Pressestimmen

Tagelanger Streik der Lokführer "GDL ist auf Amokfahrt"

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Schon wieder ein neuer Streik der Lokführer - diesmal soll er vier Tage lang dauern. Es ist ein Horrorszenario für Pendler und Fernreisende, die Schäden von Bahn und Industrie gehen in die Millionen. Trotzdem scheint eine Annäherung von GDL und Bahn in weite Ferne zu rücken. Das liege vor allem an der fehlenden Kompromissbereitschaft der GDL, meint die deutsche Tagespresse. Die Zeitungen nehmen besonders Gewerkschaftschef Weselsky ins Visier.

Die Berliner Zeitung schreibt, "es geht nicht allein um ein paar Tausend Lokführer und einen machthungrigen Gewerkschaftschef. Mache die GDL-Taktik Schule, würde innerhalb der Gewerkschaften ein Wettbewerb um die härteste Gangart und militanteste Wortwahl, um unerschütterliche Verhandlungspositionen und die vermeintlich besten Ergebnisse ausbrechen." Die Verlässlichkeit der deutschen Gewerkschaften wäre wohl dahin, mit am Ende bösen Folgen für die Arbeitnehmer. Insgesamt gerieten so das erfolgreiche deutsche Modell der Sozialpartnerschaft und Flächentarifverträge in Gefahr. Konfrontation träte an die Stelle des Kompromisses, schreibt das Blatt.

Die Süddeutsche Zeitung aus München sieht vor allem den GDL-Chef im Zentrum der Kritik. "Selbstverständlich hat die GDL das Recht, für alle ihre Mitglieder Tarifgespräche zu führen", schreibt die Zeitung. Anders als Weselsky es darstelle, spreche die Bahn ihr das auch gar nicht ab. "Alles, was sie fordert, ist ein bisschen guter Wille zur Kooperation - von der GDL genauso wie von der EVG." Wem wäre auch damit gedient, wenn im Betrieb Zwietracht herrsche, weil die einen Kollegen längere Schichten hätten als andere, die anderen dafür aber kürzere Wochenenden? "Ein gutes Ziel, um dafür tagelang zu streiken, ist das jedenfalls nicht", urteilt der Kommentator.

Auch der Tagesspiegel aus Berlin kritisiert das Vorgehen der GDL: Mit seinem Crashkurs ohne Rücksicht auf Verluste richte Claus Weselsky immer größeren Schaden an, meint die Zeitung. "Die GDL will Stärke beweisen und so den Zugbegleitern und anderen Bahn-Beschäftigten zeigen, dass sie bei der Lokführergewerkschaft besser aufgehoben wären als bei der Konkurrenztruppe EVG." Die Tarifforderungen nach mehr Geld, die auch noch im Raum stehen würden, laufen verglichen mit dem Kampf um Macht und Einfluss unter ferner liefen, sie würden der Gewerkschaft nur das rechtliche Alibi für den Streik bieten. "Doch das ist riskant", meint das Blatt. "Denn das Streikrecht ist ein hohes Gut. Es ist verfassungsrechtlich geschützt und soll Waffengleichheit zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern garantieren." Es setze aber auch Augenmaß voraus. Streiks, damit sich kleine Gewerkschaften endlich mal groß fühlen, gehöre nicht dazu.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung spricht noch einen weiteren Punkt an: "Als Angestellte eines Staatskonzerns handeln die Lokführer leider aus einer Position besonderer Stärke, die sie offensichtlich zu besonderer Rücksichtslosigkeit ermutigt." Welche Folgen der Streik in anderen Unternehmen im Lande anrichte, weil Produktionsabläufe gestört werden, sei den Lokführern herzlich egal, meint die Zeitung. "Dafür kostet jeder weitere Streiktag die Lokführer öffentliche Sympathien, zumal sie bisher nicht den Anschein erwecken, sich ernsthaft um einen Kompromiss zu bemühen." Und je länger der Stillstand währt, desto größer werde der politische Rückhalt werden für Nahles' Gesetz, das solche Eskalationen zu verhindern sucht, kommentiert das Blatt. "Gut möglich, dass sich die Lokführer diesmal völlig verkalkuliert haben - und am Ende mit leeren Händen dastehen. Wollen sie dieses Risiko wirklich eingehen?"

"An einem Kompromiss scheint Weselsky gar nicht interessiert zu sein", schreibt die Augsburger Allgemeine. Es gehe ihm offensichtlich allein darum, sein Geltungsbedürfnis zu befriedigen und als alleiniger Sieger aus dem Rennen zu gehen. "Mit dieser Taktik aber fährt der GDL-Chef letztlich aufs Abstellgleis. Denn er verspielt nicht nur das Verständnis der Bahnkunden. Er schadet vor allem den Lokführern", konstatiert die Zeitung.

Auch das Hamburger Abendblatt sieht Gewerkschaftschef Weselsky auf den Weg in die Konfrontation. "Die GDL ist auf Amokfahrt." In diesem Tarifkonflikt, der in Wahrheit ein Machtkampf sei, nun vier Tage die Arbeit niederzulegen, zeuge von grandioser Selbstüberschätzung und minimalem Geschick zugleich. Der Kommentator ist sich sicher: "Weselsky verspielt alle Sympathien - und wohl jede Chance auf einen Sieg."

Zusammengestellt von Hanna Landmann

Quelle: ntv.de

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