Schimmel, Algen, Kosten Wie schädlich ist Wärmedämmung?
03.12.2014, 19:33 Uhr
Ungeklärt ist, wie Styropor einmal entsorgt wird, wenn es in 40 bis 50 Jahren wieder abgebaut wird.
(Foto: picture alliance / dpa)
Um den CO2-Ausstoß deutlich zu senken, sollen Hausbesitzer massiv in Wärmedämmung investieren. Doch selbst bei Anhängern der Grünen ist die Skepsis groß: Dämmung verursache Schimmel und führe zur Algenbildung und die Entsorgungsfrage sei auch noch nicht gelöst. Stimmt das?
Deutschlands Hausbesitzer sollen mithelfen, die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen. Neben KfW-Darlehen sollen sie künftig auch steuerlich profitieren, wenn sie Heizkessel tauschen, moderne Fenster einbauen oder in eine bessere Dämmung investieren. Gerade letzteres ist allerdings nicht unumstritten. Hässlichkeit ist noch der harmloseste Vorwurf, wenn es um die Frage der Wärmedämmung geht. Schimmel und Brandgefahr sind weitere Argumente der Dämmungs-Skeptiker. Und nicht zuletzt gibt es Zweifel daran, ob sich die Sache überhaupt lohnt. Was ist da dran?
Wärmedämmung rechnet sich nicht
Wärmedämmung, so viel ist klar, ist nicht billig. Bis zu 130 Euro kostet es, einen Quadratmeter Außenwand mit Styropor zu verkleiden, für Innenwände zahlt man 30 bis 40 Euro und fürs Dach werden bis zu 150 Euro pro Quadratmeter fällig. Für die energetische Sanierung eines Einfamilienhauses muss man auf jeden Fall fünfstellige Summen kalkulieren. Ob und wann sich das rechnet, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Von den Voraussetzungen des Gebäudes und vom Zustand der Gebäudehülle ebenso wie von der Energiepreisentwicklung und davon, ob die Bewohner tatsächlich weniger heizen. Mit gut gemachten Dach- und Fassadendämmungen ließen sich 30 bis 40 Prozent der Heizkosten einsparen, zeigen Analysen der Klimaschutzkampagne co2online. Die Betonung liegt hier allerdings auf "gut gemacht": Fehler bei Planung und Ausführung wirken sich bei einer Lebensdauer von 30 bis 50 Jahren empfindlich auf den Geldbeutel aus.
In der Mehrzahl der Fälle ist Wärmedämmung wirtschaftlich grundsätzlich sinnvoll, da sind sich die Experten weitgehend einig. Entscheidend ist aber, dass die Maßnahme überhaupt zum Gebäude passt. In Altbauten lasse sich zudem nur begrenzt neueste Technik einbauen, sagt Professor Sven Bienert vom Institut für Immobilienwirtschaft der Universität Regensburg. "Hier lohnt sich die Sanierung zwar, aber eben nur bis zu einem gewissen Grad. Danach wird es sehr teuer."
Hausbesitzer profitieren nicht nur von geringeren Energiekosten, sondern auch von der Wertsteigerung des Gebäudes. Inwieweit sich die Sanierung auch für Mieter rechnet, ist allerdings fraglich. Jährlich dürfen Vermieter bis zu elf Prozent der Sanierungskosten auf die Jahresmiete aufschlagen. Theoretisch bleibt die Gesamtbelastung fast gleich, weil die Heizkosten sinken. In der Praxis sind diese Heizkostenersparnisse aber keineswegs garantiert. Der Deutsche Mieterbund fordert deshalb, dass auch der Erfolg der Sanierungsmaßnahmen bei der Mieterhöhung berücksichtigt werden muss.
Wärmedämmung ist brandgefährlich
Am Boden vor dem Häuserblock brennen Müllcontainer und Minuten später steht die komplette Fassade lichterloh in Flammen. Der Großbrand in Delmenhorst im Jahr 2011 war nur einer von über 50 Fällen, in denen Fassadendämmungen aus Polystyrol in Flammen aufgingen. Polystyrol, also Styropor, ist mit Abstand der beliebteste Dämmstoff in Deutschland, denn er ist billig und praktisch – und leider auch leicht entzündlich. Je dicker die Dämmstoffplatten sind, desto gefährlicher.
Um die Risiken zu minimieren, werden Polystyrolplatten mit Flammschutzmitteln behandelt, außerdem sehen die Bauordnungen der Länder verschiedene Sicherheitsmaßnahmen vor. So können Brandschutzriegel oder Sturzschütze über den Fenster verhindern, dass sich Brände über die Fassade ausbreiten. Das klappt aber nicht immer, wie die Brände zeigen.
Das Forschungsinstitut für Wärmetechnik hat die bekannten Brandfälle im Rahmen einer Metastudie genauer untersucht und stieß auf eine "Gemengelage mit Interessenskonflikten zwischen Lobbyisten, Pfusch am Bau, unklaren Regelungen auf nationaler und europäischer Ebene und den Erfordernissen der Energiewende". In vielen Fällen könne aber Entwarnung gegeben werden. Oft seien bei den Bränden Baumängel im Spiel gewesen, manchmal brannte die Fassade auch schon im unfertigen Zustand.
Bei fachgerechtem Einbau sollte das Brandrisiko also überschaubar sein. Wer ganz sicher gehen will, der kann auch auf mineralische Dämmstoffe ausweichen. Sie sind nämlich nicht brennbar.
Wärmedämmung verursacht Schimmel
Der Vorwurf: Gedämmte Wände können nicht atmen und dadurch kommt es zu Schimmel. Ein Irrtum. Schimmel entsteht nicht durch zu dichte Wände, sondern dann, wenn warme Raumluft mit hoher Luftfeuchtigkeit an kalten Außenwänden kondensiert. Eine fachgerechte Dämmung hält die Wände warm, deshalb sollte es hier eben gerade nicht zu Schimmel kommen.
Doch auch in gedämmten Gebäuden gibt es Wärmebrücken, an denen die Luft abkühlt. Am Fenster etwa oder an Balkonplatten. Damit sich hier kein Tauwasser festsetzen kann, ist regelmäßiges Lüften unerlässlich. Ungedämmte Gebäude lüften sich zum Teil von selbst - nicht über das Mauerwerk, sondern über Fenster und Türen, die nicht besonders dicht sind. Bei einem gedämmten Gebäude muss man dagegen selbst für regelmäßigen Luftaustausch sorgen. Wer das versäumt, bekommt wahrscheinlich tatsächlich ein Schimmelproblem.
Die Fassaden veralgen
Gedämmte Wände werden nicht von innen gewärmt, Regenwasser trocknet also nicht so schnell wie auf ungedämmten Fassaden und Luftfeuchtigkeit kondensiert. Die hässliche Folge: Algenbildung. Doch der grau-grüne Belag ist nicht nur ein kosmetisches Problem, sondern unter Umständen auch gesundheitsschädlich. Dort, wo es feucht ist, gedeihen auch Schimmelsporen prächtig und sie können beim Lüften ins Haus gelangen. Besonders betroffen sind Häuser mit Nord- oder Westausrichtung oder nahe am Wald.
Wie auch sonst beim Thema Dämmung lassen sich auch hier durch sorgfältige Planung Schäden vermeiden. Bei Neubauten können Dachüberstände oder Tropfkanten an den Fensterbänken eine dauerhafte Durchfeuchtung verhindern. Außerdem spielt die Wahl des Putzes eine Rolle. Mineralische Putze trocknen schneller und können die Feuchtigkeit relativ gut puffern. Eine Alternative sind kunstharzbeschichtete Systeme, die Wasser einfach ablaufen lassen. Eine andere Möglichkeit, die allerdings nicht jedem behagen dürfte, sind biozidhaltige Anstriche.
Die Entsorgungsfrage ist ungeklärt
Idealerweise hält die Fassadendämmung 40 bis 50 Jahre, danach muss sie entsorgt werden. Bei Mineralwolle oder Schüttdämmstoffen wie Altpapierflocken ist Wiederverwertung kein Problem. Auch Hartschaum kann zu Granulat verarbeitet und weitergenutzt werden. Aber wohin mit den vielen tausend Hektar Styoporplatten, die ab 2040 von den Häusern gekratzt werden? An sich kann auch Styropor recycelt werden, das ist bei den Platten aus der Wärmedämmung aber nicht so einfach, denn sie sind unter anderem mit Klebern und Putzmaterial verunreinigt. Im Moment landen deshalb über 75 Prozent der Styopor-Dämmstoffe in der Müllverbrennung, in den nächsten Jahrzehnten dürfte auch an den Recyclingmöglichkeiten weiter geforscht werden. Als Sondermüll müssen die Platten aber auch schon heute nicht entsorgt werden.
Quelle: ntv.de