Tristesse in Oslo Der WM-Gastgeber hat sich aufgegeben
31.01.2025, 21:06 Uhr
Die beste Handball-Mannschaft der Welt und eine leere Tribüne.
(Foto: IMAGO/NTB)
Die Handball-Weltmeisterschaft geht dieser Tage in Oslo zu Ende. Die Gastgeber sind sportlich längst nicht mehr Teil der Party, auch ansonsten zeigen die Norweger wenig Interesse daran, was im eigenen Wohnzimmer passiert.
Am Anfang waren sie alle noch da: König Harald V. war persönlich aus dem Palast zum Auftakt der Handball-Weltmeisterschaft in die Gemeinde Baerum an der Peripherie Oslos gereist, um seine Begeisterung zu zeigen. Knapp zehntausend Landsleute waren dort in die Unity Arena gekommen, um ihrer Nationalmannschaft einen Raketenstart in die WM zu verschaffen. Dann aber ging alles schief: 26:29 verloren die stolzen Norweger um Superstar Sander Sagosen gegen Außenseiter Brasilien, die Euphorie wich blankem Entsetzen. Auch der König wirkte nicht mehr sehr glücklich.
"Ein schrecklicher Start in die Weltmeisterschaft", hieß es in den heimischen Blättern da schon, woanders schrieb man: "Wir ruinieren fast das Turnier, bevor es überhaupt begonnen hat" - es waren verzweifelte Rufe vom Rande des Abgrunds. Spätestens mit dem 28:31 gegen Portugal am letzten Spieltag der Vorrunde war es dann vorbei.
Kronprinzessin Mette-Marit und Kronprinz Haakon hatten sich die Ehre gegeben und die Pleite mit royaler Haltung ertragen, aber: Der Glanz der Veranstaltung hatte am Standort Oslo schon in den ersten Tagen schwer Schaden genommen und er sollte auch nie wieder zurückkehren. Inzwischen ist er nahezu komplett erloschen. Die Gastgeber haben ihre Party nämlich schon längst verlassen. Zum Hauptrundenkracher gegen Spanien waren gerade mal noch 5000 Menschen in die Halle gekommen, die 13.500 Fans Platz bietet. Der König blieb zu Hause.
An den anderen WM-Standorten in Dänemark und Kroatien war die Resonanz auch enttäuschend, wenn das Heimteam nicht spielte. Aber da gab es wenigstens große Handballfeste, wenn Kroaten oder Dänen spielten. Beide Teams stehen sich nun am Sonntag im Endspiel gegenüber - in Oslo.
Fressbuden statt Partymeile
Für den Doppel-Spieltag am vergangenen Mittwoch waren bis einen Tag vor den Viertelfinal-Duellen der Handball-Großmächte Dänemark und Deutschland gerade einmal 4000 Tickets verkauft worden. Am Ende hatten sich dann immerhin noch rund 7000 Menschen nach Baerum aufgemacht. Die meisten hatten einen weiten Weg auf sich genommen. Norweger, die ihrer Veranstaltung einen würdigen Rahmen verpassen wollten, waren kaum in die Unity Arena gekommen. Dabei ist Norwegen eine Handball-Nation, 2017 und 2019 war man noch Vize-Weltmeister, mit Sander Sagosen haben sie einen der wenigen Weltstars des Sports im Nationalteam.
Der Weltverband IHF, die angeschlossenen Fernsehanstalten und schließlich nicht zuletzt die Mannschaften dürften sich gefreut haben, dass die dänischen Fans, die ins Nachbarland gereist waren, nach dem 33:21 ihres Teams gegen Brasilien nicht in Scharen die Halle verließen. Die sieben Millionen deutschen TV-Zuschauer hätten sonst noch viel traurigere Bilder aus Oslo übertragen bekommen. Die deutschen Fans, die sich nach Norwegen aufgemacht haben, dürften sich derweil nicht nur über eine desaströse erste Hälfte ihrer Mannschaft gewundert haben: 30 Minuten lang feierte der Hallensprecher die unglaublichen Paraden des deutschen Torwarts Alex Wolff. In echt heißt der Mann Andreas. Es sind auch diese Kleinigkeiten.
Die Arena selbst atmet keinen Charme, das kann man dieser leicht brutalistischen Bauart nicht zum Vorwurf machen. Sie steht auf dem Gelände des ehemaligen Osloer Flughafens Fornebu, es gibt viel Grau rundherum, der Umlauf um die Halle ist Brache. Zweckmäßig eben, einen prunkvollen Palast haben sie ja schon in der Innenstadt, gelegen auf einem Hügel, mit viel Grün. Die Unity Arena ist der Anti-Palast. Aber so sind sie eben, diese Riesenarenen. Doch es hätte Möglichkeiten gegeben, diese Zweckmäßigkeit nicht den Gästen überzustülpen.
Wo sie am dänischen Spielort in Herning gleich eine gewaltige Messehalle vollgestopft hatten mit Mitmach-Stationen zwischen Handballspaß und Materialschlacht der Sponsoren, stehen in Oslo drei Fressbuden - Modell Dorfkirmes 1985 - vor der Halle. Über dem Arena-Vorplatz liegt ein dezenter Fettgeruch. Der Rest ist Schlacke. Im wunderschönen Oslo, das bis zum Halbfinaltag meistens unter einem grauen Wolkenschleier liegt, deutet selbst an zentralen Plätzen nichts darauf hin, dass der Welthandball ein paar Schlagwürfe entfernt die wichtigste Party des Jahres abhält. Während die Gäste im Wohnzimmer für Stimmung sorgen, liegen die Gastgeber schon im Bett.
Bald ist es geschafft
Zum Halbfinale zwischen Portugal und Dänemark (40:27) ist die Unity Arena dann gut gefüllt. Es ist ihr großes Glück, dass sich der Serienweltmeister aus dem Nachbarland qualifiziert hat. Die Arena auf dem Flughafengelände ist in Rot und Weiß ausgekleidet, sie könnte auch in Kopenhagen stehen. Dazu gibt es ein paar Anhänger des Sensationsteams aus Portugal und dazwischen ein paar unglückselige deutsche Fans. Ja, im Publikum sitzen mehr Deutsche, die zu großes Vertrauen in ihr Team hatten, als Norweger, die sich für die beste Handball-Mannschaft der Welt vor ihrer Haustür interessieren. Es ist kaum auszudenken, in welcher Kulisse das Halbfinale stattgefunden hätte, hätte sich Dänemark völlig überraschend nicht qualifiziert.
Am Sonntag findet das Endspiel der Handball-Weltmeisterschaft in Oslo statt, die anderen Co-Gastgeber Dänemark und Kroatien spielen gegeneinander. Dann haben sie es hinter sich. Viel abzubauen haben sie nicht, schon jetzt erinnert außerhalb der Halle kaum noch etwas an die Handball-Weltspiele von 2025. Mal sehen, ob sich wenigstens der König noch einmal die Ehre gibt.
Quelle: ntv.de