Bundeswehr im Umbruch "Welt ist wieder im Prozess des Wettrüstens"
10.05.2016, 21:11 Uhr
"Der Geist der Zeit verlangt Aufrüstung."
(Foto: dpa)
Seit Jahrzehnten wird Personal in der Bundeswehr abgebaut. Dabei mehren sich die Einsätze der Soldaten. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will nun wieder aufstocken - dafür benötigt die CDU-Politikerin allerdings einen wesentlich höheren Etat. Zudem ringt sie mit den Entscheidungen ihrer Vorgänger. Die deutsche Presse diskutiert von der Leyens Konzept kontrovers.
"Der Geist der Zeit verlangt Aufrüstung", schreibt die Berliner Zeitung. Die Russen folgten ihm, die Chinesen und auch die Nato. Die Trendwende, die Ursula von der Leyen nun mit Blick auf die Mannschaftsstärke der Bundeswehr verkündet hat, sei also nur ein Element im Rahmen der großangelegten Neuausrichtung der internationalen Verteidigungspolitik. "Sicher waren die Dimensionen zu Zeiten des Kalten Krieges erheblich größer. Aber es lässt sich nicht leugnen: Die Welt ist wieder in einem Prozess des Wettrüstens begriffen."
Seit Jahren betreibe der Bund dem Münchner Merkur zufolge Missmanagement mit seiner Armee. "Aus dem Sündenregister: Mies verhandelte Verträge mit schludernden Rüstungsfirmen untergraben die Einsatzfähigkeit. Das Aus für die Wehrpflicht, die irrtümlich für unmodern gehalten wurde, schadet der Verankerung der Armee in der Gesellschaft und vor allem ihrer Nachwuchsgewinnung. Sparrunden schnitten an den falschen Stellen ein. Zuletzt missverstand die amtierende Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nach Amtsantritt zunächst die ihr anvertraute Bundeswehr als eine Mischung aus Kita oder Lehrbetrieb in gefleckten Uniformen." Sie habe dazugelernt, das sei anzuerkennen, so das Blatt. Für von der Leyen spreche immerhin die Energie, mit der sie nun die Fehler von sich und Vorgängern wie de Maizière und Guttenberg zurückzudrehen beginne.
Die Leipziger Volkszeitung meint, 14.000 zusätzliche Soldaten seien gemessen an den Aufgaben, die die Bundeswehr habe und womöglich noch übernehmen solle, kümmerlich. "Deutschland müsse seiner Verantwortung in der Welt gerecht werden, verkündete von der Leyen kurz nach Amtsantritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Seitdem hat sie die Bundeswehr in den Irak und nach Mali geschickt und sie als Flüchtlingshelfer im Inland eingesetzt." Außerdem stelle die Bundeswehr einen wesentlichen Teil der schnellen Eingreiftruppe, die die Nato an ihren östlichen Außengrenzen schützen solle. "Hinzu kommen Planspiele für Bundeswehreinsätze im Kampf gegen den Terror. 'Es ist absehbar, dass die Anforderungen an uns weiter wachsen', schreibt von der Leyen im aktuellen Tagesbefehl. Mit 14.000 zusätzlichen Soldaten wird so viel mehr kaum zu machen sein."
"Dass die Bundeswehr wegkommen muss von dem Prozess des permanenten Schrumpfens, wie Ursula von der Leyen ihre Offensive begründet, ist ernsthaft nicht länger zu leugnen", kommentiert die Berliner Morgenpost. Zu offensichtlich sei die personelle Überforderung angesichts von mittlerweile 16 Auslandseinsätzen, der Vielzahl maroder Kasernen, des nur noch bedingt einsatzfähigen Waffenarsenals und der veränderten Bedrohungslage. Das Bedrohungsgefühl vieler Menschen auch in Deutschland sei der Zeitung zufolge gestiegen. "Damit einher geht eine wachsende Akzeptanz, wieder mehr Geld in Sicherheit und Verteidigung zu investieren. Wer auf dieses seit 1990/91 grundlegend veränderte weltpolitische Szenario nicht auch sicherheitspolitisch einschließlich einer militärischen Komponente reagiert, wird dem zentralen Auftrag jeder Regierung, ihre Bürger zu schützen, nicht gerecht."
Die Neue Osnabrücker Zeitung widerspricht den Kollegen: "Wegducken und die Dinge laufen lassen - zu Ursula von der Leyen passt das nicht. Zug um Zug räumt die Verteidigungsministerin auf. Sie krempelte die Bundeswehr zu einem attraktiveren Arbeitgeber um, Kitas eingeschlossen. Der Spott über die 'Mutter der Kompanie' ist Respekt gewichen. Mit der Aufstockung der Truppe versucht die streitbare Ministerin jetzt die Trendwende beim Personalbestand." Erstmals seit einem Vierteljahrhundert werde wieder aufgerüstet. 7000 neue Stellen bei der Truppe seien ein vergleichsweise kleiner Schritt, schreibt das Blatt. "Aber schon der könnte die Ministerin in große Probleme stürzen. Sie muss dem Finanzminister das Geld abtrotzen und im Kampf um Arbeitskräfte besser werden. Von der Leyen hat eine Trendwende mit Hindernissen zu bewältigen."
Zusammengestellt von Lisa Schwesig
Quelle: ntv.de