Politik

Staat klagt im NSU-Prozess an Wieder Akten geschreddert

Geschreddert wurde nicht nur Akten von Rechtsextremen, sondern auch von einstigen RAF-Terroristen.

Geschreddert wurde nicht nur Akten von Rechtsextremen, sondern auch von einstigen RAF-Terroristen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Seit Monaten warte Angehörige der Opfer des "Nationalsozialistischen Untergrunds" darauf, dass der Prozess gegen die Hauptverdächtige Beate Zschäpe beginnt. Nun ist es wohl soweit: Die Bundesstaatsanwaltschaft hat die Akten zusammen. Andere, womöglich wichtige Akten, werden derweil in Berlin vernichtet. Ein bedauerliches Versehen?

Beate Zschäpe

Beate Zschäpe

(Foto: dapd)

Im Verfahren um die Neonazi-Mordserie hat die Bundesanwaltschaft einem Zeitungsbericht zufolge Anklage gegen Beate Zschäpe und vier weitere Beschuldigte erhoben. Generalbundesanwalt Harald Range habe die mehrere hundert Seiten umfassende Anklageschrift unterschrieben und am Dienstag zusammen mit über 1000 Ordnern Ermittlungsakten auf den Weg zum Oberlandesgericht München gebracht, berichtete der "Tagesspiegel" vorab aus seiner Mittwochausgabe. Die konkreten Anklagepunkte waren dem Bericht nicht zu entnehmen. Derweil wird bekannt, dass der Berliner Verfassungsschutz Akten geschreddert hat, die eventuell für den NSU-Untersuchungsausschuss von Interesse gewesen wären.

Zu den Angeschuldigten zählt dem Bericht zufolge auch Ralf Wohlleben, ein mutmaßlicher Unterstützer des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU). Wohlleben und Zschäpe sitzen als einzige Verdächtige noch in Untersuchungshaft.

Ralf Wohlleben

Ralf Wohlleben

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Rechtsextremisten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe sollen neun Einwanderer und eine Polizistin ermordet haben. Das Neonazi-Trio war vor einem Jahr nur durch Zufall aufgeflogen, als Böhnhardt und Mundlos sich nach einem Banküberfall erschossen und Zschäpe danach die gemeinsame Wohnung in Brand setzte. Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern prüfen seither, wie es dazu kommen konnte, dass der rechtsextremistische Hintergrund der Mordserie über Jahre hinweg nicht ans Licht kam. Den Sicherheitsbehörden werden zahlreiche Ermittlungspannen vorgeworfen.

Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe erklärte am Dienstag, die Behörde werde in Kürze Anklage gegen mehrere Beschuldigte erheben. Mit Blick auf das Gebot des fairen Verfahrens sowie die Rechte der Beschuldigten und Nebenkläger verbiete sich jedoch momentan eine detailliertere Auskunft. Normalerweise wird die Öffentlichkeit erst nach dem Angeklagten informiert. Zschäpes Anwalt gab an, noch keine Anklage bekommen zu haben.

Akten über Rechtsextreme vernichtet

Derweil muss sich der Verfassungsschutz womöglich erneut für eine überstürzte Aktenvernichtung verantworten. Die Berliner Abteilung der Behörde soll nach Recherchen der Nachrichtenagentur dpa Akten geschreddert haben, die eventuell für den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages von Interesse gewesen wären. Der Verfassungsschutz sprach von einem bedauerlichen Versehen. "Es gibt keine Anhaltspunkte, dass die Akten irgendeinen NSU-Bezug hatten", sagte eine Sprecherin. Der Vorfall sei nach Bekanntwerden sofort hausintern aufgearbeitet worden.

Den Angaben zufolge wurden am 29. Juni Rechtsextremismus-Akten vernichtet, deren Löschfrist erreicht war, die aber teilweise vom Landesarchiv hätten aufbewahrt werden sollen. Auch Unterlagen aus den Bereichen Links- und Ausländerextremismus wurden den Angaben zufolge geschreddert - nicht aber solche, die ins Landesarchiv gehen sollten.

Auch Akten der RAF vernichtet

Vernichtet wurden unter anderem Akten zu dem einstigen Terroristen der Rote Armee-Fraktion und heutigen Rechtsextremisten Horst Mahler, der "Reichsbürgerbewegung", der Band "Landser", der "Heimattreuen Deutschen Jugend" und der "Initiative für Volksaufklärung". Generell sei die Löschung von Akten aber ein normaler Vorgang, wenn diese nicht mehr relevant seien, so die Sprecherin. Am 20. Juli habe Verfassungsschutzleiterin Claudia Schmid einen Stopp für das Vernichten von Rechtsextremismus-Akten angeordnet.

In der Vergangenheit hatte die Aktenvernichtung bei Verfassungsschutzbehörden mehrfach für Schlagzeilen gesorgt. Neben dem Präsidenten des Bundesamtes, Heinz Fromm, mussten auch mehrere Landesamtschefs ihren Posten räumen.

Quelle: ntv.de, rts/dpa

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