
Berlin? München? Noch ist die Richtung unklar.
(Foto: dpa)
Der künftige CSU-Chef soll nicht Ministerpräsident sein, sondern am Kabinettstisch in Berlin sitzen, sagt Horst Seehofer. Man darf vermuten: Er hat nicht strategische Gründe, sondern will sich einen Parteifreund vom Hals halten.
In vertraulicher Runde hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer angekündigt, dass der CSU-Vorsitzende spätestens ab 2017 Mitglied der Bundesregierung sein muss. Das berichten der "Münchner Merkur" und die "Süddeutsche Zeitung".
Beide Zeitungen weisen darauf hin, dass die Ankündigung nur zwei Schlüsse zulässt: Entweder tritt Seehofer bei der Bundestagswahl im Herbst 2017 selbst als CSU-Spitzenkandidat an und wechselt anschließend nach Berlin. Oder er gibt den Parteivorsitz vorher ab. Die erste Variante darf als wahrscheinlicher gelten. "In Bayern aufhören, im Bund anfangen – das wäre doch grotesk", hatte er im Januar 2015 gesagt. "Ich war 28 Jahre im Bundestag, zwölf Jahre Staatssekretär und Minister. Es gibt keinen Weg zurück in die Bundespolitik."
Kurzum: Irgendwann im kommenden Jahr muss Seehofer einen Nachfolger präsentieren. Regulär steht die Wahl oder Neuwahl des CSU-Chefs Ende 2017 an – nach der Bundestagswahl.
Laut "Merkur" hat Seehofer angedeutet, dass sein Plan auch schon vor der Bundestagswahl umgesetzt werden könnte. Er habe sich jedoch weder auf einen Zeitplan noch auf Personen festgelegt. Hintergrund der Überlegungen sei Seehofers Sorge über den Ansehensverlust Angela Merkels und der CDU in Bayern, so die Zeitung. Davon wolle er die CSU abkoppeln. Es geht ihm also nicht um die Bundestagswahl, sondern um die ewige Priorität der CSU, das Alleinstellungsmerkmal, ohne das die Partei auf Dauer nicht denkbar ist: die absolute Mehrheit in Bayern. Im Freistaat wird im Herbst 2018 gewählt. Schneidet die CSU bei der Bundestagswahl schlecht ab, wäre der Start in den Landtagswahlkampf vermasselt.
Es geht um Söder
Gleichzeitig geht es Seehofer aber höchstwahrscheinlich auch darum, seine Nachfolge zu regeln. Lange gab es in der CSU zwei Personen mit Kronprinzenfunktion: Landeswirtschaftsministerin Ilse Aigner und Finanzminister Markus Söder. Von der einen hört man nicht mehr so viel, über den anderen hat Seehofer sich in der Vergangenheit in einer Form geäußert, die daran zweifeln lässt, dass er ihn für einen guten Ministerpräsidenten hielte. Ende 2012 sagte er, Söder betreibe "Schmutzeleien", sei "von Ehrgeiz zerfressen" und leide an "charakterlichen Schwächen". Im November 2015 wies er ihn mit scharfen Worten für eine Äußerung zu den Anschlägen in Paris zurecht. "Markus Söder ist ein Minister, der sich gerne auch in anderen Zuständigkeitsbereichen profiliert", sagte er dem "Donaukurier" in einem Interview. "Meine Toleranz ist groß, aber nicht unendlich. Jeder hat seine Aufgabe. Wenn einer mit der Kanzlerin über die Flüchtlingspolitik spricht und Vereinbarungen trifft, dann ich." Viel härter kann ein Politiker einen Parteikollegen nicht kritisieren.
Man darf also annehmen, dass es Seehofer um Zweierlei geht: Söder als Ministerpräsidenten zu verhindern und der CSU in Bayern eine absolute Mehrheit zu verschaffen. Wie kommt da Berlin ins Spiel? Söder hat bereits erklärt, dass er dorthin nicht wechseln will; er will schließlich Chef in München sein, nicht Minister in Berlin. Außerdem lebt er mit Frau und drei Kindern in Nürnberg. Von München aus ist das mit dem ICE gut eine Stunde. Auch Politiker sind Menschen.
Öffentlich stellt Seehofer es so dar, als müsse ein Politiker nun einmal auch unangenehme Entscheidungen treffen. Auf "persönliche Lebensplanungen" könne man dann keine Rücksicht nehmen, soll er einmal gesagt haben. Und: "Wer dann, wenn es notwendig ist, sich einer Verantwortung zu stellen, diese Verantwortung nicht wahrnehmen will, der bekommt sie später auch nicht."
Seehofers Argumentation ist angreifbar
Mittlerweile werden als mögliche Seehofer-Nachfolger auch der Vorsitzende der Konservativen und Christdemokraten im Europaparlament, Manfred Weber, sowie vor allem der bayerischen Innenminister Joachim Herrmann genannt. Dazu kursiert noch die Variante, dass Seehofer, anders als im Januar 2015 angekündigt, zur Landtagswahl 2018 doch wieder anzutritt. Im März wurde gar die Version lanciert, Seehofer erwäge, den früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zum Spitzenkandidaten und Parteichef zu machen. Möglich, dass der CSU-Vorsitzende das wirklich erwogen hat. Wahrscheinlicher ist, dass er einfach so viele Fährten wie möglich auslegt, um Söder in Schach zu halten.
Man kann das Thema auch vor dem Hintergrund des Streits um die Flüchtlingspolitik sehen. Noch im Juni 2015 wies Seehofer einen Söder-Vorstoß über Grenzschließungen im Schengen-Raum zurück. Drei Monate später lud er den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zu einer CSU-Klausur ein – den Mann also, der die Flüchtlingskrise für sein Land mit Stacheldraht löste. Orbán habe Unterstützung und nicht Kritik verdient, sagte Seehofer damals.
Mittlerweile haben Seehofer und Söder sich arrangiert. Offene Feindseligkeiten gibt es nicht mehr, im Gegenteil: Wenn Söder sich zur Flüchtlingspolitik äußert, dann liegt er vollständig auf Seehofers Linie. Eine Prognose, wie der stille Machtkampf ausgeht, ist derzeit nicht möglich. Söder hat zwei Optionen. Er könnte sagen, selbstverständlich sei er bereit, als starker Vertreter bayerischer Interessen nach Berlin zu gehen. Oder er erklärt, dass ein CSU-Vorsitzender mitnichten nach Berlin gehört, dass es vielmehr sinnvoll ist, die Partei dort zu führen, wo ihr Herz schlägt. Denn Seehofers Argumentation ist ja alles andere als unangreifbar. Unter Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber waren Parteivorsitz und das Amt des Ministerpräsidenten in einer Hand, seit 2008 ist es ebenso. Seehofer wird kaum behaupten, dass dies keine erfolgreichen Jahre für die CSU waren.
Quelle: ntv.de