Ratgeber

Alte Lebensversicherungen Können Verträge storniert werden?

Für Lebensversicherungen, die vor 2008 abgeschlossen wurden, galten Bedingungen, die mit EU-Recht nicht konform waren. Können sie deshalb rückgängig gemacht werden? Der BGH entscheidet.

Heute beginnt die Widerrufsfrist erst zu laufen, wenn der Kunde voll über seine Rechte informiert worden ist.

Heute beginnt die Widerrufsfrist erst zu laufen, wenn der Kunde voll über seine Rechte informiert worden ist.

(Foto: imago stock&people)

Eine Lebensversicherung zu kündigen, ist meistens ein Verlustgeschäft. Einfacher wäre es, wenn man den Vertrag rückabwickeln könnte. Heute entscheidet der Bundesgerichtshof darüber, ob Kunden mit älteren Verträgen ihre Lebensversicherungen auch noch Jahre später stornieren können. Das Verfahren könnte Millionen von Versicherungskunden betreffen und für Versicherer richtig teuer werden. Doch Experten sind vorsichtig.

Betroffen sind die meisten Lebensversicherungen, die zwischen 1994 und 2008 abgeschlossen wurden. Damals dominierte das sogenannte "Policenmodell". Der Kunde bekam seine sämtlichen Unterlagen – und damit auch die Widerrufsbelehrung - erst zusammen mit dem Versicherungsschein. Spätestens ein Jahr nach der ersten Prämienzahlung endete das Widerrufsrecht, und zwar auch dann, wenn die erforderlichen Verbraucherinformationen bis dahin gar nicht übermittelt worden sind.

Der BGH prüft nun, ob Kunden solche Altverträge auch noch nach Jahren rückabwickeln können – selbst dann, wenn sie ordentlich über ihre Rechte belehrt worden sind. Der Kläger ist der Ansicht, dass das komplette Policenmodell gegen EU-Recht verstößt. Die Verträge beruhten auf Vorschriften, die Deutschland in den 1990-er Jahren nicht im Sinne der EU umgesetzt habe. Denn laut Europarecht mussten Versicherungsnehmer bereits vor Vertragsabschluss über alle Details aufgeklärt werden. Das Policenmodell wurde deshalb 2008 auf Druck der Europäischen Union abgeschafft. Der Kläger argumentiert nun: Weil die Verträge nach dem Policenmodell europarechtswidrig seien, seien sie auch nicht wirksam zustande gekommen und könnten jederzeit rückabgewickelt werden.

Rückzahlung plus Zinsen

Konkret richtet sich die Klage gegen den Lebensversicherer Deutscher Herold. Der Kunde hatte seine Lebensversicherung 2004 vorzeitig gekündigt und rund 4600 Euro weniger ausbezahlt bekommen, als er an Prämien geleistet hatte. 2011 reichte er dann Klage ein. Er will den Vertrag jetzt nachträglich rückabwickeln, um die fehlende Summe zu erhalten.

Ein Urteil im Sinne des Kunden könnte für die Lebensversicherer teuer werden. Nach Schätzungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sind im Zeitraum zwischen 1995 und Ende 2007 jährlich zwischen 6,1 und 11,8 Millionen Lebensversicherungen geschlossen worden. Sollte der BGH dem Kläger daher ohne "Wenn und Aber" recht geben, könnten unter Umständen Millionen unzufriedene Kunden ihre Verträge rückabwickeln.

Besonders heikel: Die Kunden bekämen nicht nur ihre Einzahlungen zurück. Die Versicherer müssten die Prämien auch verzinsen. Der gesetzliche Zins liegt 5 Prozent über dem Basiszinssatz, für bestimmte Zinsperioden wären als über 9 Prozent fällig.

Chancen eher mau

Allzu große Hoffnungen sollten sich die Betroffenen aber nicht machen, Experten sehen das Verfahren sehr skeptisch. Die Verbraucherzentralen gehen beispielsweise nicht davon aus, dass der BGH eine millionenfache Rückabwicklung ermöglichen wird. Zu viele Fragen seien offen. So müsse der BGH die Wirksamkeit des Vertrages klären und prüfen, was das für das Widerrufsrecht der Kunden bedeutet. Auch eine mögliche Verjährung oder Verwirkung von Rechten müsse bedacht werden.

Sollten die Richter an der Vereinbarkeit des "Policenmodells" mit EU-Recht zweifeln, müssen sie den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anrufen. Von diesem Szenario geht der Bund der Versicherten aus. Erst nach dem Spruch der Europarichter könnte der BGH den eigentlichen Fall klären. Dabei werden sie sicher auch im Blick haben, dass millionenfache Rückabwicklungen die Versicherungen ruinieren könnten.

Quelle: ntv.de, ino/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen