Merkel und die AfD "Sie ist keine Erklär-Kanzlerin"
03.05.2016, 21:19 Uhr
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Wenn Merkel ankündigt, verstärkt auf "konservative Wähler rechts der Mitte" zuzugehen, ist das Wort vom Kurswechsel nicht weit. Doch nicht nur die Kanzlerin, sondern auch viele Zeitungen relativieren die Aussage.
Wenn die Kanzlerin ankündigt, verstärkt auf "konservative Wähler rechts der Mitte" zuzugehen, ist das Wort vom Kurswechsel nicht weit. Doch Merkel selbst dementiert einen Strategiewechsel im Umgang mit der AfD. Auch viele Zeitungen relativieren die Aussage dahingehend, dass es sich keineswegs um einen Kurswechsel handeln würde. Andere Kommentatoren glauben, dass ihre Haltung sich schon bei der Flüchtlingspolitik ihrer Partei ausgezahlt habe.
Für die Westfälische Zeitung hat die Kanzlerin mit ihrer Erklärung ein Eigentor geschossen: "Wenn Angela Merkel inhaltlich (…) nichts Neues anzubieten gedenkt, (…) dann schreibt sie ausgerechnet ihre größte Schwäche ins Konzept". Zwar helfe die Schwäche der SPD der Kanzlerin, "im AfD-Konflikt aber nutzt ihr das aktuell gar nichts". Die Kanzlerin sei eben, schreibt die Zeitung, keine "Erklär-Kanzlerin" und "diktiere lieber das Primat der 'Alternativlosigkeit' ihrer Politik."
Die Ludwigsburger Kreiszeitung glaubt, dass die Kanzlerin mit ihrer Strategie Erfolg haben wird: "Es entspricht schlichtweg nicht Merkels Stil, nun das Ruder unter dem Eindruck des Erfolgs der rechtspopulistischen AfD wieder herumzureißen." Auch in der Flüchtlingskrise habe sie sich nicht beirren lassen, sondern dem Druck standgehalten. Das habe sich im Nachhinein bewährt: "Mittlerweile ist die Zahl der Neuankömmlinge deutlich gesunken. Womit auch die selbst ernannte Alternative vorerst eines ihrer wichtigsten Themen verloren hat". Die Kommentatoren stellen fest: "Es wäre schon bizarr, wenn Merkel (…) nach dem Anti-Islam-Parteitag der AfD kalte Füße bekäme." Auch von Umfragen ließe sie sich normalerweise nicht beirren, schreibt die Zeitung aus Ludwigsburg.
Die Frankfurter Rundschau sieht in den Aussagen Merkels sowohl positives als auch negatives. "Es wird keinen Kurswechsel geben" sei, so die Zeitung, "die gute, (…) allerdings auch die schlechte Nachricht". Laut Frankfurter Rundschau ist die Haltung der Kanzlerin nach wie vor zu zögerlich. "Kein weiterer Rechtsschwenk - das darf als ein Minimum an guter Nachricht gewertet werden." Eine echte Wende werde es unter der CDU-Chefin aber nicht geben, schreiben die Kommentatoren. Auch den Umgang Merkels mit der AfD sieht das Frankfurter Blatt kritisch: "Den Angstpolitikern der AfD durch eine bessere Sicherung von Lebenschancen für alle das Wasser abzugraben, hat sie auch jetzt nicht angekündigt." Eine sinnvolle "Alternative für Deutschland" sieht das Blatt ausschließlich links von der Kanzlerin - dort gebe es allerdings nach wie vor Platz.
Der Münchner Merkur relativiert den sogenannten "Kurswechsel" der Kanzlerin: "Einen Kurswechsel verkündet man nicht. Man macht ihn einfach." Das, so die Zeitung, sei ein Balance-Akt: Er müsse so auffällig sein, dass die Bürger die Richtungsänderung spürten und gleichzeitig so diskret sein, dass das eigene Gesicht gewahrt bliebe. Und: "Angela Merkel ist längst dabei." Die Kommentatoren ziehen als Beweis Aussagen der CDU-Vorsitzenden zu ihrer Flüchtlingspolitik heran. Sie spreche nicht mehr vom "humanitären Imperativ", sondern davon, "dass Deutschland bei den Abschiebungen 'besser werden muss'". Merkels Schlüssel zur Kanzlerkandidatur 2017 bricht das Blatt aus München auf einen Satz herunter: "'Mehr CSU wagen' könnte Merkels Antwort auf den Liebesentzug durch ihre Wähler und das Erstarken der AfD sein".
Zusammengestellt von Judith Günther
Quelle: ntv.de