Sind wirklich alle gleich? Wichtige Diskriminierungsurteile
10.04.2010, 08:00 UhrKopfbedeckung, Ehe, einschlägige Stellenausschreibungen: Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat maßgebende Urteile deutscher und europäischer Gerichte, gesetzliche Regelungen und Initiativen zusammengestellt.

Bei Stellengesuchen müssen Arbeitgeber vorsichtig sein.
(Foto: dpa)
Die Antidiskriminierungsstelle wurde im August 2006 mit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) errichtet. Ziel ist es, bei Bewerbungen um einen Arbeitsplatz oder eine Wohnung, aber auch in vielen weiteren Belangen des täglichen Lebens Diskriminierung zu verhindern oder zu beseitigen. Hier einige wichtige Urteile im Überblick.
Muttersprache als Voraussetzung
Die Klägerin, die in der Dominikanischen Republik geboren worden ist und über einen Magisterabschluss in Medienwissenschaften sowie einen Masterabschluss in Kunst verfügt, hatte sich um eine ausgeschriebene Stelle bei einem Kunstverein für einen Infopoint beworben. Im Laufe des Bewerbungsverfahrens war ihr per E-Mail mitgeteilt worden, dass sich die ausgeschriebene Position an eine deutsche Muttersprachlerin bzw. einen deutschen Muttersprachler richte und die Bewerbung deshalb nicht berücksichtigt werden könne.
Das Arbeitsgericht Berlin sah hierin eine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft. Deutsche Muttersprachlerinnen und Muttersprachler kommen nur in einem kleinen Teil der die Welt bevölkernden Ethnien vor, sodass das Kriterium der deutschen Muttersprache zu einem Ausschluss einer großen Zahl von Ethnien führt. Jeder Mensch, dessen Muttersprache eine andere als die deutsche ist, kann sich perfekte Kenntnisse in deutscher Schrift und Sprache aneignen. Das Arbeitsgericht Berlin sprach der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 3.900 Euro nebst Zinsen wegen einer Benachteiligung aufgrund der ethnischen Herkunft zu.
Einstellungsbeschränkung auf Frauen
Der Träger eines Mädcheninternats darf bei der Besetzung einer Betreuerstelle die Bewerberauswahl auf Frauen beschränken, wenn die Tätigkeit auch zu einem nicht unerheblichen Teil der Arbeitszeit (25 %) mit Nachtdiensten im Internat verbunden ist. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts stellt das weibliche Geschlecht in diesem Fall eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dar. Dabei steht es der Arbeitgeberin bzw. dem Arbeitgeber auch frei festzulegen, welche Arbeiten am Arbeitsplatz zu erbringen sind.
Kopfbedeckung aus religiösen Gründen
In einem aus NRW stammenden Fall hat eine Klägerin – die als Sozialpädagogin in einer Gesamtschule tätig ist – die Unwirksamkeit einer Abmahnung geltend gemacht, die ihr wegen ihrer religiösen Kopfbedeckung vom beklagten Land erteilt worden ist. Nachdem sie der Aufforderung des beklagten Landes, das von ihr zuvor getragene islamische Kopftuch abzulegen, nachgekommen ist, trägt sie eine Baskenmütze, die ihre Haare vollständig bedeckt. Die gegen die Abmahnung gerichtete Klage blieb – wie auch in den Vorinstanzen – vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg.
Nach Feststellung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf war die von der Klägerin getragene Baskenmütze als "religiöse Bekundung" und nicht – wie die Klägerin argumentierte – als ein modisches Accessoire aufzufassen. Die Klägerin verstieß deshalb gegen das staatliche Neutralitätsgebot des § 57 Abs. 4 S. 1 Schulgesetz NRW. Das Gesetz selbst – so das Gericht – ordne die Neutralitätspflicht als wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung im Sinne des § 8 AGG an (LAG Düsseldorf, Urteil vom 10. April 2008 – 5 Sa 1836/07). Das Bundesarbeitsgericht bestätigte mit seinem Baskenmützen-Urteil, dass das im Schulgesetz NRW festge-schriebene Verbot religiöser Bekundungen im Einklang mit dem Grundgesetz sowie den nationalen und europäischen Diskriminierungsverboten steht.
Stellenausschreibung fürs erste Berufsjahr
Das Bundesarbeitsgericht gab dem Antrag des Betriebsrats gemäß § 17 Abs. 2 AGG i. V. m. § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG statt, der von dem Arbeitgeber verlangt hatte, in einer internen Stellenausschreibung darauf zu verzichten, ausschließlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ersten Berufsjahr zu suchen. Im konkreten Fall konnte der Betriebsrat durch Mitarbeiterlisten nachweisen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ersten Berufsjahr durchschnittlich gut sechs beziehungsweise 13 Jahre jünger als solche im zweiten bzw. dritten Berufsjahr waren.
Die Begrenzung einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im ersten Berufsjahr stellt damit eine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters dar, weil der Arbeitgeber auch nicht nachweisen konnte, dass er mit einer solchen Beschränkung ein rechtmäßiges Ziel verfolgt und diese zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich ist. Der Arbeitgeber hatte die Beschränkung in der Ausschreibung wegen des niedrigeren Tarifgehalts von jüngeren Beschäftigten vorgenommen. Diese Kostengesichtspunkte waren nach Ansicht des Gerichts aber nicht ausreichend, um die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.
Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft
Das Bundesverfassungsgericht hat erstmals die Ungleichbehandlung von Ehe und einge-tragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenrente für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes nach der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) für verfassungswidrig erklärt.
Im Rahmen der Zusatzversorgung der VBL gab es keine Hinterbliebenenrente für eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner. Darin hat das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung gesehen.
Quelle: ntv.de, akl