Neuregelung der Sterbehilfe Gesetz nimmt Mediziner "an die Kandare"
06.11.2015, 20:55 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Nach einer emotional geführten Debatte verabschiedet der Bundestag eine Neuregelung der Sterbehilfe. Vereine oder Einzelpersonen dürfen künftig keine Beihilfe zum Suizid als Dienstleistung anbieten. Die Regelung gilt als umstritten, da sie die Arbeit von Palliativ- und Schmerzmedizinern erschwert. Auch in der Presse stößt die Neuerung auf eine gemischte Resonanz.
Die Eßlinger Zeitung befürwortet das neue Gesetz: "Als Anwalt des Lebens und zugleich als Hüter des Grundrechts auf freie Persönlichkeitsentfaltung tritt sich der Staat verfassungsrechtlich hier gewissermaßen selbst gegenüber. Bei der Güterabwägung von Freiheit und Leben aber hat er im Zweifelsfall die Option für das Leben zu wählen - an dessen Beginn wie an dessen Ende. Dafür setzt das nun vom Bundestag beschlossene Verbot gewerbsmäßiger Sterbehilfe einen soliden rechtlichen Rahmen."
Kritischer äußert sich die Stuttgarter Zeitung: "Der Bundestag hat ein Gesetz verabschiedet, das juristisch auf wackeligen Beinen steht. Es zielt nicht nur auf das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe, sondern bedroht zugleich mit Strafe jede Form der mehr als einmaligen Hilfe zur Selbsttötung. Gut gemeint ist hier eindeutig nicht gleichbedeutend mit gut gemacht. Denn das Gesetz nimmt auch Palliativmediziner oder Hausärzte, deren Kunst es viele Patienten verdanken, dass sie relativ schmerzfrei, umsorgt und begleitet die Welt verlassen können, an die Kandare.
Angesichts der Frage, ob eine Neuregelung der Sterbehilfe überhaupt nötig gewesen ist, kommentiert die Berliner Zeitung: "Wahrscheinlich liegt es in der Logik der Politik, dass sie die Züge nicht mehr stoppt, die sie selbst auf die Schienen gesetzt hat. Für diese Annahme spricht, dass der aussichtsreichste der fünf Anträge überraschend schnell eine Mehrheit fand. Wir tun was - aber weder zu viel (Totalverbot) noch zu wenig (Komplettfreigabe). Das ist die Botschaft. Einfach alles beim Alten zu belassen, hätte demgegenüber nach einem peinlichen Selbstdementi der Parlamentarier ausgesehen, die zuvor Handlungsbedarf geltend gemacht und Klarheit verlangt hatten."
"Mit dem Aus für Sterbehilfe-Organisationen sendet der Bundestag ein klares Signal: Es darf kein Geschäft mit dem Tod geben", kommentiert die Neue Osnabrücker Zeitung und befindet: "Das ist gut so, weil das Ende des Lebens keine Frage des Geldes oder des Geldverdienens sein sollte." Entscheidend werde nun sein, so das Blatt weiter, den Vorwurf, Ärzte würden durch das Gesetz kriminalisiert, auszuräumen: "Wichtig ist vor allem, dass Ärzte, die Todkranke auf dem letzten Weg begleiten, frei von Sanktionen bleiben, auch wenn sie wiederholt Suizidbeihilfe leisten. Nur so wird es gelingen, unseriösen Geschäftemachern das Handwerk zu legen." Man könne die Begleitung des Sterbeprozesses nicht bis ins letzte Detail gesetzlich regeln, bemerkt die Zeitung abschließend: "Viel wäre schon gewonnen, wenn der Wille Sterbender immer ernst genommen wird, etwa, wenn er lebensverlängernde Maßnahmen klar abgelehnt hat."
Quelle: ntv.de