Wie werde ich ...? Brummifahrer
15.02.2008, 07:50 UhrLange Arbeitszeiten, schlechte Bezahlung, kilometerlange Staus auf den Autobahnen und eine zumeist tagelange Trennung von der Familie - rosige Arbeitsbedingungen hören sich anders an.
Nicht zuletzt deshalb zählt der Fernfahrer nicht gerade zu den Traumberufen und suchen Deutschlands Speditionen derzeit verzweifelt Brummifahrer, die ihre Güter transportieren. Rund 12.000 offene Fahrer-Stellen sind nach Angaben des Verbands für Spedition und Logistik Baden-Württemberg (VSL) derzeit zu besetzen. "Die Konjunktur brummt, die Speditionen haben jede Menge Fahrzeuge auf dem Hof stehen, finden aber keine Fahrer", sagt Verbandsgeschäftsführer Herbert Riedel. Denn das Problem seien nicht nur die Arbeitsbedingungen, sondern auch die gestiegenen Ansprüche der Arbeitgeber an ihre Fahrer.
Spezialausbildung gefragt
Eine möglichst fehlerfreie deutsche Sprache, ein gepflegtes Äußeres sowie ein entsprechender Umgang mit Kunden seien heute Grundvoraussetzungen für eine Einstellung. Zudem müssten die Fahrer je nach Ladung speziell ausgebildet sein - etwa, wenn es um Verladung und Transport von hochexplosivem Gefahrengut geht. So sind bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg zwar etwa 36.000 Brummifahrer arbeitslos gemeldet, finden jedoch trotz der gestiegenen Nachfrage keinen Job.
Das Thema Ausbildung ist ein großes Problem in der Branche. Was früher die Bundeswehr leistete - ein Großteil der Lkw-Fahrer hatte den entsprechenden Führerschein während des Wehrdienstes gemacht - müssen heute Berufsschulen und Speditionen übernehmen. Das Logistikunternehmen Fiege aus Greven hat deshalb eine betriebseigene Fahrschule in Gelsenkirchen gegründet. Alle Fahrer, die dort ihren Lkw-Führerschein machen, erhalten die Garantie auf einen Job im Unternehmen. Doch auch hier ist das Bewerberpotenzial nicht immer das, was sich die Arbeitgeber vorstellen.
Dabei hat ein Kraftfahrer allen Unkenrufen zum Trotz und entgegen seines schlechten Rufs durchaus die Chancen auf bessere Arbeitsbedingungen. "Die Lkw-Fahrer sitzen seit etwa einem Dreivierteljahr am längeren Hebel als die Arbeitgeber", sagt Matthias Rathmann vom Branchenmagazin "trans aktuell" in Stuttgart. Durch den hohen Bedarf der Spediteure könnten die Fahrer durchaus auf den Tisch hauen und gegenüber ihren Chefs auch auf ihren Rechten bestehen. "Viele Fahrer trauen sich aber kaum, sich zu wehren."
Druck und Stress
Der 59 Jahre alte Herbert Vießmann sitzt seit 1969 für eine auf Klaviertransporte spezialisierte Spedition hinter dem Steuer und weiß, weshalb sich seine Kollegen nicht wehren. "Jeder hat Angst um seinen Arbeitsplatz, die Chefs drohen teilweise massiv mit der Entlassung", erzählt er. Und das, obwohl die Fahrer durch die strengen Zeitvorgaben und das erhöhte Verkehrsaufkommen ohnehin schon genug unter Druck und permanentem Stress stehen.
Auch Vießmann ist oft tagelang nicht zu Hause und gibt zu, dass die Familie sehr darunter leidet. Und doch: Trotz aller Einschränkungen und negativen Begleiterscheinungen ist Vießmann glücklich in seinem Beruf: "Ich bin mit Leib und Seele Brummifahrer."
Quelle: ntv.de