Flüchtlingsstreit entzweit Union "Wir haben eine echte Koalitionskrise"
29.10.2015, 03:52 Uhr
Für Bayerns Finanzminister Markus Söder steht die Mehrheitsfähigkeit der Union auf dem Spiel.
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Die CSU will die Kanzlerin dazu bringen, ihre Flüchtlingspolitik zu ändern. Dazu stellt ihr Horst Seehofer zunächst ein Ultimatum bis Sonntag und droht mit "bayerischer Notwehr". Inzwischen spricht Bayerns Finanzminister Söder offen von einer Koalitionskrise.
Die bayerische Staatsregierung verschärft vor dem Krisentreffen der Parteivorsitzenden der großen Koalition am Sonntag den Ton gegenüber der Bundesregierung. Bayerns Finanzminister Markus Söder sagte der Süddeutschen Zeitung: "Wir haben eine echte Koalitionskrise." Das Grundvertrauen der Bürger in die Bundesregierung sei gerade "berührt, denn der Rechtsstaat beginnt vor der massenhaften illegalen Einwanderung zu kapitulieren".
Es handele "sich im Verhältnis zwischen CDU und CSU um die schwierigste Situation seit 1976". Damals hatte die CSU-Landesgruppe beschlossen, die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU zu beenden. Die Union hatte die damalige Wahl gewonnen, die absolute Mehrheit aber knapp verpasst. Nach wenigen Wochen versöhnten sich die Schwesterparteien und verhinderten so eine endgültige Spaltung.
Söder sagte, nun gehe "es um die Kernkompetenz der Union: Innere Sicherheit und Rechtsstaat." Wer glaube, "Generationen von Stammwählern ignorieren zu können, setzt die strukturelle Mehrheitsfähigkeit der Union aufs Spiel", so der CSU-Politiker. Die CSU stehe geschlossen hinter ihrem Chef Horst Seehofer und erwarte "von CDU und SPD ein Eingehen auf unsere mehr als berechtigten Forderungen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise".
Hasselfeldt glaubt nicht an Bruch
Seehofer trifft sich am Sonntag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel, um über die Krise zu beraten. Er fordert von Merkel schon länger, den Flüchtlingsstrom einzudämmen und hat mit politischen und juristischen Konsequenzen gedroht, falls die Gespräche scheitern. "Wir sind gut vorbereitet für alles", sagte Seehofer.
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt widersprach aber Berichten, wonach ihre Partei einen Koalitionsbruch riskieren könnte. "Weder die Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft noch der Abzug der CSU-Minister aus der Bundesregierung sind dabei hilfreiche Optionen", sagte sie. Die "Bild"-Zeitung hatte zuvor berichtet, Seehofer könne den Rückzug der drei CSU-Minister aus der Regierung erwägen.
Ein wichtiger Streitpunkt in der Koalition ist die Einrichtung von Transitzonen an der Grenze. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD im Bundestag, Christine Lambrecht, zeigte sich als Kompromiss für "eine verpflichtende Registrierung in Grenznähe" offen, um aussichtslose Asylanträge schnell zu prüfen. Dies seien aber keine Transitzonen, in denen Menschen in Haft genommen würden. Als Variante gilt, für Menschen aus sicheren Herkunftsländern von der Registrierung in diesen Zentren Sozialleistungen abhängig zu machen.
Quelle: ntv.de, hul/dpa/rts