Person der Woche Was verdient eigentlich Gerhard Schröder?
26.04.2022, 11:01 Uhr Artikel anhören
Der Altkanzler hält treu zu Putin. Der will ihn mit einem neuen, gut bezahlten Gazprom-Job belohnen. In der SPD wächst die Wut - doch auch die Sorge, was an Geldgeschäften von Schröders Genossen mit Russland noch alles zutage kommen könnte. Nicht nur Manuela Schwesig gerät dabei in Erklärungsnot.
Gerhard Schröder bekommt aus dem Bundeshaushalt rechnerisch jeden Tag 1147 Euro ausbezahlt. Aus der aktuellen Drucksache 20/950 des Deutschen Bundestages geht hervor, dass die "Gesamtkosten" für den "Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder" sich im Jahr 2021 auf exakt 418.531,37 Euro beliefen. Die Zahlungen des Bundes addieren sich seit 2016 auf deutlich mehr als drei Millionen Euro für die Aufrechterhaltung seines Büros. Seit seinem Ausscheiden aus dem Kanzleramt hat Schröder dafür mehr als sieben Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt erhalten. Hinzu kommt ein Ruhegehalt von rund 8000 Euro im Monat für die öffentlichen Ämter in Bund und Land, die er einst innehatte.
Welches Gehalt verdient Gerhard Schröder bei Gazprom?
Viel mehr noch verdient Schröder jedoch durch seine wirtschaftlichen Aktivitäten mit russischen Staatskonzernen. Kurz nach seiner Abwahl als Kanzler 2005 war Schröder bereits beim Betreiber der Gaspipeline Nord Stream von Russland nach Deutschland eingestiegen. Er wurde Vorsitzender des Aktionärsausschusses eines Konsortiums, an dem der russische Staatskonzern Gazprom die Mehrheit hielt. Sein Gehalt bei Nord Stream soll laut "Manager Magazin" 250.000 Euro im Jahr betragen haben. Dazu ist er Präsident des Verwaltungsrats bei der Nord Stream 2 AG. Seit 2017 kam - trotz der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Krim - auch der Job im Aufsichtsrat des russischen Energiekonzerns Rosneft hinzu. Schröder soll alleine in dieser Position rund 600.000 Euro im Jahr verdienen, wie der "Spiegel" berichtet.
Nun kommt ein neuer lukrativer Posten hinzu. Der Altkanzler ist Kandidat für den Aufsichtsrat bei Gazprom. Über die Personalie soll am 30. Juni bei der Hauptversammlung in Sankt Petersburg entschieden werden, und da Schröder selbst im brutalen Aggressionskrieg treu an der Seite Wladimir Putins steht, dürfte ihm der Posten mit sechsstelliger Entlohnung sicher sein. Wirtschaftsprüfer schätzen, dass Schröder aus seinen addierten Russland-Geschäften dann rechnerisch 3000 Euro am Tag verdienen wird. Schröders Gesamtvermögen wird auf inzwischen 20 Millionen Euro geschätzt.
Könnte Gerhard Schröder Altbundeskanzler-Ausstattung entzogen werden?
Der NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst fordert nun, dass Schröder kein Geld mehr aus deutschen Steuermitteln bekommen dürfe: "Wir sollten klar festlegen, dass es die Versorgung für die Altkanzler und auch ehemalige Bundespräsidenten nur geben kann, wenn man nicht noch von anderen Staaten Geld bekommt." Wüst greift damit eine breite Stimmung in der Bevölkerung auf. Einer Insa-Umfrage zufolge finden 75 Prozent aller Deutschen (und sogar 79 Prozent aller SPD-Wähler), dass Schröders Ruhegehalt gestrichen werden sollte, wenn er seine Spitzenjobs bei russischen Staatskonzernen nicht aufgibt. Sogar die Koalitionspartner der SPD wollen den Ehrensold streichen. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, macht sich dafür stark, "konkret darüber nachzudenken, Gerhard Schröder die Ausstattung eines Altbundeskanzlers zu entziehen". Der Ex-SPD-Chef schade dem Land, dem er dienen soll, und "lässt sich dafür bereitwillig von einem Autokraten mehr als gut bezahlen. Apanage vom deutschen Staat ist damit nicht vereinbar."
Die SPD schämt sich unterdessen für Gerhard Schröder. Der Altkanzler hat in der "New York Times" ein Interview gegeben und sich darin wie ein PR-Berater Putins präsentiert. Nun reicht es selbst den solidarischsten Genossen. Als unmittelbare Maßnahme empfiehlt Michelle Müntefering, die SPD solle "keinen Cent seiner Mitgliedsbeiträge mehr annehmen. Das ist schmutziges Geld". Müntefering ist Mitglied des SPD-Parteivorstands.
Mindestens 14 Parteiausschlussanträge gegen Gerhard Schröder
Mindestens 14 Parteiausschlussanträge liegen in der SPD-Zentrale vor. Sogar die Partei-Vorsitzende fordert Schröder in dramatischem Tonfall auf, aus der SPD auszutreten: "Wir sollten aufhören, ihn als Elder Statesman, als Altkanzler wahrzunehmen", sagt Saskia Esken. "Er verdient sein Geld mit der Arbeit für russische Staatsunternehmen, und seine Verteidigung Wladimir Putins gegen den Vorwurf der Kriegsverbrechen ist regelrecht absurd." Das Niederlegen seiner Mandate bei russischen Konzernen "wäre notwendig gewesen, um sein Ansehen als ehemaliger und einst erfolgreicher Kanzler zu retten. Und diesem Rat ist er leider nicht gefolgt." Im Willy-Brandt-Haus kursiert die Vokabel "Schande". Dass sich ein Altkanzler einem kriegsführenden Diktator derart andiene und dessen Verbrechen auf der Weltbühne verteidige, sei nicht nur würdelos, sondern skandalös.
Doch unter den Genossen wächst zugleich die Sorge, dass die Recherchen um die Geldgeschäfte Schröders noch andere finanzielle Verstrickungen aus der SPD nach Moskau offenbaren könnten.
Mit Manuela Schwesig steht bereits eine prominente SPD-Ministerpräsidentin und Hoffnungsträgerin wegen ihrer Nähe zu Gazprom im Feuer der Kritik. Über den SPD-Vorsitzenden und Ex-Außenminister Sigmar Gabriel hatte der "Tagesspiegel" berichtet, dass er zusammen mit dem Ex-SPD-Landesgeschäftsführer und Ex-Bundestagsabgeordnete Heino Wiese eine undurchsichtige Beraterfirma betrieben hat. Diese Geschichte erscheint nun im neuen Licht.
Der langjährige Schröder-Vertraute Heino Wiese war bis vor Kurzem russischer Honorarkonsul und galt als der "am besten verdrahtete Lobbyist in der Sozialdemokratie". Wiese half mithilfe russischer Beziehungen bei der Übernahme des ostdeutschen Gaskonzerns VNG durch den niedersächsischen Stromversorger EWE ebenso wie beim Einstieg des russischen Oligarchen Alexej Mordaschow beim deutschen TUI-Konzern.
Die SZ-Journalisten Markus Balser und Uwe Ritzer haben die Hintergründe der SPD-Russland-Connection von Heino Wiese und Gerhard Schröder in ihrem Buch "Lobbykratie - Wie die Wirtschaft sich Einfluss, Mehrheiten, Gesetze kauft" genau beschreiben. Dort berichten sie über "ein Gespräch und eine Warnung": "'Wenn Sie sich Wiese zum Feind machen, haben Sie einflussreiche Feinde', sagt der Parteiinsider. Auch in Russland. Vor allem, wer die Verbindungen Wieses nach Russland beleuchte, müsse fürchten, ins Visier des russischen Geheimdienstes zu geraten.
In der SPD würde sich wegen Wieses Draht in die SPD-Spitze auch kaum jemand trauen, dem Lobbyisten das Handwerk zu legen." Balser und Ritzer zitieren Wiese mit den Worten, er kenne die Gouverneure von 13 russischen Regionen persönlich, "und auch drei, vier Leute aus der Regierung in Moskau" kenne er ganz gut. "Wladimir Putin, den er immer wieder gemeinsam mit Kumpel Schröder treffe, schreibe er ab und an einen Brief. 'Da teile ich ihm unaufgefordert mit, was er besser machen könnte', sagt Wiese. Eine Antwort komme immer, auch schon mal direkt vom Kreml-Chef."
Quelle: ntv.de