Ratgeber

Kirchliches Krankenhaus Chefarztkündigung wegen Wiederheirat?

Das Lebenszeugnis leitender Mitarbeiter muss der katholischen Glaubens- und Sittenlehre entsprechen.

Das Lebenszeugnis leitender Mitarbeiter muss der katholischen Glaubens- und Sittenlehre entsprechen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Kündigung eines Chefarztes einer katholischen Klinik wegen einer Wiederheirat kann eine verbotene Diskriminierung darstellen, urteilt der Europäische Gerichtshof. Das Bundesverfassungsgericht sieht das anders. Nun ist das Bundesarbeitsgericht gefragt.

Nach zehnjährigem Rechtsstreit verhandelt das Bundesarbeitsgericht (BAG) am Mittwoch erneut über die Kündigung eines Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus, weil er ein zweites Mal heiratete. Dabei stehen die Erfurter Richter vor einem schwierigen Spagat zwischen gegenläufigen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg. (Az: 2 AZR 746/14)

Der Arzt war Leiter der Abteilung für innere Medizin am katholischen St.-Vinzenz-Krankenhaus in Düsseldorf. Er war Mitglied der katholischen Kirche und laut Arbeitsvertrag verpflichtet, die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre zu beachten.

2005 trennte sich der Chefarzt von seiner Ehefrau und zog mit einer neuen Partnerin zusammen. Dies akzeptierte der Arbeitgeber noch. Als der Arzt sich scheiden ließ und seine neue Partnerin standesamtlich heiratete, kam jedoch die Kündigung. Er habe gegen die auch in seinem Arbeitsvertrag festgeschriebenen Grundsätze der katholischen Kirche verstoßen.

Die 2009 eingereichte Kündigungsschutzklage des Arztes hatte im ersten Durchlauf durch alle Instanzen Erfolg. Zuletzt urteilte das BAG 2011, eine Wiederheirat könne bei katholischen Arbeitgebern zwar Grund zu einer Kündigung sein , jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der Arbeitgeber diese Linie konsequent und diskriminierungsfrei durchsetzt.

Hier habe das Krankenhaus aber bei nicht katholischen Mitarbeitern eine Wiederheirat akzeptiert. Auch habe es geduldet, dass der Arzt zwei Jahre lang unverheiratet mit seiner neuen Partnerin zusammenlebte.

Gestützt auf das im Grundgesetz verankerte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen hob das Bundesverfassungsgericht dieses Urteil 2014 auf. Es sei zulässig, wenn katholische Arbeitgeber an Mitglieder der katholischen Kirche schärfere Maßstäbe anlegen.

2018 urteilte dagegen der EuGH, dass das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen der Kontrolle durch staatliche Gerichte unterliegt. Die ungleichen Maßstäbe deuteten auf eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung hin.

Wenn das BAG mit dem Luxemburger Urteil im Rücken bei seiner ursprünglichen Linie bleibt, könnte die katholische Kirche erneut das Bundesverfassungsgericht anrufen und damit einen offenen Streit zwischen Karlsruhe und Luxemburg provozieren.

Die kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie betreiben zahlreiche Krankenhäuser und sind zugleich die größten Arbeitgeber in Deutschland. Zusammen mit den Beschäftigten der Kirchen selbst haben sie 1,4 Millionen Mitarbeiter.

Quelle: ntv.de, awi/AFP

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