Geplante Steuererleichterungen "Der große Wurf ist das nicht"
07.05.2015, 19:48 Uhr
In den kommenden Jahren sprudeln die Steuerquellen stärker als erwartet. Die prognostizierten Mehreinnahmen in Milliardenhöhe veranlassen die Bundesregierung, die lang versprochene Entschärfung der "Kalten Progression" anzugehen. "Überfällig" und zudem zu "zaghaft", meint die deutsche Presse.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sieht die SPD in der Pflicht und warnt gleichzeitig vor allzu großen Illusionen: "Schäuble reagiert spät, aber nicht zu spät: Die Entlastung soll schon zum Jahreswechsel in Kraft treten. Nun muss die SPD beweisen, dass es ihr mit den Steuersenkungsplänen ernst ist. (...) Den ersten Versuch Schäubles zur Entschärfung der kalten Progression hatten SPD und Grüne im Bundesrat blockiert. (...) Nach wie vor stehen viele Landesregierungen Steuersenkungen skeptisch gegenüber, weil die Zwänge der Schuldenbremse zunehmend spürbar werden. Doch selbst wenn die Hürde Bundesrat mit der Kraft zweier Volksparteien genommen werden könnte, sollte sich niemand großen Illusionen hingeben. (...) Die persönlichen Steuerschätzungen sind nicht groß zu korrigieren. Trotz der Ankündigung von Entlastungen steigt das verfügbare Einkommen längst nicht so stark wie das Steueraufkommen des Staates."
Auch die Zeitungsgruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung zeigt sich unbeeindruckt vom Ausmaß der geplanten Steuererleichterungen: "Zwar ist Schäuble angesichts der anhaltend hohen Mehreinnahmen inzwischen bereit, die kalte Progression schon Anfang 2016 zu entschärfen und nicht erst im Wahljahr 2017. So wie man ihn kennt, dürfte sich die Entlastung bei den meisten Beschäftigten jedoch auf einige wenige Euro im Monat beschränken. Der große Wurf ist das nicht, eher schon ein politischer Placebo. Ja, ein Anfang ist gemacht, das immerhin. Gemessen an dem, was bei Mehreinnahmen gut 38 Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren möglich wäre, agiert die Koalition aber immer noch ziemlich zaghaft."
Die Westfälischen Nachrichten betonen ebenfalls, dass keine wesentlichen Verbesserungen für die Steuerzahler zu erwarten seien. Dafür, so das Blatt, sei jedoch nicht die Bundesregierung verantwortlich: "'Entscheidend ist, was hinten rauskommt', hat Altkanzler Kohl einmal gesagt. Für die Steuerzahler dürfte die schwarz-rote Steuerreform ernüchternd ausfallen. Schuld trüge dann aber nicht die große Koalition, sondern die derzeit geringe Inflation. Denn dadurch entstehen die heimlichen Steuererhöhungen des Staates erst gar nicht."
Die Landeszeitung aus Lüneburg erhofft sich von den Mehreinnahmen des Bundes mehr als nur Steuererleichterungen: "Was lange versprochen war, macht die sprudelnde Steuerquelle endlich wahr. Schon 2013 stand der Abbau der kalten Progression im Wahlprogramm der CDU, wurde von Wolfgang Schäuble aber wieder kassiert. Die schwarze Null war dem obersten Kassenwart wichtiger als ein Mehr an Kaufkraft der Bürger. Dabei war es überfällig, die schiefe Statik im Steuergebäude zu begradigen. Es gäbe nun mehr zu korrigieren als Steuerungerechtigkeiten: So könnten die vollen Kassen Motivation erzeugen, mehr Verantwortung auch in der Euro-Krise zu übernehmen, deren Rendite in deutschen Kassen landet. Im Inland könnte eine Generalüberholung der gammelnden Infrastruktur auch Jobs schaffen für diejenigen, die auf dem Arbeitsmarkt bisher im Abseits standen."
Zusammengestellt von Aljoscha Ilg
Quelle: ntv.de