Verdienstaussicht eher schlecht Apotheker-Beruf hat Makel
29.03.2011, 12:14 UhrPharmaziestudenten haben blendende Aussichten auf sichere Jobs. Doch der einstige Traumberuf mit hohem Sozialprestige hat längst auch Schattenseiten: Der Großteil der Branche verdient vergleichsweise wenig - und selbst die eigene Apotheke ist kein Selbstläufer mehr.
Auf den ersten Blick ist die Perspektive traumhaft: Ein Arbeitsmarkt mit Vollbeschäftigung, auf lange Sicht eher wenig Nachwuchs und obendrauf noch eine Rentenwelle. So rosig schaut es für angehende Apotheker aus. Doch auf den zweiten Blick erscheint der elitäre Beruf - einst mit Arzt, Richter, Lehrer und Pfarrer geachtet und hofiert - in einem ganz anderen Licht. Das Gehalt angestellter Apotheker ist im Vergleich zu anderen Berufen mit ähnlich aufwendigem Studium enttäuschend. Die Zeiten für eine eigene Apotheke waren lange nicht so schlecht. Und auf dem Land droht schon das Apothekensterben.
Laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) gibt es deutschlandweit 58.000 Apotheker. Gut 12.000 junge Menschen studieren aktuell Pharmazie. Fast alle, so die Erfahrung, werden in den gut 20.000 öffentlichen Apotheken unterkommen - dort arbeitet mit knapp 50.000 Apothekern der Großteil der Branche, nur wenige Tausend haben Jobs in Krankenhausapotheken, Industrie, Unis oder Verwaltungen.
Apotheker überaltert
Und die rund 50.000 Apotheker in Deutschland sind überaltert: Bis 2020 wird etwa jeder dritte Apothekeninhaber im Rentenalter sein. Werden die angestellten Apotheker mit berechnet, geht laut ABDA in den nächsten zehn Jahren jeder Fünfte in Rente. Der Verband wirbt mit Sprüchen wie "Gesunder Beruf - gesunde Zukunft" um Abiturienten. Denn der Arbeitsagentur zufolge waren 2009 im Schnitt deutschlandweit nur 550 Apotheker arbeitslos. Auch die Zahl der 12.000 Studierenden wird sich absehbar nicht erhöhen, weil die Laborplätze begrenzt sind.
Doch die Wahl sollte wohl überlegt sein: Für einen garantierten Studienstart wird je nach Bundesland eine Abinote zwischen 1,1 und 1,5 benötigt. Das Studium an den 22 Unis und die Staatsexamina gelten als überaus hart. Apotheker sind absolute akademische Elite - und dann gibt es im ersten Berufsjahr gerade einmal 3088 Euro brutto. Im elften Berufsjahr ist die höchste Tarifstufe erreicht: 3745 Euro. Zum Vergleich: Ein unter-30-jähriger Arzt bekommt als Angestellter in einem kommunalen Krankenhaus mehr als 4000 Euro brutto, wie das Statistische Bundesamt errechnet hat. Mit Mitte 40 sind es schon 7300 Euro - ein angestellter Apotheker hat da nur die Hälfte. Er verdient mit Mitte 40 nur 1000 Euro brutto mehr als ein Lokführer.
Pharmabranche ist weiblich
Die Apothekengewerkschaft Adexa sagt, der "Verteilungsspielraum" bei den Gehaltssteigerungen sei die vergangenen Jahre "sehr gering gewesen" - eine Aussage wie von Arbeitgeberseite. In Apotheken als "frauendominierten Berufszweigen" werden laut Adexa "generell niedrigere Gehälter gezahlt als in männerdominierten Branchen". Und die Pharmabranche ist sehr weiblich: Etwa 70 Prozent sind Frauen.
Was außer Geld macht den Beruf also attraktiv? "Arbeitsplätze in der Apotheke sind familienfreundlich, wohnortnah und Teilzeitarbeit ist relativ leicht umsetzbar", sagt ABDA-Sprecherin Ursula Sellerberg. Die Gewerkschaft Adexa betont, Filialleiter würden über Tarif bezahlt - dann aber wird die 40-Stunden-Woche in aller Regel klar überschritten, der Gehaltsvorteil ist also relativ. Auch die Öffnungszeiten der Apotheken sind so familienfreundlich nicht.
Bleibt das Modell eigene Apotheke - doch auch das wird zunehmend zum Wagnis: "Unsere Berufsaussichten sind heute eher gemischt", sagt ein junger Apotheker aus dem niedersächsischen Emsland. Nach einiger Zeit als Angestellter wagte er vor kurzem die Selbstständigkeit und kaufte eine ältere Apotheke. Die Kosten hätten in der Größenordnung einer Eigentumswohnung gelegen. Sein Vater hat im selben Ort seit Jahren eine Apotheke und später soll der Sohn beide weiterführen.
Schließungen absehbar
"Ich habe die Hoffnung, dass das klappt", meint er. "Aber nur, wenn die Ärztedichte hier so bleibt." Denn Arztrezepte machten knapp drei Viertel seines Umsatzes aus. "Das ist ein üblicher Schnitt in ländlichen Regionen", sagt der junge Apothekenbesitzer. "Ich mache das hier vor allem, weil ich diesen Job immer wollte, weil der Ort aus privaten Gründen stimmt und weil es mit Hilfe meines Vaters eine Perspektive gibt." Beide teilen sich Personal und kaufen gemeinsam ein. "Alleine hätte ich das nie gewagt, nicht in diesen Zeiten."
In Niedersachsen ist jeder vierte Apothekenleiter 60 Jahre oder älter. Mehr Schließungen seien daher absehbar, sagt die Sprecherin der Apothekerkammer, Anja Hugenberg. Die "starken wirtschaftlichen Belastungen" der Gesundheitsreformen verstärkten diesen Trend.
Aus Sicht von Markus Lüngen vom Institut für Gesundheitsökonomie an der Uni Köln bieten Schließungen auch Chancen. "In der Summe herrscht ja Überversorgung", sagt er. So wie Patienten schon heute einen Hausarzt haben, wäre auch eine zentralere Apothekenstruktur denkbar - so wie in Skandinavien. Eine zentrale "Hausapotheke" könnte auch die Krankengeschichte der Kunden besser verfolgen und effektiver vor Nebenwirkungen warnen. Und noch ein Tabu, zumindest aus Sicht der Apotheker, spricht Lüngen an: Ärzte könnten Arznei direkt ausgeben.
In Hessen hat die Firma CoBox übrigens bereits 15 Video-Apotheken aufgebaut. In ihnen sprechen Kunden über Bildschirm mit dem Apotheker in der fernen "echten" Apotheke. Die bestellten Medikamente kommen per Bote nach Hause. Diese Geschäftsidee scheint Zukunft zu haben. Die Box kostet monatlich etwa so viel wie ein Teilzeit-Apotheker.
Quelle: ntv.de, Heiko Lossie, dpa