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Professoren zu schlecht bezahlt? Beamtensold auf dem Prüfstand

Ein Universitätsprofessor verdient unter Umständen nicht mehr als ein Gymnasiallehrer. Verstößt das gegen das Grundgesetz? Der Streit wird jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht ausgetragen und dürfte grundsätzliche Bedeutung für die Bezahlung von Beamten haben.

Vier der acht obersten Richter haben selbst einen Professorentitel.

Vier der acht obersten Richter haben selbst einen Professorentitel.

(Foto: dapd)

Das Bundesverfassungsgericht befasst sich derzeit mit der Reform der Professorenbesoldung. Der Kläger, ein Chemieprofessor, sieht in der neuen Besoldungsregel, die seit 2005 gilt, das Alimentationsprinzip verletzt. Das Grundgehalt sei zu gering. Der Staat sei aber verpflichtet, Beamte lebenslang amtsangemessen zu alimentieren. In der mündlichen Verhandlung wird klar, dass das Verfahren wegweisend sein könnte für mehrere andere anhängige Prozesse über die Besoldung von Richtern und Beamten im Allgemeinen. Worum geht es im Einzelnen? Der Fall Der Streit spielt auf drei Ebenen:

1. Ebene: Verdienen Professoren genug?

Schon das ist nicht einfach zu beantworten. 2002 hat der Gesetzgeber die Professorenbesoldung reformiert. Die Bezahlung sollte flexibler werden. Wer seit 2005 Professor wird, bekommt nur noch ein Grundgehalt garantiert - dazu gibt es frei verhandelbare Zulagen, abhängig von der Leistung und davon, wie begehrt ein Bewerber ist. "Der Staat muss die Möglichkeit haben, um die klügsten Köpfe zu werben", sagte der hessische Innenminister Boris Rhein (CDU) vor Gericht. Um Lock- und Bleibeprämien zahlen zu können, wurde das Grundgehalt der Professoren allerdings um rund 25 Prozent gegenüber der zuvor geltenden C-Besoldung gekürzt. Die Konsequenz: Professoren, die keine Zulagen bekommen, verdienen oft nicht mehr als etwa ein Gymnasiallehrer mit einigen Berufsjahren. Angesichts der langen Ausbildung - Promotion und meist Habilitation - sowie des Risikos, mit einer akademischen Karriere zu scheitern, sei dies deutlich zu wenig, meinen Hochschulvertreter.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens, ein Chemieprofessor aus Marburg, bekam bei seiner Einstellung im Jahr 2005 3890,03 Euro als Grundgehalt. Dazu kamen Leistungsbezüge von 23,72 Euro. Im Schnitt allerdings, so ein Mitarbeiter des Statistischen Bundesamts, liege das Grundgehalt in der Besoldungsgruppe W 2 bei 4200 Euro. Dazu kommen rund 200 Euro Familienzulagen und Leistungszulagen von rund 900 Euro pro Monat.

2. Ebene: Wie sollen Beamte bezahlt werden?

Beamte können weder ihr Gehalt aushandeln, noch dürfen sie streiken. Zum Ausgleich gibt es das sogenannte Alimentationsprinzip. Demnach müssen Beamte angemessen bezahlt werden. Dies, so Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle, ist "zentraler Bestandteil der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums", die im Grundgesetz geschützt sind. In den vergangenen Jahren hätten Beamte "teils schmerzhafte Einschnitte" hinnehmen müssen. Betroffen seien rund 1,7 Millionen Beamte und 185.000 Soldaten.

Nur: Was ist angemessen? Kann man einen Lehrer, einen Regierungsrat und einen Professor vergleichen? Und wie verhält es sich im Vergleich dazu mit der Verantwortung eines Bataillonsführers im Einsatz in Afghanistan?

Innenminister Rhein sprach von einer "Sonderrolle" der Hochschullehrer. Im Gegensatz zu anderen, weisungsgebundenen Beamten, arbeiteten sie im hohen Maße selbstbestimmt. Das reizte Verfassungsrichter Udo Di Fabio zu Nachfragen: "Muss derjenige, der Entscheidungsspielraum hat, mehr bekommen?"

Auch Voßkuhle schien nach Kriterien zu suchen, wie die Unterschiede zwischen den Besoldungsgruppen rational begründet werden könnten. "Inwieweit lässt sich die Angemessenheit kontrollieren?" Möglicherweise denkt das Gericht an eine ähnliche Lösung wie bei der Entscheidung zu den Hartz-IV-Sätzen: Zwar kann es dem Gesetzgeber kaum eine konkrete Summe vorschreiben - aber Anforderungen stellen an die Berechnungsmethode und Begründung.

3. Ebene: Was können die Richter dem Bundestag vorschreiben?

Die Vertreter des Bundestags betonen, dass das Gericht dem Parlament genug Spielraum bei der Gestaltung lassen müsse. Dieses Problem stellt sich in vielen Bereichen: Wie genau dürfen acht Richter anhand des Verfassungstextes dem demokratisch gewählten Parlament Vorschriften machen?

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz, der 2002 mit an der Ausarbeitung der Reform beteiligt war, betonte den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. "Der Gesetzgeber muss die Möglichkeit haben zu einem Systemwechsel. Es kann nicht sein, dass die hergebrachten Grundsätze sozusagen sklavisch gebunden sind an die Dienstalterszulage." Mit einer Entscheidung in dem Verfahren ist erst im Winter zu rechnen. Dann dürfen nicht nur die Professoren hoffen. Das Gericht wird auch die Besoldung der Richter und die allgemeine Beamtenbesoldung überprüfen.

Quelle: ntv.de, ino/dpa

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