Im Februar soll sie starten Wie Österreich die Impfpflicht stemmen will
12.01.2022, 10:58 Uhr
Von Februar an sind alle Österreicher ab 14 Jahren verpflichtet, sich gegen Corona impfen zu lassen.
(Foto: imago images/Kickner)
Deutschland traut sich nicht mal den Aufbau eines Impfregisters zu, Nachbar Österreich ist damit längst fertig und steht vor Problemen, die man hierzulande womöglich noch gar nicht im Blick hat.
"Der erste Schwall wird gewaltig sein", sagt Peter Bußjäger und meint damit nicht Corona-Neuinfektionen, sondern die erwartete Beschwerdewelle, wenn in Österreich erstmal die Impfpflicht herrscht. Ab Anfang Februar soll sie gelten, die Verpflichtung für alle Österreicher ab 14 Jahren, sich gegen Corona impfen zu lassen. Bußjäger, in Innsbruck Professor für Verwaltungswissenschaft, sieht da eine Herausforderung auf die Alpenrepublik zukommen.
Zumal die Österreicher mit dem Gesetz Vorreiter unter den westlichen Demokratien sein werden. Ansonsten sind Impfverpflichtungen bislang nur aus Tadschikistan, Turkmenistan, Indonesien und Mikronesien bekannt. Kein Wunder, dass man von Deutschland aus nun verstärkt in Richtung Alpen schielt, um sich abzuschauen, wie man's richtig macht und welche Fallstricke womöglich in der Praxis lauern.
In Österreich soll die Praxis so aussehen: Das zentrale Melderegister wird mit dem bereits seit 2021 bestehenden zentralen Impfregister, das Deutschland - nebenbei gesagt - nicht hat, vernetzt. An einem "Impfstichtag" pro Vierteljahr wird geprüft, ob Impfpflichtige im Register als geimpft registriert sind oder ein Ausnahmegrund vermerkt ist. Ist beides nicht der Fall, wird eine Geldstrafe verhängt.
Im ersten geplanten Durchgang Mitte Februar sollen die Ungeimpften noch freundlich erinnert werden. Im zweiten Durchgang einen Monat später würden dann schon 600 Euro fällig. Im Laufe der nächsten Überprüfungen kann der Betrag bis auf 3600 Euro ansteigen. Ein Eintrag ins Vorstrafenregister oder gar Gefängnis ist ausgeschlossen.
Vermutlich mehrere Hunderttausend Beschwerden
Bis hierhin laut Bußjäger administrativ noch kein großes Problem. An einem bestimmten Tag Hunderttausende Strafverfügungen rauszuschicken und darin entsprechende Sanktionen auszusprechen - das ist für die Verwaltungsbehörden machbar. Spannend hingegen wird es, wenn die Betroffenen Einspruch erheben: "Wenn sich die Behörden dann im Detail mit jedem Einzelfall befassen müssen, das wird ein großes Problem", sagt der Verwaltungsexperte.
Zwar können die Bearbeiter die Beschwerdefälle routiniert abwickeln, aber wenn die Höhe der Geldstrafe unzumutbar ist, etwa bei Einkommensschwachen oder finanziell belasteten Personen, muss man eben doch den jeweiligen Fall berücksichtigen. "Man kann pauschalieren, aber die Auseinandersetzung mit dem Einzelfall bleibt der Behörde nicht erspart."
Bußjäger rechnet mit mehreren Hunderttausend Beschwerden gegen die Impfpflicht. Richten sich diese grundsätzlich gegen das Gesetz, dann wird sich der Aufwand in Grenzen halten, sofern abgeklärt ist, dass die Impfpflicht verfassungskonform ist.
Während die Herausforderung "Abarbeiten der Beschwerden" erst im laufenden Betrieb auf das Land zukommt, gibt es auch jetzt, im Vorfeld, schon Schwierigkeiten. Nicht mit der Erfassung der erfolgten Impfungen - anders als Deutschland hat Österreich schon in der ersten Jahreshälfte 2021 damit begonnen, jeden Piks im neu geschaffenen zentralen Impfregister zu registrieren. Das, was in Deutschland schon als eine kaum zu bewältigende Hürde empfunden wird, läuft in Österreich seit Monaten routiniert.
Pünktlicher Start der Impfpflicht gefährdet
Doch musste die Elga GmbH, die diese Daten verwaltet, inzwischen warnen: Sie wird wohl aus technischen Gründen bis Anfang April brauchen, um die Ausnahmen ins System einzupflegen - also all jene, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden dürfen, und diejenigen, die sich die Nadel im Ausland setzen ließen. Darum ist der pünktliche Start der Impfpflicht derzeit gefährdet.
Dass sie kommt, wird hingegen kaum bezweifelt. In der Bundespolitik stehen alle Parteien bis auf die FPÖ hinter der Impfpflicht, wenn auch die Opposition die aus ihrer Sicht schlechte Umsetzung seitens der Regierungsparteien bemängelt. Eine reale Gefahr für die Durchsetzung des Gesetzes ist hingegen Omikron und das weitere Mutieren des Virus. "Die Impfpflicht hängt an der Schlüsselfrage, wie wirksam die Impfstoffe nach Omikron sind", erklärt Peter Bußjäger. Denn eines ist klar: Für Omikron kommt das Gesetz zu spät.
Zwar "darf der Staat auch Vorsorge für künftige Wellen treffen, er muss nicht sehenden Auges ins Verderben rennen". Nur muss das Impfen aus medizinischer Perspektive dann auch weiterhin das deutlich beste Mittel sein, um das Gesundheitssystem vor der Überlastung zu bewahren. "Wenn die medizinische Front bröckelt, dann bricht auch die juristische Argumentation zusammen", so der Innsbrucker Experte.
Derzeit sieht es nicht danach aus, auch wenn einzelne Mediziner in Österreich die Einschätzung abgeben, die Immunisierung nach einer Infektion mit Omikron könne auch dauerhaft ausreichenden Schutz bieten. Das Gros der Experten bezweifelt dies jedoch - und hat beim Effekt der Impfpflicht schon den nächsten Winter im Blick.
Quelle: ntv.de