Pressestimmen

Thema Flucht prägt Afrikareise "Merkel ist Getriebene der Flüchtlingskrise"

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Kanzlerin Merkel hat auf ihrer Afrikareise Mali, Niger und Äthiopien besucht. Immer wieder bringt sie die Gespräche mit den Staatschefs auf die weltweite Flüchtlingskrise und deren Ursachen – die Tagespresse lobt es verhalten und regt große Veränderungen an. Eine Auswahl:

Angela Merkel in Äthiopien

Angela Merkel in Äthiopien

(Foto: picture alliance / dpa)

Der "Münchner Merkur" lobt die Mühen Merkels mit Vorbehalt und fordert eine drastische Veränderung der Rettungspolitik: "In Afrika bemüht sich Angela Merkel, die Ursachen der Massenmigration nach Europa anzugehen und neue Signale zu senden, die Menschen vor der Flucht aus ihrer Heimat abhalten sollen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Viel Zeit wurde schon vertan. Allein mit dem freundlichen Gesicht, das die Kanzlerin so gern der Welt zeigt, wird es nicht gehen. 'Wir müssen entscheiden, wer nach Europa kommt, nicht die Schlepperorganisationen', verlangt der österreichische Kanzler. Solange die Rettungspolitik im 'mare nostrum' so läuft, dass die aus dem Mittelmeer gefischten Afrika-Flüchtlinge nicht zurück in die Herkunftsländer gebracht werden, sondern auf direktem Weg nach Europa, können sich die Schlepper die Hände reiben."

Der "Wiesbadener Kurier" hingegen konzentriert sich auf das Thema der wirtschaftlichen Beziehung zu Ländern auf dem afrikanischen Kontinent und mahnt: "Viel zu lange hat der Westen das diplomatische Feld den Chinesen überlassen, die mit Krediten, Waffenlieferungen und Industrie-Knowhow ein wichtiger strategischer Faktor auf diesem Kontinent sind. Es gehört zu den Spezialitäten von Kanzlerin Angela Merkel, mit Gipfeltreffen wenigstens symbolisch eine Wende zum Guten einzuläuten. Eine Afrika-Konferenz in Berlin wird nichts verderben; müsste aber von vielen bilateralen Abkommen und Verabredungen begleitet sein. Wichtig ist dabei die Augenhöhe mit den afrikanischen Partnern."

Das "Mindener Tageblatt" schlägt eine thematische Brücke zwischen Wirtschaft und Flucht und nennt konkrete Handlungsfelder: "Entwicklungshilfe (später politisch korrekter klingend in Entwicklungszusammenarbeit umbenannt) galt lange als ein Nischenthema für Dauerbetroffene mit Helfersyndrom. Das hat sich radikal geändert. Heute steht die deutsche Hilfe unter dem Leitmotiv: 'Gehst du nicht zur Krise, kommt die Krise zu dir.' Die Reisediplomatie deutscher Spitzenpolitiker kann da nur der Anfang sein. Sicher benötigen grundlegende Veränderungen für eine sichere Ernährung, Bildung und wirtschaftliche Chancen einen langen Atem. Der Kampf gegen Schlepper oder die Schaffung zusätzlicher Jobs für vor allem junge Afrikaner sollte aber schneller möglich sein, damit sie sehen, dass es aufwärts geht und ihre Heimat ihnen eine Perspektive bietet."

Auch die "Freie Presse" aus Chemnitz sieht wirtschaftliche Entwicklung als zentrales Instrument der Fluchtverhinderung. Da habe Europa einiges versäumt und eine historisches Belastung: "Auch Merkel weiß, dass das beste Rezept gegen Flucht und Terrorgefahr eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in den Ursprungsländern ist. Nur mit Reden, Arbeitsgruppen und großen Konferenzen allein ist es nicht getan. Die europäische Afrikapolitik läuft seit Jahrzehnten in die falsche Richtung. Der alleinige und egoistische Fokus auf die Rohstoffe des Kontinents und die europäische Arroganz haben dazu geführt, dass etwa in Nordafrika der Islamismus längst Fuß gefasst hat. Manche sagen sogar, diese Region ist für Europa verloren. Die Menschen in Afrika werden sich nicht damit abfinden, auf Dauer benachteiligt zu sein. Die jungen Afrikaner müssen schnell zumindest die Hoffnung auf eine bessere Zukunft bekommen. Afrika muss zu einem Kernthema europäischer Außenpolitik werden. Das ist eine historische Aufgabe, die Europa viel zu lange vernachlässigt hat."

Die "Nürnberger Nachrichten" sehen ebenfalls die Zeit für einen Richtungswechsel in der europäischen Afrika-Politik gekommen. Klassische Entwicklungspolitik helfe nicht mehr weiter: "Merkel ist natürlich nicht uneigennützig von Mali nach Niger und Äthiopien getourt. Sie ist eine Getriebene der Flüchtlingskrise in Europa. Wenigstens in dieser Hinsicht hat die Krise eine positive Auswirkung: Afrika, dieser lange Zeit vergessene Kontinent, gerät endlich wieder in den Fokus. Es darf künftig nicht mehr nur darum gehen, Geld zu spenden und ein paar Nahrungsmittel-Lieferungen abzuwerfen. Die Industriestaaten müssen sich stärker für politische Konfliktlösungen in Afrika engagieren."

Zusammengestellt von Anne Pollmann

Quelle: ntv.de

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