Die Frauenquote kommt "Ein Kulturwandel sieht anders aus"
26.11.2014, 20:44 Uhr
Die Frauenquote kommt. Nach langem Ringen einigen sich die Spitzen von Union und SPD auf eine 30-Prozent-Quote für Aufsichtsräte von großen, börsennotierten Unternehmen. Familienministerin Manuela Schwesig spricht von einem "wichtigen Schritt für die Gleichberechtigung". Die Entscheidung sei zwar ein "gutes Signal" aber "erst der Anfang", konstatiert die deutsche Presse.
"Moderne Familienpolitik sollte Männern und Frauen ermöglichen, Kinder und Beruf unter einen Hut zu bringen - ohne dass die Familie deshalb ständigen Stresssituationen und Zerreißproben ausgesetzt ist", kommentiert die Frankenpost. Ermöglichen würde dies eine "Flexibilisierung der Arbeitszeiten". Maßnahmen wie das umstrittene Betreuungsgeld, würden hier die falschen Anreize setzen. Die Frauenquote hingegen sei "ein gutes Signal für Deutschland. Sie zeigt, dass unser Land auf dem Weg ist, den andere bereits erfolgreich vorausgegangen sind."
Das Handelsblatt wertet die geplante Frauenquote zwar als Schritt in die richtige Richtung, stellt allerdings deren Tragweite in Frage: "Unternehmen, die nun aufbegehren und sich bei der Gestaltung ihrer Aufsichtsräte bevormundet fühlen, dürfen aber beruhigt sein: Die geplante Frauenquote wird weder zu schnellen noch zu gravierenden Veränderungen führen. Sie gilt nur für 108 Unternehmen, nämlich jene, die börsennotiert und voll mitbestimmungspflichtig sind. Ein flächendeckender Kulturwandel sieht anders aus." Um eine wirkliche Gleichberechtigung in der Arbeitswelt zu erreichen, brauche es mehr als eine feste Quote in einigen Aufsichtsräten: "Ein wirklicher Wandel könnte erreicht werden, wenn die Frauenquote auf der mittleren und oberen Führungsebene eingeführt würde."
Auch der Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen geht das geplante Gesetz nicht weit genug: "Ob in hundert Unternehmen eine Frau mehr oder weniger im Aufsichtsrat sitzt, wird weder etwas an der Gleichstellung in der Arbeitswelt noch in der Gesellschaft ändern. Was hat die Bäckereifachverkäuferin davon, wenn in einem Dax-Unternehmen eine Dame mehr zum Diktat ruft? Das sind einander ferne Galaxien. Die Frauenquote lässt sich immerhin als gut gemeintes Symbol erklären. Als gute Absicht, die vielleicht einen Prozess einleitet, der die Situation von Frauen in der Wirtschaft tatsächlich verändert - hin zu gleichen Chancen, gleicher Bezahlung und besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es ist peinlich genug, dass solch Selbstverständlichem überhaupt eine gesetzlich verordnete Quote gegen den Widerstand von Arbeitgebern vorausgeschickt werden muss."
Die Frankfurter Rundschau bezeichnet die Frauenquote ebenfalls lediglich als ein Anstoß für weitere, nötige Veränderungen: "Zwar ist ein Anfang gemacht, aber das nimmt niemanden aus der Verantwortung. Eine Strukturveränderung muss her. Frauen qua gesetzlicher Vorgabe in die Vorstände zu bringen, darf nur eine Übergangslösung sein, bis auch in den verknöchertsten, patriarchalischen Führungsebenen der Unternehmen ein Bewusstseinswandel stattgefunden hat. Bis die männlichen Vorstände in allen Unternehmen und Behörden endlich aufhören, ihre Claims schützen zu wollen, und mit Platzhirsch-Gehabe ihre Angst vor Kontrollverlust verbergen. Das ist sicher nicht bei allen so, aber noch bei zu vielen. Und nicht jede Frau ist der bessere Chef. Aber viele sind genauso gut. Die Quote könnte den Männern helfen, das zu verstehen."
Nicht ganz verstanden hat das Unionsfraktionschefs Volker Kauder, bemerkt der Kölner Stadt-Anzeiger: "In vielen Aufsichtsräten, Firmenvorständen oder eben auch in der Regierungskoalition gibt es anscheinend Leute - meistens Männer -, die es gerne haben, wenn Frauen den Mund halten. CDU-Fraktionschef Volker Kauder gab ein beeindruckendes Beispiel für diese Haltung. Junge Frauen, die sich im normalen Leben bewegen, treffen nicht selten auf Männer wie Kauder. Dass Frauen heute noch solche Erfahrungen machen, ist traurig, aber ein starkes Argument für Schwesigs Quote. Denn eins ist deutlicher denn je: Es geht nicht um die Stärkung des weiblichen Geschlechts in der Wirtschaft, es geht um die Gleichberechtigung beider Geschlechter."
Zusammengestellt von Aljoscha Ilg.
Quelle: ntv.de