Pressestimmen

Unruhen in Baltimore "Nicht besser als eine Horde des Ku-Klux-Klans"

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Baltimore befindet sich im Ausnahmezustand. Die zunächst friedlichen Proteste nach dem Tod eines jungen Schwarzen in Polizeigewahrsam schlagen in offene Gewalt um. Steine fliegen, Läden werden geplündert, ganze Straßenzüge in Brand gesetzt. Der Gouverneur ruft den Notstand aus und lässt die Nationalgarde anrücken. Es ist ein nur allzu vertrautes Bild in letzter Zeit, über das die deutsche Presse diskutiert.

Die Neue Westfälische resümiert: "In Baltimore sind die Spannungen nach dem tödlichen Polizeieinsatz gegen den jungen Afroamerikaner Freddy Gray mit einer Wucht eskaliert, die man seit den Unruhen von Los Angeles 1992 nicht mehr gesehen hat. Aber Gray ist nur der Auslöser dieses blindwütigen Aufschreis. Was sich in Baltimore entlädt, ist die Frustration und Perspektivlosigkeit einer ganzen Generation, die von Kindesbeinen an lernen musste, nicht gebraucht und nicht gewollt zu werden." Die Ausschreitungen werden als "Auflösung der öffentlichen Ordnung" betrachtet und ein düsteres Zukunftsbild gezeichnet: "Die Obrigkeit reagiert - wie immer hilflos - mit dem Standardrepertoire: Ausnahmezustand, Ausgangssperren, Nationalgarde, Moralpredigten. Produziert wird damit trügerische Ruhe. Bestenfalls. Bis zum nächsten Freddy Gray. Und das Fatale daran ist: Alle wissen es."

Ein Schuldiger wird hingegen beim Kölner Stadt-Anzeiger gesucht - hier prangert man vor allem das Versagen des US-Präsidenten Barack Obama an: "Sind Polizisten, die so häufig unverhältnismäßig handeln, womöglich falsch ausgebildet? Warum besteht die Polizei selbst in Städten, in denen vor allem Schwarze leben, oft mehrheitlich aus Weißen? Was bedeutet es für eine Gesellschaft, wenn Kinder aus armen Stadtvierteln von vornherein gigantisch schlechtere Bildungschancen haben als andere? Der Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt kann nur gebrochen werden, wenn sich das Land den drängenden Fragen offensiv stellt. Nur: Wer soll diesen Prozess anschieben, wenn selbst Barack Obama, der erste schwarze US-Präsident, es unzureichend getan hat?"

"Ohne echte Reformen wird der brüchige Zustand aber nicht lange halten, hinter dem aktuellen Frust steckt auch eine breite Enttäuschung über die wirtschaftliche Benachteiligung der afroamerikanischen Bevölkerung. Gegen diesen Missstand hat Präsident Barack Obama trotz der anderslautenden Wahlversprechen bislang nicht viel getan", schreibt auch der Mannheimer Morgen, sieht jedoch einen Lichtblick: "Die größte Hoffnung kommt dieser Tage aus der Schwarzengemeinschaft, die sich zum überwältigenden Teil für Gewaltlosigkeit ausspricht."

Barack Obama steht auch im Mittelpunkt der Berichterstattung des Reutlinger General-Anzeigers. Hier orakelt man düster, dass der "soziale Frieden" ohne den "Kampf gegen die Armut" keine Chance habe, denn "auch wenn der amtierende Präsident schwarz ist: In der Frage der Aussöhnung zwischen Schwarzen und Weißen hat Barack Obama versagt. Es ist ihm nicht gelungen, ein Klima zu schaffen, das dem alltäglichen Rassismus etwas entgegensetzt. Und dabei geht es nicht nur um mangelnde Chancengleichheit, sondern um Leben und Tod: Einem US-Medienbericht zufolge werden pro Jahr knapp 100 Schwarze von weißen Polizisten getötet - deutlich mehr als es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht."

Die Seite der randalierenden Demonstranten analysiert hingegen Die Welt: "Ungesühnte Polizeibrutalität, die junge Schwarze das Leben kostet, wird vermeintlich gerächt von einem brandschatzenden Prekariat. Dass der Anlass gleichgültig ist, zeigt die rassistische Brutalität, mit der Gangmitglieder die Gewalt gegen Geschäfte arabischer und chinesischer Inhaber zu richten versuchten. Sie waren nicht besser als ein Horde des Ku-Klux-Klans. Die Bürgerrechtsbewegung erscheint den verrohten Söhnen und Enkeln als gescheiterte Beschwichtigung. Aus ihrer gefühlten Chancenlosigkeit ziehen die Jungen das Recht auf Notwehr."

Zusammengestellt von Annika Thöt

Quelle: ntv.de

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