
Faeser saß jahrelang auf der hessischen Oppositionsbank und will nun nicht mehr raus aus dem Ministersessel.
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Die Bundesinnenministerin will in Hessen nebenbei als Regierungschefin kandidieren - aber in Berlin bleiben, wenn sie die Wahl nicht gewinnt. Das schadet ihrem Amt, der Demokratie und letzten Endes auch der SPD.
Politiker kleben an ihren Sesseln. Politiker sind machtversessen und fürchterlich eitel. Politiker reden heute so und morgen so. Man kennt die Vorurteile, und in den allermeisten Fällen stimmen sie nicht. Bei der Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist das leider anders.
Frau Faeser möchte im Herbst Ministerpräsidentin des Landes Hessen werden. Der Weg dahin ist gepflastert mit 15-Stunden-Arbeitstagen, sieben Tage die Woche, Wahlkampf ist fulltime oder gar nicht. Frau Faeser hat aber schon einen full-time-Arbeitsplatz. Sie ist Innenministerin der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt, die mitten in einer kombinierten Kriegs- und Flüchtlingskrise steckt, die gerade auch in ihre Zuständigkeit fällt. Im vergangenen Jahr sind aus der Ukraine mehr Menschen nach Deutschland geflohen als auf dem Höhepunkt der Krise 2015/16.
Obendrauf kommt eine größere Zahl von Asylsuchenden als in allen Jahren seit 2016, eine sich rasant radikalisierende Reichsbürgerszene, zunehmende Gewalt gegen Ordnungshüter und Rettungskräfte undundund. Genug zu tun, könnte man meinen. Mehr jedenfalls, als sich neben einer Spitzenkandidatur in einem Flächenland wie Hessen machen lässt.
Abstruse Rechtfertigung
Die Ministerin müsste sich also entscheiden, aber damit würde sie ins Risiko müssen. Sie müsste aus dem einen Sessel aufstehen, ohne zu wissen, ob sie den anderen erobern und darauf Platz nehmen kann. Genau das aber will Frau Faeser nicht: persönlich ins Risiko gehen. Sie klebt an ihrem Sessel - zumindest solange, bis sie einen anderen sicher hat.
Dem "Spiegel" sagte Frau Faeser, es werde in solchen Krisenzeiten ja gar keinen richtigen Wahlkampf in Hessen geben, darum sei das mit der Doppelbelastung nicht so schlimm. Das kann sie nicht ernst meinen, das Gegenteil ist richtig: Gerade in solchen Krisenzeiten sollten sich möglichst viele Wähler auch einen persönlichen Eindruck von der Kandidatin verschaffen können. Auch in Hessen.
Zum Schaden der Demokratie
Die Innenministerin will im Übrigen nur dann nach Hessen, wenn sie dort Regierungschefin wird. Das heißt: Sie stellt sich zur Wahl, aber sie nimmt das Ergebnis nur an, wenn es ihr gefällt. Wenn sie nicht gewinnt, will sie in Berlin Bundesministerin bleiben, denn da hat sie mehr Macht und Rampenlicht. So einfach, so eitel. Und so wenig demokratisch, wenn man es genau nimmt. Denn die Demokratie braucht auch den anständigen Verlierer, weil er in der Opposition eine gewiss undankbare aber immens wichtige Rolle zu spielen hat. Er muss das Wesen der Demokratie im täglichen Kleinklein verkörpern: die jederzeit verfügbare Alternative. Darauf hat Frau Faeser keine Lust. Sie sei schon einmal Oppositionsführerin in Hessen gewesen, sagt sie. Oder im Klartext: Für ein zweites Mal bin ich mir zu gut.
Und ja, es hat in der Vergangenheit in allen Parteien, auch in der CDU und CSU, solche Fälle gegeben. Manche unterscheiden sich zu sehr, um etwas daraus abzuleiten, einige haben sich damals genauso verhalten wie Frau Faeser. Aber deshalb muss man es in der Gegenwart und für alle Zukunft ja nicht genauso falsch weiter machen. Frau Faeser möchte das Spiel nach ihren eigenen Regeln spielen, und der Kanzler und die SPD-Führung lassen sie. Sie richten damit mehr Schaden an, als ein Wahlsieg in Hessen ihnen Nutzen bringen kann.
Quelle: ntv.de