SPD hat zwei Abweichler Warum stimmen Sie mit Nein, Herr Jurk?
17.07.2015, 11:51 UhrSPD-Haushaltsexperte Thomas Jurk ist einer von nur zwei Sozialdemokraten, die heute im Bundestag mit Nein stimmen. Die bisherigen Hilfspakete hätten ihr Ziel nicht erreicht, das jetzt geplante dritte Programm sei nur eine Fortsetzung dieser Politik, sagt er.
n-tv.de: Warum sind Sie gegen die Verhandlungen über ein drittes Kreditprogramm für Griechenland?

Thomas Jurk ist Haushaltsexperte der SPD im Bundestag. Von 2004 bis 2009 war er Wirtschaftsminister in Sachsen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Thomas Jurk: Ich glaube, dass man sich mit dem dritten Hilfspaket eigentlich nur Zeit kauft. Griechenland hat enorme finanzielle Schwierigkeiten. Bei der Abstimmung geht es ja nicht nur darum, der Bundesregierung ein Mandat für die Aufnahme von Verhandlungen zu geben, sondern dieses Mandat ist an klare Bedingungen geknüpft. Das orientiert sich vor allem an der Frage, wie Griechenland mit Geld versorgt wird und zu welchen Konditionen. Mir fehlen einfach die Impulse für Wachstum und Beschäftigung. Wir müssen ja auch zur Kenntnis nehmen, wie die bisherigen Pakete gewirkt haben. Von daher glaube ich, wäre ein Paradigmenwechsel angezeigt gewesen.
In welche Richtung hätte der gehen sollen?
Meiner Ansicht nach wäre eine stärkere Betonung der sozialen Komponente, der Wirtschaft und Infrastruktur richtig.
Was halten Sie von dem Grexit-Szenario, das Finanzminister Schäuble aufgebaut hat?
Davon halte ich nichts. Man sollte im Rahmen des bisherigen Konsenses weiterhin Solidarität mit Griechenland üben. Sicher hat die griechische Regierung Fehler gemacht – das ist völlig klar, und dadurch ist die Situation auch nicht besser geworden. Aber zu meinen, dass man mit einer Fixierung auf die Frage, wie Griechenland haushaltspolitisch auf die Beine kommt, greift zu kurz. Ich würde eher fragen, wie die griechische Volkswirtschaft stabilisiert beziehungsweise überhaupt erst aufgebaut werden kann. Ich glaube nicht, dass man mit einer Mehrwertsteuererhöhung – auch im Tourismus, wo sie völlig kontraproduktiv ist – oder mit weiteren Rentenkürzungen das Land voranbringt.
Wie waren die Reaktionen in Ihrer Fraktion gestern Abend, als Sie und Peer Steinbrück Ihr Nein angekündigt haben?
Sie werden verstehen, dass es da wenig Beifall gab. An der Sitzung hat nicht nur EU-Parlamentspräsident Martin Schulz teilgenommen, sondern auch Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem [der niederländischer Sozialdemokrat ist, Anm. d. Red.]. Entsprechend war die Atmosphäre. Andererseits bin ich 1989 in der ehemaligen DDR sehr bewusst in die SDP [die im Oktober 1989 gegründete sozialdemokratische Partei in der DDR] eingetreten, damit ich meine Meinung sagen kann. Und an der Stelle war es mir wichtig, deutlich zu machen, dass die bisherigen Hilfspakete nicht ihr Ziel erreicht haben und das jetzt geplante Hilfspaket nur eine Fortsetzung ist. Auch wenn ich anerkenne, dass einzelne richtige Schritte darin enthalten sind, ist die Richtung generell doch dieselbe geblieben.
Berichten zufolge herrschte in der gestrigen Sitzung der SPD-Fraktion eine eisige Stimmung. Die Unionsfraktion hatte bei ihrer Probeabstimmung 48 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen und geht damit sehr viel entspannter um. Wieso ist der Ärger bei Ihnen so groß über zwei Abweichler?
Da müssen Sie die fragen, die die Stimmung so empfunden haben. Ich fand sie nicht eisig, ich fand sie angemessen angesichts dieses schwierigen Themas.
Mit Thomas Jurk sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de