Kinder-Invaliditätspolicen Versicherer öfter in der Pflicht
21.04.2008, 07:39 UhrEin falscher Schritt auf dem Klettergerüst oder eine frühzeitige Erkrankung können Kinder ihr Leben lang beeinträchtigen. Mit einer Versicherung gegen Invalidität sorgen Eltern für solche Fälle vor. Bisher enthielten viele Policen aber Ausschlussklauseln und kamen deshalb im Ernstfall nicht immer für Folgekosten auf. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshof ändert sich das jetzt.
"Die meisten Verträge hatten bisher einen Haken: Bei angeborenen Leiden musste die Versicherung nicht zahlen", erklärt Michael Nischalke von der Stiftung Warentest. Sie hat im vergangenen Jahr 22 Versicherer getestet - davon verwendeten drei Viertel solche Ausschlussregeln. Jetzt gibt es eine neue Rechtslage: Laut einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe (Az.: IV ZR 252/06) ist eine derartige Einschränkung der Leistung unzulässig, weil sie den Versicherten unangemessen benachteiligt.
Solche Klauseln in bestehenden Verträgen sind daher unwirksam, erklärt Rechtsanwalt Martin Wendt vom Deutschen Anwaltverein (DAV). In dem Fall vor dem Bundesgerichtshof hatte eine Familie aus Berlin geklagt, nachdem bei ihrem dreijährigem Sohn eine vererbte Bluterkrankheit festgestellt wurde und die Versicherung eine Zahlung verweigerte.
Fristen beachten
"In solchen Fällen können Eltern jetzt erneut ihre Ansprüche geltend machen, wenn sie zuvor abgelehnt wurden", sagt Nischalke. In der Regel gilt dafür eine Frist von sechs Monaten nach einem Unfall oder dem Feststellen einer Krankheit - aber nur, wenn der Versicherer ausdrücklich auf diese Frist hingewiesen hat. Andernfalls verjähren Ansprüche erst innerhalb von zwei Kalenderjahren. Bis Ende 2008 können Betroffene also noch Vorfälle aus dem Jahr 2006 melden.
Eltern müssen sich dabei nicht mit der Aussage abspeisen lassen, der Fall der Familie aus Berlin sei noch nicht endgültig entschieden. "Denn im Grundsatz ist die Sache klar", sagt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten. Allerdings müssten Eltern jetzt aufpassen, wenn ihnen neue Vertragsbedingungen zugeschickt werden. "Da muss man genau hinschauen, ob geänderte Verträge nicht neue Ausschlusskriterien im Kleingedruckten enthalten", warnt Rudnik. So könnten Versicherer etwa anstatt einer pauschalen Klausel eine Ausschlussliste mit bestimmten Krankheiten in den Vertrag aufnehmen.
Will der Anbieter bei einer Vertragsänderung die Preise erhöhen, hätten Versicherte zudem ein Sonderkündigungsrecht. "In der Regel werden die Verträge aber nur für Neukunden geändert - da wird jetzt einfach diese Ausschlussklausel weggelassen", sagt Katrin Rüter de Escobar vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV. Ansonsten bleibe die Einschränkung, dass die meisten Policen erst ab dem zweiten Lebensjahr angeboten werden. "Und dabei sind angeborene Erkrankungen, die schon vorher bekannt waren, auch weiterhin vom Versicherungsschutz ausgeschlossen."
Leistungen der Kinder-Invaliditätsversicherung
In Deutschland haben nach Angaben des Bundes der Versicherten rund 200.000 Eltern eine Invaliditätsversicherung für ihre Kinder abgeschlossen. Sie zahlt, wenn ein Unfall oder eine Erkrankung zu einer Schwerbehinderung des Kindes führt. Je nach Modell erhalten versicherte Kinder eine lebenslange Rente, eine Abfindung oder eine Kombination aus beidem. Die Police bietet einen umfangreicheren Schutz als eine reine Unfallversicherung - sie kostet teilweise aber mehr als 400 Euro im Jahr und ist damit meist deutlich teurer. Umso ärgerlicher ist es, wenn die Versicherung im Schadensfall nicht zahlt.
Quelle: ntv.de