Kommentare

Flüchtlinge kommen in den Westen Orbáns perfides Spiel geht auf

Kanzlerin Merkel hat Ministerpräsident Orbán im Februar besucht. Das Verhältnis der beiden zueinander dürfte seither kaum besser geworden sein.

Kanzlerin Merkel hat Ministerpräsident Orbán im Februar besucht. Das Verhältnis der beiden zueinander dürfte seither kaum besser geworden sein.

(Foto: AP)

Wieder einmal setzt sich Ungarns Ministerpräsident Orbán mit seiner menschenverachtenden Flüchtlingspolitik durch. Es ist höchste Zeit, die nationale Hoheit über Asylverfahren in Europa infrage zu stellen.

Deutschland und Österreich tun das Einzige, was menschlich geboten ist: Die beiden Staaten lassen die Flüchtlinge, die tagelang unter widrigen Bedingungen auf dem Budapester Bahnhof verharren mussten, einreisen. Doch so richtig dieser Schritt sein mag, für die Zukunft der europäischen Flüchtlingspolitik ist er eine Katastrophe.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán setzt sich wieder einmal mit einer Strategie durch, in der Menschenrechte nichts zählen. Orbán setzt seit jeher vor allem auf eines, wenn es um Flüchtlinge geht: auf Abschreckung. Schutzsuchende in Ungarn werden inhaftiert. Sie bekommen keine angemessene medizinische Versorgung. Von Hygienestandards in Flüchtlingslagern kann keine Rede sein. Es gibt sogar Berichte, dass sie bei Behördengängen angeleint vor die Beamten geführt werden. Unfassbar in einem Staat, der seit mehr als zehn Jahren Mitglied der Europäischen Union ist.

Orbán sorgt seit Jahren dafür, dass Flüchtlinge in Ungarn nur eines wollen: weg. Und es gelingt ihm auch, dass sie trotz Dublin-III-Verordnung wegbleiben. Wegen der verheerenden Zustände in ungarischen Flüchtlingslagern schiebt kaum ein europäischer Staat Flüchtlinge zurück nach Ungarn, auch wenn sie dort zuerst EU-Boden betreten haben und der Staat im Sinne der Dublin-Regeln eigentlich für das Asylverfahren verantwortlich wäre. Knapp 8000 Menschen hätten laut der europäischen Statistikbehörde Eurostat im vergangenen Jahr zurück nach Ungarn überstellt werden müssen. Wirklich dorthin geschickt wurden 827.

Erst vor wenigen Tagen lehnte mit dem Kölner Verwaltungsgericht erstmals eine juristische Instanz die Ausweisung eines irakischen Flüchtlings nach Ungarn im Hauptverfahren ab. Unter anderem, weil in dem Land allein im ersten Halbjahr 2015 für rund 70.000 Flüchtlinge nur 2500 Plätze in Unterkünften bereitstanden.

Niemand weist Orbán in seine Grenzen

Dass Orbán in den vergangenen Tagen vor den Augen Europas und dem Rest der Welt 3000 Menschen in einer Bahnhofsunterführung vor sich hin vegetieren ließ, mit einer Wasserstelle und sechs Toiletten, treibt diese Politik nun auf den Höhepunkt ihrer Perfidität.

Da sich Orbán und seine widerwärtige Strategie wohl so schnell nicht ändern werden, wenn niemand ihn in seine Grenzen weist, wird er mit seiner menschenverachtenden Politik wohl auch die Zukunft der europäischen Flüchtlingspolitik mitbestimmen. Deutschland, Frankreich und die EU-Kommission treiben eine Quoten-Regelung voran, die endlich für eine gerechte Lastenverteilung auf dem Kontinent sorgen könnte. Doch schon jetzt ist klar: Quote hin oder her - in ein Land wie Ungarn kann man guten Gewissens keine Flüchtlinge schicken.

Die Quoten-Regelung lässt sich deshalb zwar auch gegen den Widerstand Ungarns einführen. Die EU-Kommission arbeitet an einem Modell, das nur eine qualifizierte Mehrheit benötigt, also ein Ja von 55 Prozent der Staaten, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU repräsentieren. Funktionieren kann dieses System aber nur, wenn die Menschenrechtsstandards in allen Mitgliedsstaaten garantiert sind.

Kaum zu unterschätzen ist deshalb der Vorstoß des luxemburgischen Außenministers Jean Asselborn. Der will eine europäische Asylbehörde schaffen, die den Nationalstaaten die Hoheit über das Asylverfahren entreißt. Dabei geht es zunächst in erster Linie darum, Verfahrensdauer und Anerkennungsquoten zu harmonisieren. Das ist vielleicht aber zugleich ein Anfang, um auch zur Durchsetzung einheitlicher Menschenrechtsstandards zu kommen. Das Beispiel Ungarn zeigt: Es geht nicht mehr anders.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen