Return to Sender Online-Händler im Kampf gegen den Rückschick-Wahn
15.04.2014, 18:30 Uhr
Online-Ware bestellen und was man nicht braucht einfach zurückschicken - kein Problem, machen ja alle. Doch das kann jetzt offenbar ganz schön nach hinten losgehen - denn der größte Internet-Versandhändler Amazon sperrt mittlerweile Kunden, die zu viel zurückschicken, mal eben das Konto.
Heute bestellt und am nächsten Tag sind die Pakete schon da. Jeder zweite tut das: Online Shoppen - und dann ganz bequem nach Hause liefern lassen. Am besten gleich mehrere Artikel zur Auswahl. Kein Problem: wenn's nicht gefällt, dann geht das ein oder andere Teil eben wieder zurück. Schließlich gibt es ja auch das 14-tägige Rückgaberecht. Amazon wirbt sogar mit 30 Tagen. Doch als Amazon-Kunde kann man damit böse auf die Nase fallen und eine E-Mail mit folgendem Text bekommen:
“Wir müssen Sie darauf hinweisen, dass wir aufgrund der Überschreitungen der haushaltsüblichen Anzahl von Retouren in Ihrem Kundenkonto zukünftig leider keine weiteren Bestellungen entgegennehmen können und Ihr Amazon-Konto mit sofortiger Wirkung schließen."
Grundsätzlich ist dies durchaus möglich, denn jeder Händler kann entscheiden, wem er Ware verkaufen möchte und wem nicht. Genau das macht Amazon jetzt: Wer zu viel zurückschickt, wird aussortiert - ohne jede Vorwarnung. Diese Praxis ist für Georg Tryba von der Verbraucherzentrale NRW nicht in Ordnung: "Die Kündigung aus heiterem Himmel ist für uns nicht möglich, wir haben Amazon deshalb eine Abmahnung geschickt. Es gibt eben keine Ankündigung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, wann diese Kündigung stattfinden wird."
Von einer generellen Konto-Sperrung will Amazon aber nichts wissen. Die drohe angeblich nur nach umfassender Prüfung und wenn eindeutig feststehe, “[…] dass bei dem betroffenen Konto kein Einkaufs- und Retouren-Verhalten eines Verbrauchers vorliegt.“
Nur wenige Online-Händler zeigen die rote Karte
Gemeint ist wohl, wenn kein “normales“ Retouren-Verhalten vorliegt. Doch gibt es Grenzen im Bestell- und Retouren-Wahn? Wenn ich im Internet gekauft habe, darf ich die Sachen ausprobieren, meint Verbraucherschützer Georg Tryba: “Aber nur soweit, wie ich es auch im Laden machen kann. Das heißt also ich kann ein technisches Gerät mal anstöpseln, mal gucken, wie ist der Sound, aber ich darf jetzt nicht stundenlang oder tagelang das Gerät benutzen."
Das heißt also das Dirndl nach dem Oktoberfest zurückgeben, den Flatscreen nach der WM oder das weiße Kleid nach der Hochzeit – das geht nicht.
Doch droht Kunden, die viel zurückschicken der Rauswurf - so wie bei Amazon? Eine aktuelle Stichprobe der Verbraucherzentrale NRW zeigt: Nur wenige Online-Händler haben schon mal die rote Karte gezeigt. Andere Shops wie das Modehaus Bonprix verfolgen die umgekehrte Taktik: Für jedes behaltene Teil gibt’s eine Belohnung: drei Euro Gutschrift auf das Kundenkonto.
Das könnte sich rechnen. Denn: jede Retoure verursacht Kosten. Das Marktforschungsinstitut ibi-Research aus Regensburg hat sich bei den Online-Händlern umgehört. “Die kompletten Rücksendekosten also, inklusive den Wiedereinlagerungskosten und dem Personal und Materialkosten also, auch zu Aufbereitung, da war man so im Schnitt bei 20 EURO, aber man muss das differenziert betrachten. Also, in der Bekleidungsbranche ist eher seltener, dass die Kosten über 15 EURO sind“, weiß Sabine Pur von ibi research.
Ganz anders bei Technik-Produkten: Werden sie zurückgeschickt, muss genau geprüft werden, ob sie noch funktionieren. Die Retouren-Abwicklung ist deswegen deutlich aufwendiger, so Christoph Wenk-Fischer vom Bundesverband des Deutschen Versandhandels: "Wenn ich einen Laptop verkauft habe und bekomme den zurückgeschickt, dann muss ich ihn mühsam aufbereiten. Das heisst die Festplatte löschen, ich muss gucken ist die Verpackung in Ordnung und und und...! Kein Kunde möchte gebrauchte Ware haben und schon mal gar nicht, wenn da sensible Daten drauf sein sollten. Das ist ein hoher Aufwand mit hohen Kosten."
Allerdings sind die Retouren-Quoten bei technischen Geräten auch deutlich geringer als bei Kleidung. An der Spitze der Rückschick-Skala liegt Damenmode. Auch Sportbekleidung und Herrenmode landen in der Hälfte der Fälle wieder beim Absender. Weitaus weniger häufig werden Kinderkleidung, Elektronikartikel und Möbel zurückgeschickt. Einkaufen und zurückgeben scheint - trotz der hohen Quoten - bei den meisten großen Online-Händlern noch grenzenlos zu funktionieren. Einen Riegel will auch der Versandgigant Otto nicht vorschieben. Gratis Retouren gibt's hier schon seit über 60 Jahren.
Ab Juni droht Gesetzesänderung
Auf der diesjährigen Wirtschaftspresse-Konferenz haken wir bei Otto Sprecher Alexander Birken nach. Bisher darf ab 40 € Bestellwert überall kostenlos zurückgeschickt werden. Ab Juni soll sich das jetzt aber ändern – zumindest laut einer EU-Richtlinie. Dann dürfen Online-Händler die Rücksendekosten dem Käufer aufdrücken. Für Alexander Birken, Sprecher bei Otto völlig unnötig: “Wir brauchen dieses Gesetz nicht, weil wir das nicht für notwendig halten. Für uns ist eine Retoure etwas völlig normales im Online-Handel, es ist ein Service Charakter unseres Online-Verständnisses und das bedienen wir. Und Egal ob es ein Gesetz erlauben würde oder nicht, werden wir es trotzdem nicht nutzen. “
Da der Kunde König ist, wollen auch die meisten anderen großen Online-Händler nichts ändern. Amazon und Zalando beispielsweise haben das schon angekündigt. Diese Kulanz der Großen, setzt aber die kleinen Shops unter Druck - das spürt auch Michael Bruhns von Thomas Electronic. Neben ihrem Laden in Hamburg, haben sie sich mit dem Online-Verkauf ein zweites Standbein aufgebaut. Aber die gleichen finanziellen und logistischen Mittel haben sie nicht: "Für die kleinen ist es deshalb schwierig, weil die Gesamtkalkulation eine andere ist als bei Amazon. Amazon kann einen Teil des Drucks auch an die Hersteller weiter geben, bezieht die Hersteller mit ein, kann andere Preisverhandlungen führen und kriegt dadurch eine gute Kalkulation hin, damit das ganze wirtschaftlich tragfähig bleibt. Für die kleineren Händler ist das deutlich schwieriger zu realisieren, weil die natürlich nicht die Macht auf die Hersteller ausüben können und nicht auf die Paketdienstleister."
Viele kleine Shops werden aber trotzdem mitziehen und die Rücksendekosten übernehmen. Denn der Online-Handel ist heiß umkämpft. Um im Wettbewerb mitzuhalten, wollen sie andere Vorteile nutzen. Dies sind vor allem Service und Kundennähe. So auch bei Thomas Electronic in Hamburg: "Wir haben das ist der wichtige Faktor, eine Hotline mit echten Mitarbeitern, die bei uns im Haus sitzen, die alle Produkte kennen und dadurch den Kunden im Vorfeld beraten können, was den Fehlkauf auch nahezu auf null reduziert. Bei den großen ist es so, da habe ich einen Callcenter, da sitzt ein Mitarbeiter, der weiß gar nicht welches Gerät ist das, also ist die klassische Antwort, schicken sie uns das Gerät zurück."
Fachhändler versuchen also mit individueller Beratung zu punkten und so die Rücksendequoten gering zu halten. Für Online-Shopper wird sich in Zukunft also nichts ändern - gratis zurückgeben ist bei den meisten kleinen und großen Händlern immer noch möglich. Und wenn's nicht passt ... spätestens dann müssen auch Online-Kunden einmal das Haus verlassen und den Weg zur Post-Filiale antreten.
Quelle: ntv.de