Politik

Drahtzieher aus Tschetschenien? Zahl der Opfer von Istanbul steigt

Ein Opfer des Anschlags wird unter großer Anteilnahme in Istanbul beerdigt.

Ein Opfer des Anschlags wird unter großer Anteilnahme in Istanbul beerdigt.

(Foto: dpa)

Nach dem Anschlag auf den Istanbuler Flughafen steigt die Opferzahl. Die Sicherheitskräfte nehmen derweil bei Razzien mehrere mutmaßliche Terroristen fest. Auch Hinweise auf die Täter des Anschlags gibt es: Ihr Anführer soll aus dem Kaukasus stammen.

Die Zahl der Opfer beim Anschlag auf den Istanbuler Atatürk-Flughafen ist weiter gestiegen. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldet 44 Todesopfer. Der türkische Innenminister Efkan Ala hatte am Nachmittag noch von 43 Toten gesprochen. Ein schwer verletztes Opfer war demnach seinen Verletzungen erlegen. Zusätzlich starben die drei Selbstmordattentäter. Fast 240 Menschen wurden verletzt, darunter eine Deutsche. Nach Angaben des Istanbuler Gouverneursamt wurden noch 94 Verletzte in Krankenhäusern behandelt.

Auch die Zahl der getöteten Ausländer ist höher als bislang bekannt. 19 Ausländer seien getötet worden, sagte Ala nach Angaben von Anadolu in Ankara. Zuvor hatte die Regierung von 13 ausländischen Todesopfern gesprochen. Berichte über mögliche Deutsche unter den Todesopfern gibt es nicht.

Die türkische Polizei ging derweil in Istanbul mit zahlreichen Razzien gegen mutmaßliche Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vor. 13 Verdächtige seien festgenommen worden, darunter vier Ausländer, sagte Ala im Parlament. Weiter sagte er, bisher sei nur die Nationalität und Identität eines der drei Attentäter bekannt. Aus Regierungskreisen hieß es allerdings, dass die Täter aus Russland, Usbekistan und Kirgistan stammten. Der russische Bürger soll aus der Region Dagestan kommen. Usbekistan, Kirgistan und Dagestan sind überwiegend muslimisch und gehörten einst zur Sowjetunion. Viele Extremisten aus dem Kaukasus und Zentralasien haben sich dem IS in Syrien und im Irak angeschlossen.

Drahtzieher aus Tschetschenien?

Die regierungsnahe Zeitung "Yeni Safak" berichtete, als Kopf hinter den Anschlägen werde der aus Tschetschenien stammende Achmed Tschatajew vermutet. Tschatajew wird auf einer Sanktionsliste der Vereinten Nationen als IS-Zuständiger für die Ausbildung russischsprachiger Kämpfer geführt. In Russland ist der Mann zur Fahndung ausgeschrieben. Offiziell wurde diese Darstellung nicht bestätigt.

Sicherheitskräfte am Istanbuler Flughafen.

Sicherheitskräfte am Istanbuler Flughafen.

(Foto: AP)

Die Polizei habe in Istanbul am Morgen zeitgleich 16 Wohnungen durchsucht, meldete die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu. Auch in Izmir gab es demnach Polizeiaktionen gegen Extremisten. Dort wurden laut der Agentur neun mutmaßliche Extremisten festgenommen, die Kontakte zu IS-Mitgliedern in Syrien gehabt haben sollen. Ihnen werde vorgeworfen, sie hätten den IS finanziell unterstützt, Mitglieder angeworben und logistische Unterstützung geleistet. Die türkische Polizei geht regelmäßig mit Razzien gegen Dschihadisten vor, konnte in den vergangenen Monaten aber nicht verhindern, dass diese wiederholt Anschläge verübten. Die türkischen Behörden vermuten den IS hinter dem Attentat. Bisher bekannte sich niemand dazu. Der IS hat sich noch zu keinem der ihm in der Vergangenheit zugeschriebenen Anschläge in der Türkei bekannt.

"Ihren Platz in der Hölle vorbereitet"

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sprach den Selbstmordattentätern vom Istanbuler Atatürk-Flughafen jegliche religiöse Rechtfertigung für die Bluttat ab. "Das sollen Muslime sein?", fragte er nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. "Sie haben ihren Platz in der Hölle vorbereitet." Erdogan bedankte sich bei Staats- und Regierungschefs aus aller Welt, die der Türkei kondoliert hatten. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Mittwoch mit Erdogan telefoniert und den Anschlag verurteilt.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland forderte mehr Solidarität: "Europa macht zu oft den Fehler, dass es Terrorismus als zweitrangig betrachtet, wenn er nicht direkt vor der eigenen Tür geschieht", sagte der Vorsitzende des Verbands, Gökay Sofuoglu, der "Rheinischen Post".

Die angespannte Sicherheitslage in der Türkei zeigt sich auch in Überlegungen der USA, den in die Türkei versetzten Militärs und Zivilisten zu untersagen, ihre Familien mitzunehmen. In dem Land ist in der Folge des Bürgerkrieges in den Nachbarstaaten Syrien und Irak ein Islamisten-Netzwerk entstanden, dem eine Serie von Selbstmordattentaten zugeschrieben werden. So sollen sie für zwei Anschläge auf Touristen in Istanbul verantwortlich sein. Der Türkei ist lange Zeit vorgeworfen worden, den IS zumindest indirekt unterstützt zu haben, indem sie Kämpfer auf dem Weg nach Syrien passiert haben lassen soll. Allerdings gestattete die Regierung in Ankara mittlerweile der US-geführten Koalition die Nutzung von Stützpunkten in der Türkei. Zudem hat türkisches Militär wiederholt Extremisten im Grenzgebiet zu Syrien mit Granaten beschossen, nachdem Raketengeschosse in der türkischen Grenzstadt Kilis eingeschlagen waren.

Quelle: ntv.de, mli/ghö/dpa/rts/AFP

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