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Entwicklung der Bauzinsen Werden Immobilienfinanzierungen jetzt teurer?

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Die Bauzinsen dürften vergleichsweise hoch bleiben.

Die Bauzinsen dürften vergleichsweise hoch bleiben.

(Foto: Andrea Warnecke/dpa-tmn)

Das Börsenbeben der vergangenen Woche. Die US-Wahl. Die Unsicherheit der großen Notenbanken. Die welt- und finanzpolitische Lage macht Vorhersagen zur Zinsentwicklung derzeit extrem komplex. Max Herbst, Chef der FMH-Finanzberatung wagt dennoch einen Blick in die Glaskugel.

Wer ein Haus oder eine Wohnung kauft, trifft meist die weitreichendste Finanzentscheidung seines Lebens - und braucht entsprechend verlässliche Entscheidungshilfen. Die wichtigsten Parameter sind dabei: die eigene Finanzkraft, die aktuellen Bauzinsen und die Entwicklung der Immobilienpreise.

Max Herbst ist Inhaber der FMH-Finanzberatung, die seit 1986 unabhängige Zinsinformationen erstellt.

Max Herbst ist Inhaber der FMH-Finanzberatung, die seit 1986 unabhängige Zinsinformationen erstellt.

Während die erste Frage sich meist mit einem Blick aufs Bankkonto oder Depot beantworten lässt, sind die beiden letzten Faktoren deutlich schwieriger einzuschätzen.

Beginnen wir mit den Immobilienpreisen. Ihre Höhe ist eng an Angebot und Nachfrage gekoppelt. Da die Nachfrage nach guten Objekten derzeit wieder anzieht und attraktive Immobilien noch immer Mangelware sind, gehen die Preise aktuell gerade wieder etwas nach oben. Diese Entwicklung ist nicht ganz überraschend, kann Kaufinteressenten aber dennoch Probleme bereiten.

Deutlich schwieriger ist es, die Entwicklung bei den Konditionen für Hypothekendarlehen vorherzusagen. Zwar nährt die Leitzinssenkung der Europäische Zentralbank (EZB) bei vielen potenziellen Käufern die Hoffnung, dass auch die Bauzinsen günstiger werden könnten. Das aber ist nicht immer der Fall.

Warum die EZB die Bauzinsen nur ein bisschen beeinflusst

Geht man davon aus, dass Baukredite meist eine Zinsbindung von zehn Jahren oder länger haben, dann werden Banken sie überwiegend aus Geldern bestreiten, die sie mit langen, mittleren und kurzen Laufzeiten auf dem Kapitalmarkt eingekauft haben - oft auch beim normalen Endkunden.

  • Die kurzfristigen Darlehensteile bei zehnjährigen Baufinanzierungen werden folglich oft mit Tagesgeld und Festgeld refinanziert - hier wirken sich die Zinsentscheidungen der EZB durchaus auf die Höhe der Zinsen aus.
  • Bei den mittleren und längeren Darlehensteilen hingegen greifen Banken und Sparkassen in Deutschland hingegen gerne auf Pfandbriefe oder langlaufende Festgelder und Sparbriefe zurück. Für eine seriöse Bank ist es aber selbstverständlich, dass langfristige Kundendarlehen auch mit langfristigen und sicheren Refinanzierungen unterlegt sind. Die höchste Sicherheit bietet der deutsche Staat, was man an der niedrigen Rendite der Bundesanleihe ablesen kann. Fast genauso gut sind Pfandbriefe, die als sogenannte mündelsichere Anlage gelten. Sie dienen allerdings nur der Refinanzierung von grundbuchlich gesicherten Baudarlehen.
  • Steigen die Renditen der Staatspapiere, steigen fast immer auch die Renditen der Pfandbriefe. Die Entwicklung der Bauzinsen ist abhängig von Pfandbriefrendite und diese wiederum orientieren sich an den Bundesanleihen. Hier wirkt sich die EZB-Politik allenfalls mittelbar aus.
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(Foto: FMH)

Die zuletzt etwas gesunkenen Renditen der Bundesanleihe und Pfandbriefe müssen allerdings nicht unbedingt auf diesem Niveau bleiben. Langfristig orientierte Investoren sind zwar auf Sicherheit bedacht, haben aber gleichzeitig steigende Inflationsaussichten im Blick, die sie gar nicht mögen. Kommt es daher zu einem wechselnden Anlageverhalten, beeinflusst das die Renditen: entwickeln sich Aktien schlecht, wechseln viele Anleger in sichere Anleihe-Werte, was wiederum die Rendite drückt.

Wenn die EZB die Leitzinsen, wie erwartet, bald noch einmal senkt, könnten sich dadurch paradoxerweise die Bundesanleihe und die Pfandbriefe verteuern, weil Investoren befürchten, dass die Notenbank die Inflationsbekämpfung vernachlässigt und deshalb durch höhere Rendite ausgeglichen haben will.

Bauzinsen und Inflation: Ein komplexes Zusammenspiel

Was bedeutet dies nun für die Entwicklung der Bauzinsen?

Aktuell haben wir eine Inflation von 2,3 Prozent. Zehnjährige Bundesanleihen rentieren mit 2,25 Prozent, Pfandbriefe mit 2,97 Prozent. Und weil die Bauzinsen immer etwas über diesen Pfandbrief-Werten liegen, müssen Kunden derzeit etwa 3,5 bis 3,6 Prozent Zinsen für ihre Baufinanzierung hinlegen.

Die Differenz zwischen Pfandbriefrendite und Bauzins verwendet die Bank dann für die Kosten der Darlehensvergabe - und die eigene Marge.

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(Foto: FMH)

Immobilienfinanzierung: Bis auf Weiteres drohen keine dramatischen Verwerfungen

Mit Blick auf die Entwicklung der Bauzinsen in den kommenden Monaten werden folgende Aspekte die Entwicklung beeinflussen:

  • Die Unsicherheit auf dem Aktienmarkt: Sie wird bleiben und spricht für niedrige Anleihezinsen bei Bundesanleihen und Pfandbriefen, da Investoren Sicherheit statt Risiko suchen.
  • Die Inflation: Sie könnte im August und September nochmals steigen. Dies spricht wiederum für höhere Renditen bei Pfandbriefen und Staatsanleihen.
  • Die Politik der Notenbanken: Auch sie könnte die Renditen der Staatspapiere nach oben treiben. Sollte die EZB die Leitzinsen im September nochmals um 0,25 Prozent senken - trotz minimal steigender Inflation, könnte dies Investoren etwas verunsichern. Entscheiden sich EZB und Fed (Amerikanische Notenbank) indes gegen Zinssenkungen, könnte das die Renditen der Staatspapiere (und damit die Bauzinsen) relativ konstant halten.

In einer solchen Situation sind Prognosen natürlich schwierig.

Ich persönlich gehe aber davon aus, dass es keine dramatischen Verwerfungen bei den Bauzinsen geben wird, sondern der aktuelle Indexwert von 3,45 Prozent um 0,25 Prozentpunkte nach oben oder unten ausschlagen könnte.

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Hintergrund sind diese Überlegungen:

  • EZB und FED werden ihre angekündigten Zinssenkungen um 0,25 Prozentpunkte durchführen, was nicht zu einem Abbau der Inflation beitragen wird und deshalb auch nicht zu niedrigeren Bauzinsen führt.
  • Der unsichere Ausgang der US-Wahlen wird weiterhin Nervosität an den Kapitalmärkten hervorrufen. Gleiches gilt für die politische Weltlage.
  • Beide Aspekte treiben Kapitalanleger eher in sichere Geldanlagen wie deutsche Bundesanleihen, weswegen deren Renditen niedrig bleiben dürften.
  • Einen gegenläufigen Trend könnte allenfalls ein Sieg der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hervorrufen, weil Investoren auch politische Zuverlässigkeit und Stabilität schätzen.

Max Herbst ist Inhaber der FMH-Finanzberatung, die seit 1986 unabhängige Zinsinformationen erstellt.

Quelle: ntv.de

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