Frage aus dem Arbeitsrecht Muss der Chef die Überstunden bezahlen?
21.04.2022, 10:18 Uhr (aktualisiert)
Wenn die Schicht mal wieder länger ging: Bei bestimmten Formulierungen im Arbeitsvertrag können Überstunden auch mit dem Gehalt abgegolten sein.
(Foto: Sina Schuldt/dpa/dpa-tmn)
Mal schnell nach Feierabend ein paar Mails tippen oder das Projekt für morgen vorbereiten: Überstunden häufen sich schnell an. Muss der Arbeitgeber die Extra-Leistung vergüten?
Sobald das Überstundenkonto sich füllt, stellt sich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Frage: Gibt es dafür Geld?
Für Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Offenburg, gilt grundsätzlich die simple Gleichung: Arbeit nur gegen Vergütung - das zähle auch bei zusätzlicher Arbeit. Das folgt aus Paragraf 612 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Außerdem lege das (in Paragraf 307 Absatz 1 Satz 2 BGB) fest, dass im Arbeitsvertrag vereinbarte "pauschale Geltungsklauseln unvereinbar und unwirksam" sind.
Diese Regelungen sind rechtswidrig
Für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen heißt das konkret: Sie können manchen Überstunden-Formulierungen in ihrem Arbeitsvertrag widersprechen. Laut Markowski fallen darunter Klauseln, nach denen "erforderliche Überstunden" mit dem monatlichen Entgelt abgegolten sind. Genauso zählen dazu Formulierungen im Arbeitsvertrag, die Beschäftigten "für Über- und Mehrarbeit keine weitergehende Vergütung" zugestehen.
Solche Klauseln seien aber ohnehin die Ausnahme. Meist würden Arbeitgeber Überstunden mit dem regulären Stundenlohn vergüten, sagt Markowski. "Je nach Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag kann es auch noch Überstundenzuschläge geben." Gibt es in Unternehmen einen Betriebsrat, müsse dieser Überstunden zunächst zustimmen.
Überstunden können mit Gehalt abgegolten sein
Achtung: Ist im Arbeitsvertrag vereinbart, dass mit dem Gehalt eine ganz bestimmte Anzahl von Überstunden abgegolten sein soll, muss der Arbeitgeber sie nicht zusätzlich vergüten. Eine ausreichende Formulierung ist dafür beispielsweise: 10 Überstunden pro Monat sind mit dem Gehalt abgegolten. Von solchen Verträgen sollte man aus Sicht von Arbeitsrechtler Markowski aber die Finger lassen. Es lege den Verdacht nahe, dass durch Zwangsüberstunden Personal eingespart wird.
Wer dennoch Überstunden nachträglich und zusammengefasst vergütet bekommt, genießt steuerliche Ermäßigungen - allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. So muss sich die Nachzahlung auf eine Tätigkeit beziehen, die sich über mindestens zwei steuerliche Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) in München entschieden.
In dem konkreten Fall hatte ein Kläger über drei Jahre in erheblichem Umfang Überstunden geleistet, die ihm im vierten Jahr in einer Summe bezahlt wurden. Das Finanzamt unterwarf die Überstundenvergütung dem normalen Einkommensteuertarif, wogegen sich der Mann rechtlich wehrte.
Der BFH stellte klar, dass für die Nachzahlung der ermäßigte Steuertarif gilt. Diesen sieht der Gesetzgeber vor, um den Progressionseffekt der Einkommenssteuer mit steigendem Einkommen bei einem "zusammengeballten Zufluss von Lohnnachzahlungen" abzumildern. Die Tarifermäßigung sei nicht nur bei nachgezahlten Festlohnbestandteilen, sondern auch bei variablen Lohnbestandteilen anzuwenden, so der BFH.
(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 19. April 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, awi/dpa