Politik

Legitime Strategie Zschäpe nutzt die Bühne

e7adedb7f0aae1e19cc57c099ad92ee5.jpg

In ihrer Aussage macht Beate Zschäpe genau das, was viele Angeklagte tun. Sie redet ihre Tatanteile klein, schiebt Schuld auf andere und wirbt um Verständnis. Das ist ihr gutes Recht, doch sie sollte den Bogen nicht überspannen.

Nun liegt sie also auf dem Tisch, die Aussage von Beate Zschäpe, die mit so viel Spannung erwartet worden war. (Hier nachzulesen im Live-Ticker) Dem Bild der bewusst agierenden Mittäterin, wie es die Bundesanwaltschaft in ihrer Anklage zeichnet, haben Zschäpe und ihre Anwälte ein anderes entgegen gesetzt: Das einer emotional abhängigen Person, die sich in etwas hat hineinziehen lassen, aus dem sie nicht mehr herausgefunden hat.

Überraschend war diese Version nicht unbedingt. Auch Rudolf Egg, der frühere Direktor der Kriminologischen Zentralstelle Wiesbaden, hatte mit einer Aussage in dieser Richtung gerechnet. "Jeder, der vor Gericht steht, hat, selbst wenn er sich schuldig bekennt, den Wunsch, um Verständnis für seine persönliche Situation zu werben", sagt Egg n-tv.de nach der Verlesung von Zschäpes Aussage. Ein Prozess sei schließlich  auch eine Bühne, und da möchte "jeder der Verfahrensbeteiligten ein möglichst gutes Bild abgeben".

Zschäpe hat sich wie in Mordprozessen üblich verhalten. Dass sich jemand vor Gericht als moralisch verantwortlich beschreibt, aber die strafrechtliche Verantwortung zurückweist, ist in solchen Verfahren keine Seltenheit. Sie hat versucht, ihre eigene Verantwortung kleiner erscheinen zu lassen, ohne sich als unschuldig zu bezeichnen. "Insofern gibt sie zu, was naheliegend ist und bestreitet den Rest", beschreibt Kriminalpsychologe Egg die Idee hinter Zschäpes Ausführungen.

Es sei auch eher die Regel, als die Ausnahme, dass man versucht, die Schuld jemand anderem zuzuweisen. Für Zschäpe war dies möglicherweise besonders einfach, denn Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die sie als einzige belastet hat, sind tot. Sie können sich weder gegen Zschäpes Anschuldigungen verteidigen, noch müssen sie eine Anklage fürchten.

Keine Pflicht zur Wahrheit

Wer nun einfach unterstellt, Zschäpes Version könne nicht die Wahrheit sein, verkennt die Regeln eines Strafprozesses. Nicht Zschäpe muss beweisen, dass sie unschuldig ist, sondern die Bundesanwaltschaft muss ihr die angeklagten Taten nachweisen, und zwar jede einzelne. Bisher ging man davon aus, dass dies im Prozess schon weitgehend gelungen ist. Nun da es sie gibt, muss das Gericht auch Zschäpes Aussage zur Kenntnis nehmen. Glauben muss es ihr deshalb noch lange nicht. Egg hält Zweifel für angebracht und Nachfragen für notwendig.

In jedem anderen Verfahren würde nun eine spannende Phase beginnen, in der das Gericht, aber auch die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger ausgiebig von der Möglichkeit Gebrauch machen würden, möglichen Ungereimtheiten mit Nachfragen auf die Spur zu kommen. Genau das ist aber in dem von Zschäpes Verteidiger Mathias Grasel vorgeschlagenen Prozedere von schriftlichen Nachfragen schwierig. Egg verweist darauf, dass die Mündlichkeit in einem Strafprozess ein zentrales Element sei.

Ließe sich das Gericht auf Zschäpes Vorschlag ein, müsste jedes Schriftstück verlesen werden. Ein Dialog werde so kaum möglich. "Da wird sich die Kammer überlegen, ob sie sich darauf einlässt. Aber wenn die Kammer das ablehnt, gibt es vielleicht gar keine Fragen. Das ist eine schwierige Situation, in die Zschäpe das Gericht gebracht hat." Auch wenn sie nur Fragen des Gerichts beantworten will, also weder die Staatanwaltschaft noch die Nebenklage fragen darf, stößt das sicher nicht auf das Wohlwollen der Verfahrensbeteiligten.  

Mit dem heutigen Tag gehört die Schweige-Strategie der Alt-Verteidiger der Vergangenheit an. Es mag die Regel sein, dass Angeklagte bei so schweren Vorwürfen von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen. Beate Zschäpe aber wollte das nicht mehr, glaubt Egg, dieses "Vorgeführtwerden und schweigend dazusitzen". Ob die Aussage schließlich die richtige Strategie ist, lässt sich heute kaum sagen. "Sie wird die Verfahrensdauer jedenfalls nicht verkürzen."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen