Person der Woche

Person der Woche: Donald Trump Die fünf verblüffenden Folgen des Trump-Attentats

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Das Trump-Attentat verändert das politische Amerika. Die Stimmung kippt, der Wahlkampf wird neu gestartet und eine groteske Aktie macht Trump schlagartig um 1,2 Milliarden Dollar reicher.

Donald Trump in Milwaukee mit seinen Söhnen Eric und Donald Trump Junior

Donald Trump in Milwaukee mit seinen Söhnen Eric und Donald Trump Junior

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Erstens löst das Attentat einen massiven emotionalen Solidarisierungs- und Mobilisierungsschub bei seinen Anhängern aus. Das wird Donald Trump im laufenden Wahlkampf enorm stärken. Das schicksalhafte Zentimeterglück eines Streifschusses, die Bilder von Trump, wie er sofort nach dem Attentat die Faust reckt und seinem Publikum "fight, fight, fight" zuruft, dazu die geradezu ikonografischen Heldenfotos: Das ist der Stoff, aus dem wahlentscheidende Märtyrer-, Tapferkeits- und Schutzengel-Legenden gewebt werden. Wie einst bei Ronald Reagan nach dem Attentat von 1981 wächst das Bild des Opfers über seinen bisherigen Status weit hinaus. Seine Schwächen werden überstrahlt und das Meinungsklima wendet sich dem Opfer in Mitleid und Sympathie zu. Als der damalige US-Präsident Reagan angeschossen wurde, stiegen seine Umfragewerte schlagartig um 22 Prozentpunkte.

Da Trump schon vor dem Attentat in den Umfragen - vor allem in den wahlentscheidenden Swing States - knapp vorn lag, könnte das Attentat diesen Vorsprung tatsächlich wahlentscheidend vergrößern.

Zweitens erhöht die neue Konstellation den politischen Druck auf Joe Biden, den Weg doch noch für einen neuen Kandidaten freizumachen. Das Attentat beschert Trump ein Image als heldenhafter, kraftvoller Kandidat - im Gegensatz zum greisenhaften Amtsinhaber Biden. Die schiere Geistesgegenwart Trumps wird nun im scharfen Gegensatz zu Bidens wirren - aus Republikaner-Sicht dementen - Auftritten der vergangenen Wochen wahrgenommen. Für den Wahlkampf ist damit ein fatales Kontrastbild zementiert: Stärke von Trump, Schwäche von Biden.

Die demokratische Partei war schon in den Tagen vor dem Attentat massiv in Bewegung geraten, um Biden einen Verzicht auf die Kandidatur nahezulegen. Jetzt wird dies umso dringlicher.

Wenn die Demokraten das innenpolitische Kraftfeld der USA noch einmal umpolen wollen, dann müssen sie der gewaltigen Gefühlslage etwas Fundamentales entgegensetzen - einen völlig neuen Kandidaten. Nur damit wird es möglich, das Wahlkampf-Narrativ neu zu schreiben. Wie aus dem Umfeld demokratischer Senatoren verlautet, steigen in diesen Stunden die Chancen der Vizepräsidentin Kamala Harris deutlich, doch noch Trumps Gegenkandidatin zu werden. Damit würden völlig neue Themen in den Wahlkampf gebracht: die Vision einer ersten Frau im Präsidentenamt, die Story einer "weiblichen Barack Obama". "Ich liebe Joe Biden", schrieb der demokratische Politiker Tim Ryan in einer "Newsweek"-Kolumne - aber: "Kamala Harris sollte die Kandidatin der Demokraten 2024 sein." Der mächtige afroamerikanische Fraktionsvize Jim Clyburn ist für Harris, ebenso betreibt Hakeem Jeffries, der Minderheitsführer der Demokraten, im Kongress Lobbyarbeit für Harris. Sie sei landesweit bekannt und spreche als schwarze, liberale Frau neue Wählerschichten an. Im Gegensatz zu Trump und Biden stehe sie für eine neue Generation und könne das Altersthema im Wahlkampf zugunsten der Demokraten drehen. Obendrein könne sie auf Joe Bidens gewaltige Wahlkampfkasse mit 250 Millionen Dollar sofort zugreifen.

Drittens wird James David Vance schlagartig sehr wichtig. Der Senator aus Ohio ist Trumps auserkorener Kandidat für die Vizepräsidentschaft. Der 39 Jahre alte Vance bekommt durch das Attentat und den gewaltigen Altersunterschied zu Trump die gefühlte Rolle des politischen Erben Trumps. Vance verkörpert die weiße Arbeiterschaft aus dem US-amerikanischen Rustbelt, die sich von der Linken abgewandt hat und Trump als vermeintlichen Anwalt des kleinen Mannes gegen die links-woken Eliten der Küsten feiert. Er wird sich im Wahlkampf auf Arbeiter und Farmer in den umkämpften Swing States wie Pennsylvania, Michigan, Wisconsin, Ohio und Minnesota konzentrieren. Diese Heimatregion hat Vance als Schriftsteller mit seinen Memoiren "Hillbilly-Elegie" gewürdigt und seine von Armut geprägte Kindheit beschrieben. Das Buch wurde für den Streamingdienst Netflix verfilmt und machte die Vance-Methode berühmt, wie die politische Rechte das Sozialmilieu der Unterschichten mobilisiert. Vance vertritt scharfe Positionen gegen illegale Einwanderung, streitet munter an gegen Gender- und Klimabewegte, fordert eine härtere Gangart gegen China und ein Ende der Militärhilfe für die Ukraine. Europa solle seine Sicherheitsprobleme selbst lösen, erklärte er auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar und forderte insbesondere von Deutschland höhere Militärausgaben. Bei seinem Auftritt in München ließ Vance sogar ein geplantes Treffen mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und Außenminister Dimitro Kuleba platzen: "Ich dachte nicht, dass ich etwas Neues erfahren würde." Kurzum: Vance ist ein US-Isolationist - seine Kür ist für Europa ein Warnsignal.

Viertens dürfte die tief gespaltene US-amerikanische Gesellschaft durch das Attentat noch ein Stück weiter in die innere Entfremdung getrieben werden. Der Historiker Tim Naftali sieht die USA in einem "zerbrechlichen Moment". Es besteht die Gefahr, dass sich das Meinungsklima weiter vergiftet und zu Gewalt animiert. Im Trump-Lager werden die Demokraten offen der mittelbaren Mitschuld an dem Attentat bezichtigt.

So gab Vance sogar Biden persönlich Schuld an dem Angriff. Auf X schrieb er: "Die zentrale These der Biden-Kampagne ist, dass Präsident Donald Trump ein autoritärer Faschist ist, der um jeden Preis gestoppt werden muss." Diese Rhetorik habe direkt zum versuchten Attentat geführt. Auch Steve Scalise, Vorsitzender der republikanischen Fraktion im Abgeordnetenhaus, macht Trumps politische Gegner und Medien mitverantwortlich. Sie hätten Trump zur Zielscheibe genommen und als "Bedrohung für die Demokratie" bezeichnet. Alles, was man brauche, sei eine verwirrte Person. Aber diese eine Person handele aufgrund dessen, was über Trump gesagt worden sei.

Der Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, der Republikaner Mike Johnson, bemühte sich derweil um eine Beruhigung der Gemüter. "Wir müssen die Rhetorik herunterfahren", sagte er im Sender MSNBC. "Wir müssen die Temperatur in diesem Land herunterfahren." Trump selbst rief zur Versöhnung auf. "Es ist wichtiger denn je, dass wir zusammenstehen", schrieb er auf der Plattform Truth Social. Zugleich versicherte Trump, er wolle standhaft bleiben "im Angesicht des Bösen".

Auch wenn beide Präsidentschaftsbewerber zur Einheit gemahnt und für einen gemäßigteren Ton im Wahlkampf geworben haben, so besteht doch die Gefahr, dass sich die politisch aggressive Stimmung mit dem Attentat weiter aufschaukelt. Unter Trumpisten kursieren allerlei Verschwörungserzählungen, wonach die Biden-Regierung irgendwie hinter dem Anschlag stecke. Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte, doch der Hass in beiden politischen Lagern aufeinander nimmt durch das Attentat weiter zu.

Fünftens hat das Attentat die Aktie von Donald Trumps Medienunternehmen nach oben katapultiert: "Trump Media & Technology Group", gelistet unter dem Kürzel "DJT", ist am Montag um 31 Prozent auf 40,58 Dollar emporgeschnellt. Der Marktwert von Trump Media stieg damit auf rund 7,7 Milliarden Dollar. Hauptanteilseigner des Unternehmens ist Donald Trump selbst, er hält 65 Prozent der Anteile. Das Aktienpaket hat nach dem Kurssprung vom Montag einen Wert von rund 5 Milliarden Dollar. Vor dem Attentat waren Trumps Anteile an dem Unternehmen zuletzt rund 3,8 Milliarden Dollar wert gewesen. Das fehlgeschlagene Attentat hat Trump damit schlagartig um 1,2 Milliarden Dollar reicher gemacht. Und das mit einem Unternehmen, das zum ersten Quartal gerade einmal 770.500 Dollar Umsatz machte - dafür aber 328 Millionen Dollar Verluste verbuchte. Trump hatte das Unternehmen als eigenes soziales Netzwerk aufgebaut. Nach eigenen Angaben will Truth Social "offene, freie und ehrliche Konversation ohne Diskriminierung von politischen Ideologien" gewährleisten. Laut Trump soll die Plattform sich der "Tyrannei" der Big-Tech-Unternehmen entgegenstellen, die ihm zufolge links-woke Zensur betrieben. Zuvor war Trumps Twitter-Account Anfang 2021 gesperrt worden, nachdem er am 6. Januar Sympathie für seine Anhänger bekundet, die das Kapitol gestürmt hatten.

Quelle: ntv.de

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