Ratgeber

"Missverständnisse in der Öffentlichkeit" Institut kündigt Schufa-Vertrag

Das HPI, gegründet vom Potsdamer Milliardär Hasso Plattner, gilt als eines der modernsten Forschungszentren für Informationstechnik.

Das HPI, gegründet vom Potsdamer Milliardär Hasso Plattner, gilt als eines der modernsten Forschungszentren für Informationstechnik.

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Der Plan alarmiert Daten- und Verbraucherschützer und die Politik: Die Schufa wolle erforschen lassen, wie sich Daten aus dem Internet für die Bonitätsauskunft eignen könnten. Nach zwei Tagen Aufregung und Dauerkritik zieht sich nun das mit der Forschung beauftragte Hasso-Plattner-Institut aus Potsdam überraschend zurück.

Offenbar hatten weder die Schufa noch das Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam mit einem solchen Rummel gerechnet, als sie diese Woche via Pressemitteilung ihr gemeinsames Projekt verkündeten. Dabei ging es um Grundlagenforschung zu der Frage, ob und wie sich Informationen aus sozialen Netzwerken und anderen öffentlich zugänglichen Internetdiensten nutzen lassen, um die Kreditwürdigkeit von Personen zu beurteilen.

Zwei Tage Dauerkritik von Verbraucherschützern und Politikern haben nun gereicht, dass das HPI das Projekt überraschend aufgekündigt hat. Wegen "mancher Missverständnisse in der Öffentlichkeit" über den vereinbarten Forschungsansatz könne das wissenschaftliche Projekt nicht unbelastet durchgeführt werden, hieß es in einer Mitteilung des Potsdamer Instituts.

Wenig später gab auch die Schufa bekannt, die Idee nicht weiterzuverfolgen. "Das Forschungsprojekt hat eine Debatte über den Umgang mit frei verfügbaren Daten angestoßen, die die Schufa erst mit Vorlage der Forschungsergebnisse erwartet hätte", erklärte die Auskunftei.

Absicht der Schufa unklar

"Die Schufa darf nicht zum Big Brother des Wirtschaftslebens werden", hatte nach Bekanntwerden der Kooperation Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) gewarnt. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) machte ebenfalls deutlich, dass sie keinen Spielraum für solche Ideen sehe. Schon an diesem Punkt wurde deutlich, dass die Schufa die Erkenntnisse aus dem auf drei Jahre angelegten Projekt nicht würde umsetzen können.

Der Chef des Hasso-Plattner-Instituts, Christoph Meinel, zieht mit dem Rückzug aus dem Schufa-Projekt die Notbremse.

Der Chef des Hasso-Plattner-Instituts, Christoph Meinel, zieht mit dem Rückzug aus dem Schufa-Projekt die Notbremse.

(Foto: dpa)

Was sich die Schufa von der Erforschung der Möglichkeiten überhaupt versprach, wusste sie laut Unternehmenssprecher Andreas Lehmann selbst nicht. "Die Frage können wir selbst nicht beantworten, deshalb wollen wir es jetzt ja herausfinden", sagte Lehmann noch am Vormittag. Er lobte das HPI als das "renommierteste Forschungsinstitut, das es gibt" und betonte, man betreibe das Projekt bewusst nicht "im stillen Kämmerlein" und wolle alle Ergebnisse veröffentlichen.

Trotz der angeblichen Offenheit des Ausgangs bei dem Projekt erhoffte sich die Schufa mit Sicherheit verwertbare Erkenntnisse, schließlich sollte es sich mit einer Laufzeit von drei Jahren um ein aufwendiges Projekt handeln. "Natürlich geht es letztlich um die Frage, wie ein Unternehmen wie wir langfristig existieren kann", räumte Lehmann ein.

Schufa-Vorstand Peter Villa betonte, dass Freunde und Status "keine Auskunft über die Bonität eines Verbrauchers" gäben. "Deshalb finden solche Daten auch keine Verwendung in unserem Datenbestand." Man dürfe jedoch nicht die Augen vor der Realität des Internets verschließen: "Die grundsätzliche Frage des Umgangs mit öffentlichen Daten im Netz bleibt eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung."

Datenschutzbehörde: Brisantes Vorhaben

Nach Angaben der hessischen Datenschutzbehörde, die für die in Wiesbaden ansässige Schufa zuständig ist, war es in diesem Stadium noch zu früh für eine Bewertung des Forschungsvorhabens. "Sowohl der Datenschutz als auch die Freiheit der Forschung sind grundgesetzlich abgesichert. Solange im Rahmen des Forschungsprojektes nicht unzulässige Profile gebildet werden, kann man da nichts gegen sagen", erklärte der stellvertretende Pressesprecher der Behörde, Robert Piendl.

Dennoch sei das Vorhaben brisant, weil die Schufa für viele Bürger von herausragender Bedeutung sei. "Die eigene Bonität kann für den Einzelnen existentielle Bedeutung haben", so Piendl. Netzwerke wie Facebook hingegen seien für die soziale Kommunikation geschaffen. "Es wäre brisant, wenn da Daten verwendet würden", so der Sprecher der Datenschutzbehörde. Gleichzeitig sei jeder selbst dafür verantwortlich, wieviel er von sich im quasi-öffentlichen Raum des Internets über sich preisgebe. Bei der hessischen Datenschutzbehörde gibt es eine eigene Abteilung, die sich nur mit Eingaben zur Schufa befasst.

Aus Sicht des Verbraucherbeirates des Wiesbadener Unternehmens kam der Schritt zum falschen Zeitpunkt. "Ich kann nicht verstehen, wie man bei der derzeitigen Diskussion über Soziale Netzwerke anfängt, so blauäugig zu forschen", kritisierte das Beiratsmitglied Uwe Röhm das Projekt mit dem HPI. Bisher sei doch die Schufa auf einem guten Weg gewesen, vom Bild der Datenkrake wegzukommen.

Nach eigenen Angaben hat die Schufa 514 Millionen Informationen zu 66 Millionen Privatpersonen gespeichert. Die meisten davon erhält sie von 7000 Vertragspartnern, also Banken, Telefonanbietern, Versandhäusern oder Amtsgerichten. Das ganze basiert auf dem Prinzip des Datenaustausches. Für Informationen über bestimmte Personen gibt die Schufa bei ihr gespeicherte Informationen an die Vertragspartner, wenn diese ein "berechtigtes Interesse" nachweisen können.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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