Politik

Alter, Arbeit, Bleibeperspektive Wer sind die syrischen Menschen in Deutschland?

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Am Wochenende feierten viele syrische Menschen auf deutschen Straßen den Sturz des Diktators Baschar al-Assad. Einige äußerten die Hoffnung, bald in ihre Heimat zurückkehren zu können, andere die Furcht vor weiterer Gewalt und Jahren der Ungewissheit. CDU-Politiker Jens Spahn schlug eine Rückreiseprämie vor. Doch wie viele Menschen aus Syrien leben überhaupt in Deutschland und wer sind sie?

Wie viele Syrer leben in Deutschland?

972.460 Menschen mit syrischem Pass lebten laut Statistischem Bundesamt Ende vergangenen Jahres in Deutschland. Ein großer Teil dieser Menschen ist vor knapp zehn Jahren gekommen: Ein gutes Drittel (337.030 Menschen) reiste zwischen 2014 und 2016 ein. Es gibt auch Syrer und Syrerinnen, die schon länger als zehn Jahre in Deutschland leben, sie machen aber nur drei Prozent aus.

Mehr als zwei Drittel der Syrerinnen und Syrer in Deutschland haben eine befristete Aufenthaltserlaubnis, bei immerhin rund acht Prozent ist diese Aufenthaltserlaubnis unbefristet. Besonders in den vergangenen Jahren wurden zudem viele Syrerinnen und Syrer eingebürgert. Sie tauchen deshalb in der Statistik an anderer Stelle auf.

Gut zehn Prozent warten noch auf einen Aufenthaltstitel, ein Prozent hat eine Duldung und knapp vier Prozent der Syrerinnen und Syrer in Deutschland können weder Aufenthaltstitel noch Duldung vorweisen, sind also in den meisten Fällen wohl ausreisepflichtig.

Wer sind diese Menschen?

Die meisten syrischen Menschen in Deutschland sind Männer, rund 60 Prozent. Knapp 40 Prozent sind Frauen. Die in Deutschland lebenden Syrerinnen und Syrer sind wesentlich jünger als die Allgemeinbevölkerung: Ihr Durchschnittsalter liegt laut Statistischem Bundesamt bei 26 Jahren; 37 Prozent sind minderjährig. Zum Vergleich: Das deutsche Durchschnittsalter liegt bei 45 Jahren.

Die Mehrheit der Syrerinnen und Syrer, die seit 2015 in Deutschland Asyl beantragt haben, sind arabisch (mehr als 60 Prozent). Der kurdischen Minderheit gehört etwa ein Drittel an. Über 90 Prozent der Syrerinnen und Syrer sind muslimischen Glaubens, weniger als 2 Prozent sind Christen und ein Prozent Jesiden. Das geht aus Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge hervor.

Wie Daten des Statistischen Bundesamts ergeben, hat fast die Hälfte derjenigen, die zwischen 2015 und 2017 aus Syrien nach Deutschland kamen, ein Gymnasium oder ein Hochschulstudium abgeschlossen. Bei den Geflüchteten, die in den Folgejahren einreisten, verfügte mehr als ein Drittel über einen solchen Bildungsabschluss. Damit sind syrische Geflüchtete im Verhältnis zu anderen Gruppen Asylsuchender gut qualifiziert.

Wie viele Syrer arbeiten (und wo)?

Laut Bundesagentur für Arbeit hatten im vergangenen Jahr 247.210 Syrerinnen und Syrer eine Arbeit. Davon waren gut 80 Prozent sozialversicherungspflichtig beschäftigt, 174.000 Männer und 30.700 Frauen. Hinzu kommen 42.500 weitere Menschen aus Syrien, die einen Minijob hatten. Die Syrerinnen und Syrer in Deutschland sind sehr jung, rund 236.000 Menschen besuchen derzeit eine Schule.

Als erwerbsfähig gelten alle Menschen zwischen 15 und 65 Jahren. In dieser Altersgruppe der syrischen Bevölkerung liegt die Beschäftigungsquote bei 39,8 Prozent. 2016 waren das noch 7 Prozent. Damit glich die Quote sich über die Jahre immer stärker der Beschäftigungsquote aller Menschen ohne deutschen Pass an, die derzeit bei 54,9 Prozent liegt. Für die deutsche Gesamtbevölkerung liegt die Beschäftigungsquote bei 67,8 Prozent.

Nach neuesten Daten der Arbeitsagentur arbeiten gut 80 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Syrer im Dienstleistungsbereich und 20 Prozent im produzierenden Gewerbe. Die größte Gruppe ist im Bereich Handel tätig (dazu zählen auch Kfz-Werkstätten). Das sind etwas mehr als 32.000, was einem Anteil von 15 Prozent entspricht. Gut 28.000 Syrer arbeiten im Gesundheits- und Sozialwesen, ebenso viele sind in der Logistikbranche tätig. Das entspricht einem Anteil von etwas mehr als 13 Prozent. Ein ähnlich großer Anteil arbeitet im verarbeitenden Gewerbe.

52 Prozent der männlichen und 59,3 Prozent der weiblichen Syrer bezogen Leistungen nach SGB 2. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des BSW bezogen Syrerinnen und Syrer zwischen September 2022 und August 2023 acht Prozent des gezahlten Bürgergelds - rund 3,3 Milliarden Euro. Das schließt Zahlungen an Kinder und sogenannte Aufstocker mit ein.

Wie viele Syrer wurden bereits eingebürgert?

161.000 syrische Staatsangehörige haben seit 2016 den deutschen Pass erhalten. Damit sind Syrerinnen und Syrer nicht nur die größte Gruppe unter den Asylantragstellern, sondern stellen seit 2021 auch die größte Gruppe unter den Neu-Eingebürgerten.

Wer eingebürgert werden möchte, muss den Einbürgerungstest bestehen, gut Deutsch sprechen, darf nicht vorbestraft sein und muss seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten können.

Was passiert, wenn Syrien als sicheres Herkunftsland eingestuft wird?

Wenn Syrien als sicheres Herkunftsland eingestuft würde, beträfe das vor allem die Gruppe syrischer Menschen, deren Aufenthalt in Deutschland von einem Schutzstatus abhängig ist, also Asylberechtigte und Geflüchtete nach der Genfer Konvention. Wenn die Behörden feststellen, dass es keinen Grund mehr für den Schutz gibt, zum Beispiel weil keine Gefahr im Herkunftsland mehr besteht, könnten die Betroffenen ihren Schutzstatus verlieren. Der Verlust des Aufenthaltsrechts heißt jedoch nicht, dass Ausreisepflichtige auch umgehend abgeschoben werden. Eine Abschiebung wird immer individuell geprüft

Syrerinnen und Syrer, die berufstätig sind oder in Deutschland studieren, die familiär stark integriert sind, dürften von Abschiebungen verschont bleiben, wenn ihr Aufenthaltstitel unabhängig vom Schutzstatus ist: Zum Beispiel, weil sie mit einem Studienvisum eingereist sind.

Sollten Geflüchtete aus Syrien in Deutschland ihren Aufenthaltstitel oder ihre Duldung verlieren, böte das deutsche Gesetz dennoch Möglichkeiten, hierzubleiben: Der sogenannte Spurwechsel beziehungsweise das Chancenaufenthaltsgesetz soll Geflüchteten mit einem Job ermöglichen, ein dauerhaftes Bleiberecht zu erwirken.

Erst einmal aber bleibt abzuwarten, wie sich die Lage in Syrien entwickelt. Das Bundesamt für Migration setzte am Vormittag die Bearbeitung der syrischen Asylanträge aus. Die Lage in dem Land sei unübersichtlich, deshalb könne man derzeit keine seriösen Einschätzungen vornehmen, teilte das Amt mit. Jede Entscheidung stünde "auf tönernen Füßen".

Quelle: ntv.de

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