Nach dem EuGH-Urteil Prämien könnten für alle steigen
02.03.2011, 12:05 UhrMit seinem Urteil zu Unisex-Tarifen hat der Europäische Gerichtshof die Versicherungsbranche vor eine schwierige Aufgabe gestellt. Prämien müssen jetzt anders kalkuliert werden als bisher. Möglicherweise werden die Tarife in Zukunft für beide Geschlechter teurer.

Weil Frauen statistisch gesehen länger leben, zahlen sie mehr für die private Rentenversicherung.
(Foto: dpa)
Versicherer müssen Männern und Frauen ab Ende 2012 gleiche Tarife anbieten, das hat gestern der Europäische Gerichtshof entschieden. Noch ist unklar, ob die Prämien damit für alle steigen werden. Sicher ist, dass für die Versicherungsmathematiker ein wichtiger Faktor zur Risikobewertung wegfällt. Michael Steinmetz, Chef der Deutschen Aktuarvereinigung, fürchtet, dass die Berechnung der Versicherungsprämien für die Unisex-Tarife deutlich schwieriger wird. Es sei fraglich, ob die neuen Kriterien zur Risikobewertung so exakt sein könnten wie die alten und ob somit gerechte Tarife möglich seien.
Im Schnitt könnten die Prämien deshalb steigen. Zudem müsse jeder Versicherer für den Fall vorsorgen, dass dasjenige Geschlecht, für das die Versicherung teurer wird, in Scharen das Versicherungsunternehmen wechselt. Das könnte etwa der Fall sein, wenn die Mischung aus Frauen und Männern bei einem anderen Unternehmen günstiger ausfällt - und dieses deshalb niedrigere Beiträge verlangt. Dann würde beim ersten Versicherer der Anteil von Kunden des Geschlechts mit dem jeweils größeren Risiko steigen, argumentiert Steinmetz. In der Rentenversicherung wären dies mehr lange lebende Frauen, in der Kfz-Versicherung mehr junge, unfallträchtigere Männer. Diese Gefahr müsse der Versicherer in der Berechnung der Beiträge von Anfang an berücksichtigen.
Selbst Verbraucherschützer fürchten, dass das Prämienniveau allgemein steigen könnte, begrüßen das Urteil aber trotzdem. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert die Aufsichtsbehörden auf, genau hinzusehen, wie sich die Situation entwickelt. Anfallende Überschüsse müssten zu 90 Prozent bei den Verbrauchern landen. Die Versicherungsbranche würde dagegen lieber an den alten Tarifen festhalten. Der Vorstandsvorsitzende der Allianz Deutschland, Markus Rieß, beurteilte Unisex-Tarife als ungerecht. Der Düsseldorfer Versicherer Ergo, zu dem auch die Deutsche Krankenversicherung (DKV) gehört, verteidigt die Unterscheidung von Frauen und Männern, etwa in der privaten Krankenversicherung: "Frauen leben länger und gehen häufiger zum Arzt, verlangen also auch mehr Leistungen", sagte Sprecherin Sybille Schneider. Deswegen müssten sie auch höhere Beiträge bezahlen. Beim Monatsbeitrag mache dies 30 bis 50 Euro aus.
Quelle: ntv.de, ino/dpa