Anne Will kommt für Günther Jauch "Eine typisch öffentlich-rechtliche Lösung"
09.06.2015, 21:05 Uhr
Anne Will kehrt ins Sonntagabend-Programm des Ersten Deutschen Fernsehens zurück. Die ARD bestätigt, dass die 49-Jährige den ab 2016 frei werdenden Talkshow-Platz von Günther Jauch füllen wird. 2011 wurde Will noch genau von diesem begehrten und Quoten bringenden Sendeplatz nach dem Tatort verdrängt. Damals sorgte die Verpflichtung von RTL-Gesicht Jauch für Schlagzeilen und wurde zum persönlichen Coup des NDR-Intendanten Lutz Marmor. Die ehemalige Tagesthemen-Moderatorin Anne Will wurde mit ihrer Gesprächsrunde auf den Mittwochabend abgeschoben. Jetzt also die wenig überraschende Rückkehr. Obwohl Jauchs Sendung und seine Qualität als Polit-Talker häufig bemängelt wird, sprechen die Quoten für ihn. Daran wird sich auch Anne Will ab 2016 messen müssen. Die Presse ist von der Entscheidung hin und her gerissen.
Die Frankfurter Rundschau hält es für eine gute Idee, wenn Günther Jauch bei "Wer wird Millionär?" bleibt und Anne Will den Politik-Talk am Sonntagabend moderiert. Bei der Quizsendung sei Jauch besser aufgehoben, nach vier Jahren haben dies auch die Verantwortlichen gemerkt. Die ARD hätte das schon 2011 ahnen können, bevor sie "Anne Will vom besten Sendeplatz jagte und den Jauch vom Boulevard an ihre Stelle setzte." Dies hätte aber nicht ins Bild der Sendergruppe gepasst, denn "so schnell schießen die öffentlich-rechtlichen Preußen nicht, und irgendwie muss damals eine abstruse (...) Idee durch ihre Köpfe geschwirrt sein, etwa nach dem Motto: So ein menschelnder Onkel kann der Politik nicht schaden."
Anne Will zurück ins Boot zu holen, sei eine "typisch öffentlich-rechtliche Lösung" für das Sonntagabend-Problem der ARD, urteilt die Schwäbische Zeitung aus Ravensburg. Die Entscheidung sei "seriös, dem Proporz gehorchend und mit kalkulierbarem Risiko." Zudem wahre sie das wichtige Gleichgewicht der ARD. Typisch für die öffentlich-rechtlichen Sender sei aber auch, dass mit Anne Will die Langeweile zurückkehre. An ein komplett neues Format der Politik-Vermittlung habe sich die ARD hingegen nicht herangetraut. "Also erwarten uns weiter die immer gleichen Gäste, die rhetorisch gestählt ihre Argumente austauschen - das bietet wenig Platz für tiefere Einblicke und überraschende Erkenntnisse", stellt das Blatt etwas enttäuscht fest.
Die Entscheidung für Will stelle nicht jene "Talkshow-Demokratie" dar, die in den Debatten und Themen der Sendungen vorherrscht, schreibt die Nürnberger Zeitung. Moderatoren würden nicht vom Volk gewählt, sondern von "ein paar grauen ARD-Eminenzen". Diese greifen mit Anne Will auf Altbewährtes zurück. Alteingesessen sei aber auch die überschaubare Anzahl der immer wiederkehrenden Gäste, die von Talkrunde zu Talkrunde pendeln würden. "Nach welchen Kriterien die ewig gleichen Gesichter auf den Bildschirm geschoben werden, dürfte gleichfalls das Geheimnis der ARD-Eminenzen bleiben."
Besonders scharfe Worte findet der Nordkurier aus Neubrandenburg. "Wenn es noch eines Beweises bedurfte, wie rückwärtsgewandt, wie altbacken, wie risikolos, wie langweilig, wie vorhersehbar, wie wenig überraschend das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland funktioniert, bekommt ihn nun geliefert", urteilt die Zeitung. Das Wiedereinsetzen Anne Wills sei ein Rückschritt in die Jahre 2007-2011 und beweise, dass es in der ARD keine frischen Gesichter gäbe, die sich vor die Kamera drängen. Doch es gäbe auch einen Vorteil: "Nach Reinhold Beckmanns Abgang und Günther Jauchs Ende, erledigt sich die Schwemme der ewigen Palaverrunden von ganz allein."
Zusammengestellt von Katja Belousova
Quelle: ntv.de