicht. Jeder Abgeordnete soll nur seinem Gewissen folgen, so dass sich die Gruppen teilweise aus Mitgliedern jeder Fraktion zusammensetzen. Ein Überblick über die vier Entwürfe:

Die radikalste Regelung

Die strengste Regelung findet sich im Antrag der CDU-Politiker Patrick Sensburg und Thomas Dörflinger. Darin heißt es: "Wer einen anderen dazu anstiftet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft." Ausnahmeregelungen für nahe Angehörige oder Mediziner? Gibt es nicht. Dies würde "im wörtlichen Sinn den Giftschrank öffnen" und der oft beklagte "Sterbehilfe-Tourismus" würde sich dann Deutschland mit seinen vielen Ärzten als Ziel wählen.

Man wolle, schreiben die CDU-Politiker, "eine Begleitung in den Tod fördern und nicht eine Beförderung in den Tod". Ihr zentrales Anliegen ist, zu verhindern, dass Menschen sich gedrängt fühlen könnten, sich für den Tod zu entscheiden, um Angehörigen und der Gesellschaft nicht zur Last zu fallen. Dieser Druck könnte wachsen, je normaler die Beihilfe zum Suizid werde, fürchten sie.

Keine organisierte Sterbehilfe

Deutlich weniger alarmistisch sind die Vorstellungen einer Gruppe von zehn Parlamentariern aller Fraktionen um Michael Brand (CDU), Kerstin Friese (SPD), Harald Terpe, (Grüne) und Kathrin Vogler (Linke). Ihnen geht es darum, alle Formen von organisierter und wiederholter Hilfe bei der Selbsttötung, die sogenannte geschäftsmäßige Suizidbeihilfe, zu verbieten. Derartigen "Helfern" sollen nach den Vorstellungen der Antragsteller künftig bis zu drei Jahre Gefängnis drohen.

Nicht bestraft werden sollen aber Freunde oder Angehörige eines Sterbewilligen, wenn sie diesen dabei unterstützen, ein solches organisiertes Angebot anzunehmen, zum Beispiel, indem sie ihn zum Sterben ins Ausland begleiten. Grundsätzlich könnte auch weiterhin jeder wie bisher Suizidbeihilfe leisten. Vorausgesetzt, er tut es nicht organisiert und wiederholt.

Die Initiatoren sehen ihren Entwurf als Mittelweg zwischen einem Totalverbot und einer weiteren Liberalisierung und kommen Forderungen von Ärzten, Palliativmedizinern, Patienten- und Sozialverbänden am nächsten. Mit über 200 Abgeordneten hat dieser Entwurf die meiste Zustimmung. Nach Angaben der Initiatoren wird er von Kanzlerin Angela Merkel, Gesundheitsminister Hermann Gröhe und Unionsfraktionschef Volker Kauder mitgetragen.

Für Sterbehilfe-Vereine ohne Gewinnabsicht

Eine dritte Gruppe um Renate Künast (Grüne), Kai Gehring und Petra Sitte (beide Linke) will dagegen ausdrücklich gesetzlich festschreiben, dass die Beihilfe zum Suizid nicht strafbar ist. Diese Abgeordneten sind zwar auch gegen kommerziell betriebene Sterbehilfe, wollen aber Sterbehilfe-Vereine ohne Gewinnabsicht erlauben. Dafür setzen sie klare Bedingungen. So seien Organisationen und Ärzte, die Mitgliedern oder Patienten bei der Selbsttötung helfen wollen, zu Beratungsgesprächen und einer Dokumentation der Fälle zu verpflichten.

Mindestens zwei Wochen vor der Hilfe bei der Selbsttötung sei ein umfassendes und ergebnisoffenes Beratungsgespräch zu führen, in dem auch über Alternativen aufgeklärt werden müsse. Suizidbeihilfe dürfe nur geleistet werden, wenn die Sterbewilligen freiverantwortlich handelten, volljährig und nicht psychisch krank seien. Zur Suizidbeihilfe verpflichtet werden dürfe auch künftig kein Mediziner. Und alle vier Jahre müssten die Erfahrungen mit den Regelungen überprüft werden. Laut Künast hat jeder Mensch das Recht, selbstbestimmt über sein Lebensende zu entscheiden. Der Staat dürfe sich da nicht einmischen. Sie betont auch, dass dieser Entwurf dem Wunsch der Bürger am nächsten kommt. Umfragen scheinen ihr recht zu geben.

Ärztlich assistierter Suizid

Die Vertreter um Karl Lauterbach (SPD) und Peter Hintze (CDU) nehmen für sich in Anspruch, als einzige Gruppe eine Liberalisierung der Suizidbeihilfe zu wollen. Es ist der einzige Gesetzesentwurf, der ohne strafrechtliche Auflagen auskommt. Wer schwer krank ist und sein Leben aus freiem Willen selbst beenden möchte, soll nicht alleingelassen werden. Im Bürgerlichen Gesetzbuch soll festgeschrieben werden, dass unheilbar Kranke zur "Abwendung eines krankheitsbedingten Leidens" ärztliche Hilfe bei der "selbst vollzogenen Beendigung ihres Lebens" erhalten dürfen.

Wert legen die Politiker allerdings auf zwei Punkte. Die Hilfe des Arztes muss "freiwillig" sein und die Sterbehilfe darf nur erfolgen, "wenn der Patient dies ernsthaft und endgültig wünscht". Zudem muss eine ärztliche Beratung des Patienten über andere Behandlungsmöglichkeiten und über die Durchführung der Suizidassistenz stattgefunden haben, die Unumkehrbarkeit des Krankheitsverlaufs sowie die Wahrscheinlichkeit des Todes medizinisch festgestellt und ebenso wie der Patientenwunsch und die Einwilligungsfähigkeit des Patienten durch einen zweiten Arzt bestätigt worden sein.

Sterbehilfevereine würden nicht verboten, ganz gleich, ob sie für ihre Leistung Geld nehmen oder nicht. Die Autoren äußern lediglich die Hoffnung, dass organisierte Sterbehelfer überflüssig würden, wenn schwerstkranke Patienten wissen, dass auch ihr Arzt ihnen beim Sterben helfen darf. Realistisch ist diese Erwartung aber wohl nur bei Todkranken, allen anderen bliebe auch künftig nur, sich woanders, im Zweifelsfall bei organisierten Sterbehelfern, Unterstützung zu suchen.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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