Pressestimmen

75 Jahre Überfall auf die UdSSR "Eigentlich waren die Wunden verheilt"

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(Foto: picture alliance / dpa)

Vor 75 Jahren überfällt Hitler-Deutschland die Sowjetunion: Millionen Menschen sterben an Hunger, Seuchen oder Erschöpfung. Anlässlich des Gedenktages zum Russland-Feldzug erinnert Deutschland an die Lehren aus den Kriegsverbrechen im 20. Jahrhundert. Kollektives Erinnern sei wichtig, meint die Presse, doch viele mahnen an, dass der Prozess der Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen sei.

Angesichts des Jahrestages des Überfalls auf die Sowjetunion erinnert die Frankfurter Allgemeine Zeitung an die Lehren aus dem Holocaust sowie dem Vernichtungskrieg in Osteuropa. Vor 75 Jahren seien die Fundamente menschlichen Zusammenlebens in einer Weise angegriffen worden, " dass es unter zivilisierten Menschen in der grundsätzlichen moralischen Bewertung eigentlich keine zwei Meinungen geben kann." Auch deutsche Politiker müssten das immer wieder zum Ausdruck bringen. Lobende Worte finden die Kommentatoren für die Reden anlässlich der Zeremonien: Die hätten gezeigt, "dass dieses Bewusstsein in allen demokratischen Parteien in Deutschland tief verankert ist."

Die Wetzlarer Neue Zeitung sieht den Prozess zur Aufarbeitung von Hitlers Russland-Feldzug noch nicht abgeschlossen. Das Blatt verweist an der Stelle auf Bundespräsident Gauck, der den Tod von drei Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen unter grausamsten Umständen in einer Art "Erinnerungsschatten" ansiedelt. Auch sprechen sich die Kommentatoren des Blattes dafür aus, "die durch Hunger, Erschöpfung und Seuchen ums Leben Gekommenen als Opfer des NS-Regimes anzuerkennen." Die Zeitung aus Wetzlar zieht schließlich noch eine Parallele zur jüngsten Debatte um die Armenien-Resolution im Bundestag. Das solle Ermutigung sein, "sich zur eigenen Schuld des barbarischen Vernichtungskriegs im Osten zu bekennen."

Nach Meinung der Frankfurter Rundschau wäre der Jahrestag ein guter Anlass gewesen, "das Verhältnis zu Moskau einer Generalinventur zu unterziehen". Die öffentlich geäußerten Worte sprächen allerdings eine andere Sprache: Da lasse sich wenig Bereitschaft erkennen, ebendiese Inventur in Angriff zu nehmen. Besonders kritisch sehen die Kommentatoren die Reaktionen der CDU auf Warnungen vor "Säbelrasseln und Kriegsgeheul" aus Moskau, wie sie Frank-Walter Steinmeier jüngst ausgesprochen hatte. Angesichts der Meinungsverschiedenheit mit dem CDU-Politiker Norbert Röttgen mahnt das Blatt aus Frankfurt schließlich, sich auf die Entspannungspolitik von Willy Brandt zu besinnen.

"Eigentlich waren die Wunden, (…) schon verheilt": So urteilt die Landeszeitung aus Lüneburg über den 75 Jahre zurückliegenden Überfall auf die Sowjetunion. Doch jüngst seien sie wieder aufgerissen. Schuld daran ist laut dem Blatt der russische Blick auf die Geschichte. "Putin nutzt die russische Geschichte als argumentativen Steinbruch, um Moskaus Sonderweg zu legitimieren", konstatiert die Landeszeitung. Dem Kreml wirft sie vor, noch immer im antifaschistischen Kampf zu stehen. Russlands Erzählung des Krieges löse in den Staaten Ost- und Mitteleuropas Erbitterung aus. "Sie lässt einen ideologischen Vorhang niedergehen und spaltet Europa", so das Fazit der Kommentatoren.

Zusammengestellt von Judith Günther

Quelle: ntv.de

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