SV Werder Bremen Das Jahr nach Diego
07.08.2009, 09:53 Uhr
Neu in Bremen: Dribbelkönig Marko Marin.
(Foto: AP)
Was ist neu?
Diego ist weg, Werders Denker und Lenker im Mittelfeld. Claudio Pizarro, Werders bester Stürmer in der Vorsaison, ist auch weg, vorerst zumindest. Ebenfalls weg: Frank Baumann. Nach gefühlten 50 Jahren als Bremer Kapitän hat der stoische Franke die Binde wieder freigegeben und seine Karriere beendet. Geblieben sind zum Beispiel: Thomas Schaaf, Werders erfolgreichster Trainer seit Otto Rehhagel, der sich auch mit Koffern voller Geld nicht nach Wolfsburg locken ließ. Und Torsten "Lutscher" Frings, der beste Werder-Wadenbeißer und neue Werder-Kapitän. Und natürlich Tim Wiese, der im letzten Jahr vom gut gegelten und noch besser gebräuntem Butterfinger zum gut gegelten und noch besser gebräuntem Nationaltorhüter aufgestiegen ist. (Wieder-)Gekommen sind: Dribbelkönig Marko Marin, der mit Einlagen in den Schuhe gerade eben über die Werbebande blicken kann. Marcelo Moreno, ein aus der Ukraine ausgeliehener Bolivianer. Und natürlich Tim Borowski, der sich auf der Bayern-Ersatzbank eindrucksvoll für eine Rückkehr nach Bremen empfehlen konnte.
Was bringt das?
Mehr Veränderungen, als dem Norddeutschen gewöhnlich lieb ist. Werder-Manager Klaus Allofs betont zwar: "Bei all den hektischen Veränderungen in der Liga hebt sich Werder wohltuend ab." Aber selbst absolute Fußballlaien wie wir erkennen, dass den Werderanern mit Diego und Pizarro fußball- und schlagzeilentechnisch zwei absolute Lichtgestalten und mit Frank Baumann ein großes Stück Kontinuität abhanden gekommen ist. Allofs hat jedoch insofern Recht, als dass die Bremer auf weitere große Umbauarbeiten verzichtet haben. Lediglich die wichtigen Abgänge wurden - zumindest quantitativ - eins zu eins ersetzt: für Diego kam Marin, für Pizarro Leihstümer Moreno und für Baumann kehrt Borowski zurück ins zentrale Werder-Mittelfeld.
Wie ist die Stimmung?
Trotz Diego-Abschieds durchaus optimistisch. Die Experten streiten sich allerdings noch, wie die vergangene Saison als Maßstab für die neue zu bewerten ist. Zwar blieb man gegen den FC Bayern ungeschlagen und demütigte den Südrivalen ebenso wie den späteren Meister Wolfsburg in deren Stadion mit 5:2. Andererseits trieb die fehlende Konstanz im Werder-Spiel Fans und Verantwortliche regelmäßig zur Verzweiflung. In der Champions-League-Vorrunde konnte man Gegner wie Anorthosis Famagusta und Panathinaikos Athen nicht hinter sich lassen, in der Bundesliga-Rückrunde erwiesen sich Mannschaften wie Arminia Bielefeld und der Karlsruher SC als zu stark für Werder, trotz Heimvorteils! Dafür gelang im Uefa-Cup der Finaleinzug und im Pokal sogar der Sieg, weshalb man trotz des indiskutablen 10. Rangs in der Liga wieder international vertreten ist. Und einen Vorteil hat die verkorkste Vorsaison auch: Den Fans bleibt der Frust über schwache Spiele in der Champions League erspart.
Wie wollen sie spielen?
Mit Diego und Baumann hat sich auch die Mittelfeldraute aus Bremen verabschiedet, die Werder in der Saison 2004 mit dem grandios herausgespielten Double aus Meisterschaft und Pokal in der Liga überhaupt erst salonfähig gemacht hatte. Fortan setzt Trainer Schaaf zwar weiter auf ein 4-4-2, allerdings mit Frings und Borowski als Doppelsechs mit Offensivdrang und den kreativen Außen Marin und Mesut Özil als Diego-Nachfolgerduo. Der 21-jährige Edeltechniker Özil konnte an der Seite des abgewanderten Brasilianers in der Vorsaison bereits 23 Torvorlagen in Liga, Pokal und Uefa-Cup verbuchen, im Pokalfinale gegen Leverkusen erzielte er das einzige Tor. Marko Marin fassen die Verantwortlichen hingegen mit Samthandschuhen an - und loben den kleinen Dribbler als "großes Talent". Keine Veränderungen gibt es in der Defensive. Vor Keeper Wiese agiert die Innenverteidigung mit Naldo und Per Mertesacker, die an guten Tagen zu den besten der Liga fällt. Nach außen fiel die Qualität mit Clemens Fritz auf rechts und links Petri Pasanen oder U21-Europameister Sebastian Boehnisch in der Vorsaison allerdings merklich ab.
Was ist das größte Problem?
Im Sturm streiten sich momentan vier mittelmäßige Stürmer um zwei Plätze. Das ist komfortabel, aber nicht leistungsfördernd, weil dann wahrscheinlich jeder mal ran darf. Fest steht deshalb, dass im Angriff noch Handlungsbedarf besteht und ein Hochkaräter verpflichtet werden soll. Die Verantwortlichen wissen darum, mahnen aber zu Gelassenheit. Schließlich ist man sich mit dem wieder zu Chelsea zurückgekehrten Vorjahresrückkehrer Claudio Pizarro über eine erneute Rückkehr nach Bremen einig. Weil der Peruaner momentan noch zu teuer ist, will sich Werder notfalls bis Ende August Zeit lassen. Klappt es mit der Rückholaktion nicht, gilt der 25-jährige Argentinier Maxi Lopez von Gremio Porto Alegre als Ersatzkandidat für den Angriff. Seine Empfehlung: 1 Länderspiel und 2006 der Champions-League-Sieg mit dem FC Barcelona, zu dem er als Animateur auf der Bank entscheidend beitrug. Hochkarätig klingt anders.
Wo führt das hin?
Ob die Pokalmannschaft Werder in der neuen Saison auch in der Liga wieder angreifen kann, hängt maßgeblich davon ob, ob Stammspieler wie Clemens Fritz, Hugo Almeida und Sebastian Boehnisch endlich ihr Talent dauerhaft ausschöpfen können. Und ob Offensivallrounder Hunt endlich einmal mehr Zeit auf dem Rasen als in der Reha verbringen kann. Wenn alle so gut spielen, wie sie können, also zum Beispiel wie beim 5:0 im Pokal gegen Union Berlin, mischt Bremen wieder mit im Kampf um die Champions League. Selbst die zuletzt notorisch schwachen Außenverteidiger wussten gegen Union zu überzeugen. Läuft es in der Liga allerdings wie im Vorjahr und in den Cup-Wettbewerben schlechter, hallen ab dem 10. Spieltag "Diego, Diego"-Sprechchöre durchs Weserstadion. Und Thomas Schaaf lässt sich eine Vokuhila wachsen.
Wer kam, wer ging?
Hin: Marko Marin (Bor. Mönchengladbach/8,5 Millionen Euro), Tim Borowski (FC Bayern München/1,5 Millionen), Marcelo Moreno (Schachtjor Donezk/ausgeliehen), Said Husejinovic (1. FC Kaiserslautern/war ausgeliehen), Boubacar Sanogo (1899 Hoffenheim/war ausgeliehen), Sebastian Mielitz, José Alex Ikeng, Timo Perthel, Torsten Oehrl, Dominik Schmidt, Philipp Bargfrede (alle Werder Bremen II)
Und weg: Diego (Juventus Turin/24,5 Millionen), John Jairo Mosquera (Union Berlin/ausgeliehen), Kevin Schindler (FC Augsburg/ausgeliehen), Alexandros Tziolis (Panathinaikos Athen/war ausgeliehen), Claudio Pizarro (FC Chelsea/war ausgeliehen), Max Kruse (St. Pauli), Frank Baumann (Karriereende), Nico Pellatz (Apollon Limassol)
Und die anderen?
VfL Wolfsburg
FC Bayern München
VfB Stuttgart
Hertha BSC
Hamburger SV
Borussia Dortmund
TSG Hoffenheim
FC Schalke 04
Bayer 04 Leverkusen
SV Werder Bremen
Hannover 96
1. FC Köln
Eintracht Frankfurt
VfL Bochum
Borussia Mönchengladbach
SC Freiburg
FSV Mainz 05
1. FC Nürnberg
Quelle: ntv.de