Arbeitszeitkonten bei Jobwechsel Störfall oder Glücksfall
12.06.2007, 08:12 Uhrvon Dietmar Wellisch und Sven-Oliver Lenz
Die Erhöhung des Renteneintrittsalters sowie das Auslaufen der gesetzlich geförderten Altersteilzeit werfen Fragen auf, wie auch in Zukunft noch ein Vorruhestand finanziert werden kann. Eine Lösung bieten Lebensarbeitszeitkonten. Sie sind eine Weiterentwicklung der bewährten Kurzzeitkonten, auf denen Arbeitnehmer Plus- oder Minusstunden ansammeln und zumeist bereits innerhalb eines Jahres wieder ausgleichen müssen. Lebensarbeitszeitkonten hingegen sind langfristig ausgerichtet: Auf ihnen können Arbeitnehmer über viele Jahre hinweg Teile ihres Gehalts oder auch Zeit in Form von Überstunden oder Urlaubstagen steuer- und sozialabgabenfrei ansparen. Ohne dass das Arbeitsverhältnis aufgelöst wird, kann der Arbeitnehmer die so erzielten Guthaben für einen längeren Urlaub oder eben für seinen vorgezogenen Ruhestand wieder abbauen. Erst jetzt werden Steuern und Sozialabgaben fällig. So wird aus Zeit Geld.
Arbeitgeberwechsel
Doch was passiert mit dem gesparten Wertguthaben, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz wechselt? Fest steht: Können die Guthaben auf einen neuen Arbeitgeber übertragen werden, fallen auch zum Zeitpunkt der Übertragung weder Steuern noch Sozialabgaben an.
Störfall
Kann oder will der neue Arbeitgeber das Konto indes nicht weiterführen (Experten sprechen in diesem Zusammenhang von einem sog. Störfall), wird das Guthaben an den Arbeitnehmer regelmäßig ausgezahlt, besteuert und für Zwecke der Sozialversicherung in Höhe der zuvor gestundeten Beiträge beitragspflichtig. Diese Abgaben veranlassen häufig junge High Potentials, für die ein mehrmaliger Arbeitsplatzwechsel wahrscheinlich ist, der Errichtung von Lebensarbeitszeitkonten reserviert gegenüberzustehen. Zu unrecht. Damit der Begünstigte nicht unverhältnismäßig stark belastet wird, sieht das Gesetz mit der sog. Fünftelregelung die Möglichkeit einer begünstigten Besteuerung vor. Der Progressionseffekt des deutschen Einkommensteuertarifs wird dadurch deutlich abgeschwächt.
Umwandlung in betriebliche Altersvorsorge
Obwohl es bei näherer Betrachtung im Vergleich zum Verzicht auf Bildung von Arbeitszeitkonten also regelmäßig zu keinen finanziellen Nachteilen kommt, empfinden viele Arbeitnehmer dennoch insbesondere die geballte Besteuerung der Guthaben bei ihrer Auszahlung als Nachteil. Deshalb stellt sich bei einem Arbeitgeberwechsel die Frage nach Alternativen. Will oder kann der neue Arbeitgeber das Arbeitszeitkonto nicht übernehmen und möchte der Arbeitnehmer eine Versteuerung der Guthaben im Zusammenhang mit einem Arbeitgeberwechsel dennoch vermeiden, kommt eine Umwandlung der Wertguthaben in Anwartschaften auf unmittelbare Pensionsleistungen des alten Arbeitgebers oder in Ansprüche aus einer Unterstützungskassezusage in Frage. Mit dieser Umwandlung vermeidet der Arbeitnehmer zwar eine Besteuerung. Die Abgabenbelastung in der Sozialversicherung lässt sich auf diesem Wege jedoch leider nicht verhindern.
Wiedereinstellungszusage
Sagt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Unternehmen die Wiedereinstellung zu, kann jedoch auch eine Abgabenpflicht in der Sozialversicherung verhindert werden. Dies ergibt sich daraus, dass bei einer solchen Gestaltung die Wertguthaben weiterhin vereinbarungsgemäß verwendet werden könnten. Werden die Guthaben nicht ausbezahlt, tritt der Störfall daher erst dann ein, wenn das Arbeitsverhältnis durch Rücknahme der Wiedereinstellungszusage auch tatsächlich endgültig beendet wird. Eine solche Vorgehensweise kann auch in der betrieblichen Praxis beobachtet werden. Insbesondere wenn der Arbeitnehmer im Konzernverbund von einem Unternehmen zu einem anderen wechselt, welches bislang noch keine Wertguthaben führt, kann der alte Arbeitgeber so lange auf die Übertragung auf das aufnehmende Unternehmen verzichten und eine Wiedereinstellungszusage abgeben, bis dieses Unternehmen selbst ein System von Lebensarbeitszeitkonten eingeführt hat.
Fazit
Natürlich scheidet ein gesetzlicher Anspruch auf Übernahme der Konten bei einem Arbeitgeberwechsel aus. Räumt der neue Arbeitgeber seinen Mitarbeitern jedoch bereits selbst die Möglichkeit ein, Wertguthaben im Rahmen eines Lebensarbeitszeitkontos anzusammeln, so wird der Arbeitnehmer regelmäßig sein bestehendes Konto ohne finanzielle Einbußen mitführen können. Im Störfall können Gestaltungsmöglichkeiten die Steuer- und Abgabenbelastung verhindern.
Univ.-Prof. Dr. Dietmar Wellisch, StB, leitet den wirtschaftswissenschaftlichen Bereich des International Tax Institute der Universität Hamburg sowie die Arbeitsgemeinschaft Zeitwertkonten e.V.; Dipl.-Kfm. Sven-Oliver Lenz ist Doktorand und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am International Tax Institute.
Quelle: ntv.de