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Sechs Dinge, gelernt am 29. Spieltag Guardiola verzweifelt, Klopp fährt Panzer aus

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So viel Gefühl am 29. Spieltag der Fußball-Bundesliga: Jürgen Klopp muss sich gegen die Emotionen wappnen, auch Bayern-Kollege Josep Guardiola braucht Schutz. Hertha-Coach Pal Dardai fällt die beste Ausrede der Saison ein.

1. Josep Guardiola fühlt sich einsam

Diese Erkenntnis verdanken wir Christoph Daum, im Nebenberuf immer schon Psychologe. Er blickte bei "Sky90" in den Kopf des Bayern-Trainers hinein und diagnostizierte große Einsamkeit. "Er stößt an seine Grenzen, und er ist verzweifelt", weiß Daum. Schuld haben die anderen, die Guardiolas geniale Pläne torpedieren. Vor allem die Spieler, wenn sie solche Böcke bauen wie gegen Porto. Machtlos muss der arme Guardiola zuschauen, sagte Daum: "Er fühlt sich sehr alleine."

Christoph Daum ist nicht nur Trainerlegende, sondern auch Psychologe!

Christoph Daum ist nicht nur Trainerlegende, sondern auch Psychologe!

(Foto: picture-alliance/ dpa)

In Hoffenheim taten seine Spieler Guardiola den Gefallen, ihre Aussetzer sehr niedrig zu dosieren. Dante ließ einmal den Ball durchrutschen, aber damit muss rechnen, wer den Brasilianer derzeit aufstellt. Manuel Neuer bügelte den Lapsus aus. Beim Fehler von Sebastian Rode, der im Strafraum Sebastian Rudy umtrat, übernahm das Referee Tobias Stieler. Er verweigerte den fälligen Elfmeterpfiff - vielleicht aus Rücksicht auf Guardiola. Der Spanier hatte sich nach einem harten Foul von Rudy an Juan Bernat so heftig am lichten Haupt gekratzt, dass zu befürchten stand, er werde bald selbst wegen einer Kopfhautzerrung das Bayern-Lazarett bereichern. Zur Halbzeit musste Bernat dann raus, die nächste schlechte Nachricht für die verletzungsgeplagten Bayern, die unbeirrt den nächsten Dreier in der Liga einfuhren. Das solide 2:0 gegen die TSG bot ausreichend Grund für Guardiola, sein Team zu loben: "Ich bin stolz auf die Mannschaft. Sie hat ein großes Herz." Nur: Wenn es gegen Porto am Dienstag reichen soll, müssen die Bayern schleunigst einen neuen Doc finden, der Doppelherz im Medizinschrank hat.

2. So ein Rücktritt setzt Kräfte frei

Spielen wir mal den Daumschen Küchenpsychologen: Jürgen Klopp wird am Samstagnachmittag um 16.35 Uhr innerlich zusammengebrochen sein. All diese Monate peinigt ihn sein Team - und kaum kündigt er seinen Rücktritt an, schießt Henrikh Mkhitaryan ein Tor. Der Henrikh Mkhitaryan, der im Sommer offenbar zum Chancentod umgeschult hat. Wobei, Chancenzombie trifft es eher. Einen mageren Torerfolg wies der Armenier vor dem Spiel gegen Paderborn auf, bei 50 Torschüssen. Und wo er schon dabei war, legte Mkhitaryan dann auch noch Shinji Kagawa einen Treffer auf. Kaga … wer? Na Sie wissen schon, "Free Shinji", die wohl missglückteste Befreiungsaktion seit Nipplegate. Und so stand es 3:0, der erste Akt der Jürgen-Klopp-Feier nahm seinen Lauf. Während die Gelbe Wand ihren Trainer besang, schimpften die Paderborner über den Schiedsrichter. Felix Brych hätte in der 23. Minute auf den Punkt zeigen können, als Uwe Hünemeier im Strafraum fiel. Warum der Pfiff ausblieb, weiß der Paderborner Kapitän angeblich genau: "Weil wir ein kleiner Verein sind. Anders kann ich es mir nicht erklären." Vielleicht hätte das Spiel einen anderen Verlauf nehmen können, schließlich ist der BVB so etwas wie der Mesut Özil der Bundesliga: bei Rückstand kaum zu gebrauchen. Erst vier Punkte holten die Dortmunder in dieser Saison nach einem 0:1. Leider für Paderborn sind das aber reine Gedankenspielchen - die harten Fakten tun richtig weh: vier Auswärtspleiten ohne eigenes Tor in Folge, schon die achte Niederlage der Rückrunde. Die Zeichen deuten auf Abstieg.

3. Habemus Tuchel

Jürgen Klopp war mit dem BVB so verwachsen wie Helmut Kohl lange Jahre mit dem Kanzleramt – nur hat der am Ende keine stehenden Ovationen bekommen. Das Dortmunder Westfalenstadion zeigte gegen Paderborn ab der 88. Minute mal wieder, wozu es in der Lage ist. Jürgen Klopp wollte sich seine Rührung nicht anmerken lassen, er versucht ja gerade, seinen Abschied so professionell. Also sagte er: "Ich darf nur ein einziges Mal emotional werden, bis dahin muss ich einen Schutzpanzer tragen." Die Fans werden in den kommenden Wochen sicher noch öfter testen, ob der Panzer auch dick genug ist.

Nur falls Sie es noch nicht mitbekommen haben, so sieht Klopps Nachfolger Thomas Tuchel aus.

Nur falls Sie es noch nicht mitbekommen haben, so sieht Klopps Nachfolger Thomas Tuchel aus.

(Foto: imago/Jan Huebner)

Klopps Nachfolger steht seit gestern fest – und man kann sich eher schwer vorstellen, dass auch er in einigen Jahren einen so herzenswarmen Abschied bekommt. Thomas Tuchel gilt in vielem als Wiedergänger und sogar Weiterentwicklung von Jürgen Klopp, nur eben nicht im Umgang mit Menschen. Harald Strutz, Präsident des FSV Mainz 05, erzählte einmal, er habe sich im Trainingslager nicht getraut, Tuchel auf dem Platz per Handschlag zu begrüßen. Der hätte sich sonst sicher in seiner Konzentration gestört gefühlt. Manchmal habe er, der Präsident, monatelang nicht mit seinem Coach gesprochen. So etwas wird Tuchel sich in Dortmund nicht leisten können, wenn er will, das etwas entsteht wie mit Klopp: echte Liebe.

4. Aller guten Dinge sind nicht vier

Die Zeit rennt dem HSV so langsam davon, vielleicht hätte Dietmar Beiersdorfer seinen vierten Trainer ein wenig sorgfältiger auswählen sollen. Nichts gegen Bruno Labbadia, aber der hatte bei seinen bisherigen drei Bundesliga-Stationen noch nie einen Sieg zum Auftakt eingefahren – so auch beim vierten Versuch. 0:1 in Bremen, nach wie vor Letzter, der einzige Trost: Auch Stuttgart, Paderborn und Freiburg verloren ihre Spiele. Immerhin hat der neue alte Trainer dem Team sichtbar mehr Stabilität verlieren, doch ausgerechnet Führungsfigur Valon Behrami brachte den HSV um den durchaus verdienten Punkt im Nordderby. Heiko Westermann motzte zwar "Heimschiri" ins erstbeste Mikro, doch über den Elfmeter nach Behramis erstaunlich ungeschicktem Zweikampfverhalten gab es keine zwei Meinungen. Über die Rote Karte schon, die Labbadias Aufgabe nicht einfacher macht. "Wir dürfen uns nicht lange damit aufhalten, müssen die Mannschaft aufrichten und ihr einen Weg aufzeigen, wie wir es noch schaffen können", sagte der HSV-Coach nach dem bitteren Auftakt in seine zweite Amtszeit. Als ehemaliger Knipser dürfte er den Weg nach oben aber gut kennen – der Ball muss endlich mal wieder ins Netz. Mit der erneuten Nullausbeute gegen Bremen stellte der HSV einen neuen Vereinsnegativrekord auf, sechs Spiele ohne Tor in Folge sind es nun schon.

Werder steht nun auf Platz sieben, ein Platz, der für Europa reichen könnte. "Wahnsinn", kommentierte Trainer Viktor Skripnik knapp. Nur eins noch, liebe Bremer: Bei aller Freude über den Derbysieg, der gleichzeitig den 500. Heimerfolg in der Bundesliga bedeutete – das hier ist KEIN SELFIE. Das ist ein sogenanntes "Foto":

Das hier ist EIN SELFIE:

5. Ecken können ganz schön ungefährlich sein

Drei Ecken, ein Elfer – so lautet eine eherne Bolzplatzregel. Vielleicht sollte Bayer Leverkusen mal beim notorisch innovativen Fifa-Boss Sepp Blatter anfragen, ob er die Regel nicht auch für die Profis einführen will. Der notorische Vizemeister hat sage und schreibe 158 Ecken geschlagen, bevor es mal wieder geklingelt hat. Ömer Toprak beendete mit seinem 1:0 gegen Hannover die Erfolglos-Serie und ebnete damit den Weg zum ungefährdeten 4:0. Bayer verdrängte damit Mönchengladbach vom direkten Champions-League-Qualifikationsplatz 3. Apropos Serie: Hannover ist nun seit 13 Spielen sieglos, die zweitlängste Negativserie von 96 in der Bundesliga hat also Bestand – ganz im Gegensatz zur Jobgarantie von Tayfun Korkut. Die Nachfolge soll schon geregelt sein, ganz nach HSV-Art wird ein alter Bekannter gehandelt: Mirko Slomka. Aber auch der Retter himself, Peter Neururer, hat seine magischen Anti-Abstiegs-Fähigkeiten angeboten.

6. Abstiegskampf ist die neue Meisterschaft

Zumindest geht es im Keller wenigstens weiter spannend zu, und zuweilen sogar sehr unterhaltsam. Und in Freiburg lieferten sich der SC und Mainz ein packendes Duell, mit dem 3:2-Auswärtssieg entledigt sich der FSV seiner ärgsten Abstiegssorgen. Weniger unterhaltsam verlief das Aufeinandertreffen der Hertha mit dem 1. FC Köln. Der FC mausert sich ja gerade zur Grauen Maus der Liga, und was das Schlimmste ist: Die Kölner Verantwortlichen finden das auch noch gut. Bei der Hertha lieferte der Aufsteiger zum achten Mal in dieser Saison ein torloses Remis ab, das ist neuer Bundesligarekord. "Wenn man kein Tor schießt, ist ein 0:0 das beste Ergebnis der Welt", sagte FC-Trainer Peter Stöger hernach. Die neue Nüchternheit lullte auch den Gegner ein, Hertha-Trainer Pal Dardai fand eine bemerkenswerte Erklärung für den schiedlich-friedlichen Kick: "Man muss auch sehen die Umstellung mit der ganzen Sonne jetzt."

Wenn die Herren sich dann an diese völlig ungewohnte Lichtsituation in diesem sogenannten "Frühling" gewöhnt haben, kann es nächste Woche ja weitergehen im spannenden Abstiegskampf: Stuttgart empfängt Freiburg, Hamburg versucht sich gegen Augsburg, der kleine HSV gegen Hoffenheim, und Paderborn hat Bremen zu Gast.

Quelle: ntv.de

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