Boykott, Rekorde, Doping Die umkämpften Olympischen Spiele in Moskau
19.07.2021, 11:10 Uhr
Völkerfreundschaft verspricht dieses Bild. Davon waren die Spiele weit entfernt.
Auch 1980 ist die Welt nicht in Ordnung. Heute vor 41 Jahren werden die Olympischen Sommerspiele im Zentralen Lenin-Stadion in Moskau eröffnet. Über 40 Länder sind nicht dabei. Sie boykottieren die Spiele, die auch als "Chemiker-Spiele" in die Geschichte eingehen.
Es war die wohl spektakulärste Eröffnungsfeier, die Olympische Spiele bis dahin gesehen hatten. Im Zentralen Lenin-Stadion (heute Luschniki), in dem 103.000 Zuschauer Platz fanden, war am 19. Juli 1980 ein ganzer Tribünenblock mit Statisten bestückt worden. Mit bunten Fähnchen erzeugten die "Sowjetmenschen" riesige Bilder, passend zu den Geschehnissen im Stadion.
Dort spielte sich bei den ersten Sommerspielen in einem kommunistischen Staat bis dahin Ungesehenes ab. Beim Einmarsch der Athletinnen und Athleten liefen einige Nationen hinter der Olympia-Flagge statt hinter ihrer eigenen her. Es war ein Zeichen des Protestes gegen den Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan.
Insgesamt 42 Länder, darunter Vorreiter USA, die Bundesrepublik Deutschland und Japan hatten deshalb gleich ganz auf ihre Teilnahme in Moskau verzichtet. Zuvor war die US-Regierung mit dem Vorhaben gescheitert, die Spiele an einen anderen Ort verlegen zu lassen.
Die UdSSR räumt ab, Weltrekorde purzeln
Für die deutschen Handball-Weltmeister um Heiner Brand oder Zehnkampf-Weltrekordler Guido Kratschmer brach mit dem Boykott eine Welt zusammen. "Dieser Wettbewerb war zu gewinnen", sagte Kratschmer später über den Olympiasieg von Daley Thompson. Die Briten waren dem Boykott-Aufruf ihrer amerikanischen Freunde ebenso wenig gefolgt wie Frankreich, Italien, Schweden, Spanien oder Österreich.

Leonid Iljitsch Breschnew ließ sich die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele natürlich nicht nehmen.
(Foto: imago stock&people)
"Der Boykott war eines der berühmtesten, aber widersinnigsten, überflüssigsten und politisch wie sportlich schädlichsten Ereignisse", sagte der damalige NOK-Präsident Willi Daume, den der Verzicht wohl die Karriere kostete: Er verlor die Wahl zum IOC-Präsidenten vor den Spielen gegen Boykottgegner Juan Antonio Samaranch.
Sportlich profitierten die UdSSR (80xGold) und die DDR (47) am meisten von der Abwesenheit der Konkurrenz, sie gewannen mehr als die Hälfte der Medaillen (321). Die 4x100m-Staffel der DDR um Marlies Göhr stellte in 41,60 Sekunden einen von insgesamt 36 Weltrekorden auf.
Neun Jahre später kam der australische Senat in einer Untersuchung zu dem Urteil, dass kein Goldmedaillengewinner dieser Spiele nicht mit verbotenen Mitteln unterwegs gewesen war - und nannte Moskau 1980 "die Chemiker-Spiele".
Quelle: ntv.de, sue/sid