Warten auf die Leitzins-Senkung Beim Tagesgeld jetzt auf Zinsgarantien setzen?
28.08.2024, 14:56 Uhr Artikel anhören
Auch im aktuellen Marktumfeld lassen sich noch Kaufkraftverluste vermeiden.
(Foto: Christin Klose/dpa-tmn)
Ist es vorauseilender Gehorsam oder Kalkül, dass viele Banken schon vor der Europäischen Zentralbank ihre Zinsen senken? Und was bedeutet dieses Vorgehen für Kunden auf der Suche nach den attraktivsten Tagesgeldkonten? Die Antworten von der FMH-Finanzberatung lesen Sie hier.
Wer sich die Tagesgeld-Zinsmeldungen der vergangenen Wochen ansieht, könnte fast meinen, dass die (erwartete) Leitzinssenkung durch die Europäische Zentralbank (EZB) bereits stattgefunden hat.

Max Herbst ist Inhaber der FMH-Finanzberatung, die seit 1986 unabhängige Zinsinformationen erstellt.
Allein in den vergangenen elf Tagen haben 14 Anbieter ihre Tagesgeldzinsen herabgesetzt. Offenbar unterstellen inzwischen viele Institute eine Leitzinssenkung von 0,25 Prozentpunkten und damit von durchschnittlich 4,25 auf 4 Prozent oder - im Einlagenbereich - von 3,75 auf 3,50 Prozent.
Besonders aufgefallen sind mir dabei Tagegeldangebote von N26. Hier ging es je nach Produkt zwischen 1,26 und 0,25 Prozentpunkten nach unten - auf drei bzw. einem Prozent Verzinsung.
Allgemein zeigt sich zudem, dass die allermeisten Banken inzwischen wieder unter 3,5 Prozent Zinsen liegen. Der Hintergrund: Banken können die Gelder ihrer Kunden von Tagesgeld- und Girokonten täglich bei der EZB parken und bekommen dafür - nach aktuellem Stand - 3,75 Prozent Zinsen. Sollte die EZB - nach den markanten Zinsentscheidungen der jüngeren Vergangenheit - den Einlagenzins wirklich schon im September auf 3,5 Prozent drücken, dann erwirtschaftet selbst eine Bank, die drei Prozent Zinsen garantiert, noch immer ein Plus von 0,5 Prozentpunkten.
Wie wichtig ist die Laufzeit von Zinsgarantien?
Wichtig für alle Sparer, die nun überlegen, zu einem der Top-Anbieter zu wechseln: Immerhin 26 von 55 Banken haben ihr aktuelles Zinsangebot mit einer Garantie versehen. Je nachdem, ob die Offerte der Bank - nach derzeitigem Standard - sehr gut oder nur gut ist, müssen Kunden allerdings mit mehr oder minder kurzen Garantiezeiten leben: Die sehr guten Zinsen sind nur für drei bis vier Monate festgeschrieben, bei guten Angeboten haben Anleger zumindest bis zu sechs Monate Planungssicherheit: Hier haben die Banken mögliche (weitere) EZB-Leitzinssenkungen bereits eingepreist, um sicherzugehen, dass sie in jedem Fall auch weiterhin am Tagesgeld verdienen.
Kunden dürften die Renditen ihrer Bank aber weniger interessieren als ihr eigener Anlageerfolg. Entsprechend müssen sie sich nun die Frage stellen: Lohnt es sich derzeit, einen geringeren Tagesgeldzins zu akzeptieren, aber dafür eine längere Zinsgarantie zu erhalten? Oder sind die Spitzenzinsen mit kurzen Laufzeiten vorteilhafter?
Die Antwort lässt sich am besten anhand einer Beispielrechnung finden. Nehmen wir das Angebot der XTB, das mit 4,2 Prozent für drei Monate punktet und vergleichen es mit dem ebenfalls attraktiven Angebot der BBBank mit drei Prozent für sechs Monate.
Damit sich beide Anlagen gleich gut rentieren, müsste der Folgezins bei der XTB nach Verstreichen der Garantiezeit für ein Vierteljahr nur bei 1,79 Prozent liegen. Das ist als sehr wahrscheinlich anzusehen. Somit wäre das länger laufende, aber schlechter verzinste Angebot in dieser Konstellation die schlechtere Wahl.
Sie sind unsicher, welcher Zeitraum mit welchen Zinsen für Sie persönlich am vorteilhaftesten ist? Mit dem kostenlosen Anlagerechner können Sie es schnell und einfach herausfinden.
Was taugen Offerten ohne Zinsgarantie?
Allein die Tatsache, dass lange Zinsbindungen grundsätzlich attraktiv sind, besagt allerdings nicht, dass die TOP-Angebote ohne Zinsgarantie nicht auch ihre Vorzüge hätten. Solche Offerten machen vor allem Regional- und Geschäftsbanken, aber auch Broker wie Trade Republic oder Freedom24.
Letztere unterscheiden sich etwas von klassischen Tagesgeld-Anbietern. Trade Republic hat zwar die gesetzliche Einlagenabsicherung von 100.000 Euro, allerdings müssen Kunden dort erstmal ein Wertpapierdepot eröffnen - Tagesgeld- und Girokonto sind nur Beiwerk.
Noch einmal anders stellen sich die Dinge bei Freedom24 dar. Hier wird die gesetzliche Absicherung nur bis 90 Prozent der Einlage garantiert und zudem auf 20.000 Euro gedeckelt. Damit nicht genug: Der Broker bietet seinen Kunden auch kein klassisches Tagesgeld, sondern es geht um eine Geldanlage, die sich am Euribor und SOFR-Satz orientiert. Auf diese Weise sind die Zinsen wesentlich näher am Finanzmarktgeschehen als bei anderen Banken: Senkt die EZB also die Leitzinsen, wird sich der Tagesgeldzins von Freedom24 eben auch nur in etwa um diesen Satz verändern. Für diese Art der Sicherheit zahlen Kunden allerdings mit einer geringeren Einlagensicherung.
Aus meiner Sicht sind derzeit entweder die langen Zinsgarantien empfehlenswert - oder die Angebote, die ganz auf Garantien verzichten und stattdessen dem Finanzmarkt folgen.
Bei den regionalen Anbietern ohne Zinsgarantie ist es allerdings nur eine Frage der Zeit, bis diese ihre (ohnehin nicht besonders attraktive) Tagesgeldzinsen noch einmal senken - und die EZB zum Sündenbock erklären. Wer noch schnell von den höheren Zinsen profitieren möchte, sollte sich beeilen, denn die Zinssenkungen werden zunehmen, je näher der nächste EZB-Zinsentscheid kommt.
Max Herbst ist Inhaber der FMH-Finanzberatung, die seit 1986 unabhängige Zinsinformationen erstellt.
Quelle: ntv.de